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Generation 2006 und die Schwarzgeldaffäre in der Bundesliga

Oliver Fritsch | Dienstag, 6. August 2002 Kommentare deaktiviert für Generation 2006 und die Schwarzgeldaffäre in der Bundesliga

Die Verhältnisse in der Bundesliga scheinen in eine Drei-Klassen-Gesellschaft zementiert zu sein, Oliver Kahn in Madrid, die Lage beim 1. FC Kaiserslautern und – Franziska van Almsick

Die FAS (4.8.) blickt auf die bevorstehende Bundesliga-Saison und erwartet eine Stabilisierung der Kräfteverhältnisse. „Die Hierarchie unter den 18 Mannschaften scheint zementiert zu sein. Nur wenige können Meister werden, ein paar mehr kämpfen ausschließlich gegen den Abstieg, und der große Rest hat sich dazwischen eingerichtet. Zwar sind die Stockwerke durchlässig. Allerdings geht es nach unten schneller als nach oben.“ Dabei nimmt die FAS folgende Dreiteilung vor: Michael Ashelm über die „Beletage“ (Borussia Dotmund, Bayer Leverkusen, Bayern München, Schalke 04 und Hertha Berlin). „Es ist schwer genug, ganz nach oben zu kommen. Oben zu bleiben ist eine noch größere Herausforderung. Für den Fußball neuerer Prägung mag diese These nicht mehr gelten. Wer sich erst mal in der Beletage der Bundesliga festgesetzt hat, dem kann eigentlich nicht mehr viel passieren. Der hat freie Sicht und kann es sich, wenn er nicht leichtsinnig wird, im Obergeschoss so richtig bequem machen. Schaut man auf die vergangenen zwei Spieljahre, konnten sich immer die selben fünf Mannschaften an der Spitze positionieren, nur in unterschiedlicher Reihenfolge (…) Ein Zufall? Mit den großen Erträgen der vergangenen Jahre aus Werbung und Fernsehvermarktung haben die Topklubs ihre Position im Vergleich zum Rest der Liga überproportional stärken können, mehr als es in den Achtzigern und Neunzigern möglich war. Und die Krise beschleunigt den Prozess des Auseinanderdriftens.“ Thomas Klemm über das „Erdgeschoss“ (1. FC Kaiserslautern, VfB Stuttgart, Werder Bremen, Hamburger SV, VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach und 1860 München): „Mittendrin und nur dabei? Nein, damit wollen sich jene Mannschaften, die in den vergangenen Jahren den Mittelbau der höchsten Klasse bildeten und mal einen Gipfel erklommen, mal etwas nach unten abrutschten oder gar den Abstieg in die Zweitklassigkeit verkraften mussten, nicht begnügen. Man blickt nach oben und blinzelt in die Sonne, an der man sich ein lauschiges Plätzchen ergattern konnte (…) Die Basis, um [frühere] Erfolge zu wiederholen, scheint nicht überall stabil. Da und dort knirscht es im Gebälk, kleiner Wohnungsbrände sind noch zu löschen, Risse in der Fassade werden mühsam übertüncht.“ Uwe Marx über den „Keller“ (1. FC Nürnberg, Hansa Rostock, Energie Cottbus, Hannover 96, Arminia Bielefeld und VfL Bochum): „Für ehrgeizige Ziele fehlt das Geld. Rostock und Bochum haben noch nicht einmal einen Trikotsponsor. Außerdem trifft der Rückgang der Fernseheinnahmen kleine Verein härter als große. Natürlich kann jede dieser Mannschaften immer noch einen Größeren, bei günstigem Verlauf sogar einen Großen der Liga schlagen. Das heißt aber noch nicht, dass es dauerhaft für einen Platz in der Zwischenetage reicht.“

„Die kommende Saison soll wieder ein Jahr der Jugend werden“, lesen wir bei Uwe Marx (FAS 4.8.). „‚Generation 2006′. Sie wird in der bevorstehenden Spielzeit unter besonderer Beobachtung stehen. So schwierig im Fußball Vorhersagen über einen Zeitraum von vier Jahren sind: Eine WM in Deutschland beflügelt die Phantasien – zumal der deutsche Fußballnachwuchs anno 2002 alles andere als weinerlich ist.“

Peter Burghardt (SZ 5.8.) über den 2:1-Auswärtssieg Bayern Münchens über Real Madrid. „Schaurige Pfiffe gellten durch die aufgeheizte Betonschüssel, wann immer Oliver Kahn in Aktion trat. Beim Prototypen des Teutonen sehen die Sportfreunde in der spanischen Hauptstadt rot wie Kampfstiere, das muss mit blankem Neid zu tun haben, denn dessen breite Brust würde sich vor dem königlichen Tor ausgezeichnet machen. Kahn war die bunteste Figur auf dem Feld und rettete seiner Mannschaft obendrein das schillerndste Erfolgserlebnis einer düsteren Vorbereitung.“

Zur Situation beim 1. FC Kaiserslautern meint Jan Christian Müller (FR 2.8.). „Die Globalisierung auf dem Spielermarkt hat den 1. FC Kaiserslautern mit voller Wucht getroffen: In diesem Stück Deutschland hat sportlicher Erfolg immer auch mit totaler Hingabe und Identifikation zu tun gehabt. Und mit einem zumindest ansatzweise nachvollziehbaren Konzept. Bei seinem Amtsantritt im Oktober 2000 hatte Brehme vorgegeben, es befänden sich zu viele Ausländer in der Mannschaft, die „Kommunizierung“ müsse verbessert werden. Danach hat er schnell Dominguez (Portugal), Klos (Polen) und Bjelica (Kroatien) geholt, die allesamt inzwischen einen sicheren Stammplatz in der eigenen Regionalliga-Mannschaft haben. Es könnte ein heißer Herbst werden dort droben auf dem Betze. Wenn Brehme so lange noch bleiben darf. Vorstand und Aufsichtsrat haben seinen Vertrag im Frühjahr mehr für die Öffentlichkeit denn aus innerer Überzeugung verlängert. Sie wissen längst, dass das ein Fehler war.“

Philipp Selldorf (SZ 2.8.) schlägt vor. „Selbst im Fußball können die Fundamentalisten ihre Herzen öffnen. In Schalke zum Beispiel tragen holländische Spieler Kosenamen wie NOK (für Nils Oude Kamphuis) oder MVH (Marco van Hoogdalem), und aus dem BVB-Erzfeind Andy ‚Heulsuse‘ Möller wurde die hochgeschätzte ‚Kampfsuse‘ Möller. In München bauen die beiden rivalisierenden Klubs gemeinsam ein Stadion. In Ostasien organisieren zwei traditionell verfeindete Länder gemeinsam die WM. In Mitteleuropa wollen zwei einander fremde Alpenstaaten gemeinsam die EM 2008 ausrichten (…) Wie wäre das: 2006 das WM-Eröffnungsspiel in Amsterdam? Es wäre das schönste Spiel der Welt.“

Die Zurückhaltung Real Madrids auf dem Transfermarkt kommentiert Peter Burghardt (SZ 2.8.). „Neu sind bloß die Trikots, auf denen mitten im strahlenden Weiß die Firma Siemens wirbt. Erstmals seit Menschengedenken wurde dagegen kein einziger Spieler abgeworben, und wenn die Pflicht in Spanien auch erst Ende August beginnt und für Einkäufe noch Zeit ist, so hat das offenbar strenge Gründe.“

Petzer Hartmann (NZZ 2.8.) zur Pleite der AC Fiorentina. „Das letzte Strohfeuer entzündete sich an einem Fax einer unbekannten kolumbianischen Bank. Das Fernschreiben versprach nichts weniger als die Wunderheilung der moribunden AC Fiorentina, die Sofortzahlung von 22 Millionen Euro. Der Polizeipräsident von Florenz, Achille Serra, beugte sich persönlich über das Dokument der Hoffnung und kam zum Schluss: ‚Eine Fälschung.‘ So wie sich arabische Scheichs, amerikanische Invest-Banken, holländische Financiers und geheimnisvolle italienische Seilschaften zuvor in Luft aufgelöst hatten. Ein Schabernack vor der finalen Pointe: Einer der tonangebenden Klubs des italienischen Fußballs ist am Ende, in den Abgrund getrieben worden von ihrem Besitzer, dem Illusionen-Verkäufer Vittorio Cecchi Gori. Die AC Fiorentina, nach einer tumultuösen Saison in die Serie B abgestiegen, hat von der Lega keine Lizenz zum Weitermachen mehr erhalten (…) Der Albtraum ist zu Ende, vor allem für die Spieler. Sie können sich ohne Ablösesumme einen neuen Arbeitgeber suchen. Falls sie in diesen Krisenzeiten einen finden.“

Die Lage von Dortmunds Stürmer Fredi Bobic – im letzten Halbjahr an den englischen Klub Bolton Wanderers ausgeliehen – beschreibt Richard Leipold (FAZ 2.8.). „Die Dortmunder Rechnung war nicht aufgegangen; die Geschäftsführung der kickenden Kommanditgesellschaft auf Aktien hatte sich sogar gründlich verkalkuliert. Der BVB hatte offenbar eine neue Vorschrift des Internationalen Fußball-Verbandes (Fifa) übersehen. Danach dürfen Profis international nur einmal im (Kalender-)Jahr den Verein wechseln. So vielversprechend die Angebote aus Südeuropa auch gewesen sein mögen – die Grenzen waren längst geschlossen (…) Den endgültigen Wechsel nach England, der bis zum 30. Juni möglich gewesen wäre, verhinderten die Dortmunder, ohne es zu wollen, indem sie eine stattliche Ablösesumme für den ihrer Meinung nach trotz allem hochqualifizierten Angestellten verlangten, angeblich 2,5 Millionen britische Pfund. Dieses Geschäftsgebaren hinterlässt nur Verlierer. Bobic darf seinen Beruf bis auf weiteres nur im Training ausüben; Bolton verliert einen guten Stürmer, den der Klub gern behalten hätte, sich aber aufgrund der Ablösesumme nicht leisten kann; Borussia Dortmund erhält keine Ablösesumme und hat zugleich die Chance vertan, einen hochbezahlten Angestellten von der Gehaltsliste zu streichen. Bobic bezieht schätzungsweise etwa drei Millionen Euro pro Jahr.“

Gerd Schneider (FAZ 5.8.) porträtiert die fünffache Goldmedaillengewinnerin Franziska van Almsick. „Neben dem fabulösen Talent verfügt sie – vielleicht im Übermaß – über eine Charaktereigenschaft, die man den wirklich Großen des Sports nachsagt: Leidenschaft. Sie kann über sich hinauswachsen. Doch was den speziellen van-Almsick-Touch ausmacht, ist das labile Gleichgewicht ihrer Seele. Die Gefühle lassen sie fliegen, wenn alle Umstände zusammenpassen. Und sie lassen sie abstürzen, wenn nichts zusammenpasst. Es kommt nicht von ungefähr, dass Franziska van Almsick oft von einem Puzzle spricht, wenn es um ihr Befinden geht. Die emotionalen Erschütterungen, die die sportlichen Taten der Berlinerin seit jeher begleiten, sind auch der Grund dafür, dass sie ein Liebling der Medien und ein Darling der Gesellschaft ist.“

Josef Kelnberger (SZ 5.8.) dazu. „Van Almsick führt seit zehn Jahren ein öffentliches Leben, und das kostet so viel Substanz wie bei anderen das Training, denn sie definiert sich selbst im Spiegel der Öffentlichkeit. Die allerdings wird ihr erst Ruhe lassen, wenn sie ihr Werk bei Olympischen Spielen vollendet. Der Druck, sie möge sich noch einmal beweisen, wird jetzt freundlicher ausfallen, das zumindest. Sie könnte nun zwei Jahre lang auf einer Woge der Zuneigung schwimmen.“

Die NZZ (5.8.) resümiert die Schwimm-EM in Berlin. „Rückblickend bleibt die Erinnerung an fünf Weltrekorde und zahlreiche Spitzenleistungen der fast vollzähligen europäischen Elite, zu der neu van Almsick gestoßen ist, die durch ihr Fluidum für den Schwimmsport im wahrsten Sinne des Wortes zur ‚Goldmarie‘ wurde. Sie popularisiert und lanciert den Schwimmsport zu einem Zeitpunkt, da das Wehklagen vieler Verbände, im Besonderen auch des schweizerischen, über die Inflation der unsinnig aufgeblähten Titelkämpfe noch lange nicht verstummt ist. Diese wertet letztlich jede Veranstaltung ab, das Interesse der Zuschauer erlahmt wie in anderen Sportarten (…) Es schien zwar zeitweise, als hätten vergleichsweise die Beatles die Gitarren wieder ausgepackt, aber letztlich füllte nur ein Insiderpublikum die Halle, weil außer Hobbyschwimmern und Verwandten kaum jemand auf die Veranstaltung hingewiesen worden war. Das sah draußen im Lande ganz anders aus: Die TV-Quoten erreichten dank Programmen in Prime-Time- Nähe sowie deutschen Highlights überdurchschnittliche Werte im Bereich von jenen der Tagesschau.“

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