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Fußball-Monopoly auf russisch

Oliver Fritsch | Sonntag, 29. Februar 2004 Kommentare deaktiviert für Fußball-Monopoly auf russisch

„Russisches Monopoly“ (FAS) in Fußball-Europa – DFB kann keine Satire vertragen (FR) – Real Madrids Paranoia u.a.

„Fußball-Monopoly auf russisch: Warum die Ölkönige aus dem Osten europäische Spitzenklubs begehren“ – Markus Wehner (FAS 29.2.) berichtet: „Die Rettung kommt aus dem Osten. Ein einstiger Waisenjunge aus Sibirien hat den Londoner Fußballklub Chelsea vor dem Ruin gerettet und ihm eine Starmannschaft gekauft. Am Mittwoch haben die mit russischen Öldollars erworbenen Kicker in der Champions League die wackeren Schwaben in Stuttgart geschlagen. Die Londoner Fans singen Kalinka mit englischem Text. Sie lieben Roman Abramowitsch, den 37 Jahre alten Rotschopf mit dem Dreitagebart, der ihren Klub wieder in die erste Reihe gebracht hat. Für sie ist der Mann aus Rußland ein Geschenk des Himmels, ein bißchen Gott, pretty much sogar. Gerade ist Abramowitsch, der in Jeans, mit Baseballkappe und Fanschal die Ehrentribüne des Vereins schmückt, in Großbritannien zum bestverdienenden Unternehmer des Jahres gewählt worden. In seiner Heimat hat die Zeitschrift Finance ermittelt, daß er der reichste aller russischen Oligarchen ist. Auf zwölf Milliarden Dollar beziffert sie das Vermögen des Mannes, der Chelsea aus Spaß am Sport gekauft hat. Roman Abramovich, he is so f… rich, lautet denn auch die inoffizielle Version des russischen Volkslieds in der englischen Fanversion. Gut 400 Millionen Euro hat der Besitzer des Ölkonzerns Sibneft bisher für den britischen Klub ausgegeben, nicht soviel, als daß er sich nicht noch mehr leisten könnte. (…) Den Russen traut man mittlerweile auch den Kauf der Größten im Sportgeschäft zu. So kursierte vor wenigen Wochen das Gerücht, der in den Londoner Russenkreisen bekannte Ralif Safin wolle Manchester United erwerben. Der 50 Jahre alte Baschkire, früher selbst aktiver Boxer, gehört zu den Gründern des russischen Ölriesen Lukoil. Als Sportmäzen, unter anderem als Sponsor von Spartak Moskau, hat er sich zudem einen Namen gemacht. Bekannter als Safin ist indes seine schöne Tochter Alsu, ein russischer Popstar, die schon den europäischen Schlagerwettbewerb gewann. Sohn Marat kontrolliert von London aus große Teile des russischen Zuckermarkts. Vater Safin hat nach Auskunft der russischen Medien nur ein Vermögen von 215 Millionen Dollar (Platz 72). Welchen Anteil er noch am Giganten Lukoil, wo er offiziell ausgeschieden ist, besitzt, gilt als ungewiß. Wen wundert’s, daß auch die ganz Reichen Rußlands, die 25 Dollar-Milliardäre, sich der Gerüchte erwehren müssen, sie wollten angesichts des neuen sportlichen Drangs nach Westen den Konkurrenten nicht nachstehen. Wladimir Potanin, der den Metallgiganten Norilsk Nickel besitzt, mußte unlängst dementieren, daß er Arsenal London kaufen wolle. Mit einem geschätzten Vermögen von rund fünf Milliarden Dollar hätte er das nötige Kleingeld gehabt. Doch Potanin will weiter in Rußland Geschäfte machen. Da ist es für die Imagepflege nicht gut, sein Geld in englische oder italienische Sportvereine zu investieren. Als unpatriotisch ist Abramowitschs Rettungsaktion für Chelsea von russischen Politikern kritisiert worden. Und auch der gemeine Russe ist kaum begeistert davon, daß seine Öldollars, die ein gewiefter Junge aus Omsk sich in die Tasche gesteckt hat, in England landen. Der Chef des russischen Rechnungshofs war über Abramowitsch gar so empört, daß er überprüfen will, ob jener denn in seinem Nebenberuf als Gouverneur von Tschukotka, der Halbinsel im Fernen Osten gegenüber von Alaska, auch seinen sozialen Verpflichtungen nachkommt. Doch dort hat Abramowitsch nicht nur Rentierzüchter und Walfänger von Elend und Hunger befreit, sondern hat der Hauptstadt Anadyr auch einen Supermarkt, zwei Hotels, ein Freizeitzentrum, ein Internetcafe und ein College geschenkt, neue Häuser errichten und den Flugplatz erweitern lassen. Mindestens 200 Millionen Dollar hat Abramowitsch bei den Tschuktschen investiert, und die Einwohner sehen mit Bangen dem Jahr 2005 entgegen, wenn das Geschenk des Himmels nicht mehr Gouverneur im ewigen Eis spielen will.“

Dieter Hintermeier und Udo Rettberg (Tsp 2.3.) recherchieren denkbare Finanzmodelle in Deutschland: „Dass die Bundesliga ein Finanzproblem hat, hat sich bis zu jedem Fan auf der Stehplatztribüne herumgesprochen. Dortmunds Aktie ist kaum noch etwas wert, Schalke hat bereits zukünftige Zuschauereinnahmen verpfändet. Um an frisches Geld zu kommen, interessieren sich viele Vereine für Anleihen. Die DFL denkt sogar über die Ausgabe eines Bonds nach. Bonds sind öffentliche Anleihen, die private Anleger zeichnen können. Mit ihnen könnten sich die Klubs kurzzeitig Finanzmittel beschaffen. „Hätte die DFL die Hoheit über solch einen Finanztopf, könnte sie ihre Machtfunktion, auch gegenüber den großen Vereinen, ausbauen“, sagt Björn Bloching von der Unternehmensberatung Roland Berger. Innerhalb des Verbandes ist der Plan allerdings umstritten. „Wir wissen nicht, ob unsere Aufgabe darin liegen sollte, Aufgaben einer Bank zu übernehmen“, sagt DFL-Geschäftsführer Christian Müller. Eine der wichtigsten Figuren in der Fußball-Finanzszene ist Stephen Schechter. Der amerikanische Investmentbanker hat zuletzt zahlreichen englischen Klubs mit Anleihen geholfen. In Deutschland erregte er im vergangenen Jahr bei Schalke mit einem 85-Millionen-Bond Aufsehen. Schechter will jetzt auch bei anderen Vereinen einsteigen. Sein jüngster Kandidat: Hertha BSC. „Schechter ist mit einem Angebot auf uns zugekommen“, bestätigte Herthas Geschäftsführer Ingo Schiller dem „Handelsblatt“. Einer Anleihe stehen die Verantwortlichen des Klubs offen gegenüber. (…) Gegen die Verpfändung von Zuschauereinnahmen haben Finanzexperten wenig einzuwenden. „Eine Anleihe macht für Fußballvereine zurzeit mehr Sinn als ein Börsengang“, meint Georg Stadtmann von der privaten Hochschule für wissenschaftliche Unternehmensführung in Koblenz. Wichtig sei aber, dass das Geld sinnvoll investiert werde. „Dazu gehören Investitionen in die Stadion-Infrastruktur oder in ein Fußball-Internat“, sagt Stadtmann. Für bedenklich hält er dagegen Investitionen in Spieler oder eigene Fernsehsender. Ähnlich argumentiert Thilo Hasler, Analyst der Hypo-Vereinsbank: „Den Vorteil einer Anleihe sehe ich darin, dass der Klub seinen Schuldendienst auf einen Gläubiger vereinen kann.“ Unternehmensberater Bloching mahnt dagegen zur Vorsicht: „Da die Einnahmenströme der Klubs großen Schwankungen unterworfen sein können, sollten sie kleine Anleihen-Tranchen zu wählen.“ Bloching plädiert dafür, dass sich mehrere Vereine zusammenschließen und eine Anleihe auflegen.“

Birgit Schönau (SZ 2.3.) teilt gescheiterte Verhandlung in Rom mit: „Verhandelt wurde im Palazzo Torlonia unweit der Spanischen Treppe. Auf der einen Seite der AS Rom, auf der anderen eine Delegation des russischen Petrolkonzerns Nafta. Die Prinzen Torlonia sind die Parvenüs im tausendjährigen römischen Adel, Ausländer zumal, angekommen erst im 18. Jahrhundert aus Frankreich, steinreich. Insofern stimmte der spritus loci. Vier Tage und Nächte lang berieten die Manager des AS Rom und ihre Partner aus Moskau über das Schicksal der hoch verschuldeten Roma, und am Ende schien die Übernahme des Traditionsvereins durch Nafta beschlossene Sache. Sonntagnacht jedoch klingelte im Palazzo Torlonia das Telefon. Ein Anruf aus Russland: Alles abbrechen, wir machen das nicht. Es habe ein ¸¸radikales Umdenken seiner Firma gegeben, erklärte später Nafta- Sprecher Mikhail Smirnoff. Und dabei sei es nicht um Geld gegangen. ¸¸Die Lage des italienische Fußballs ermutigt zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu großen Investitionen. Anders ausgedrückt: Die Serie A ist selbst den Russen zu heiß. Vorangegangen war dem Njet aus Moskau eine Großrazzia der italienischen Finanzpolizei in 51 Profiklubs sowie in den Geschäftsstellen des Fußballverbandes und der Liga. Über 400 Polizisten waren vergangene Woche im Einsatz, die auf der Suche nach Beweismaterial zwei Lastwagen mit beschlagnahmten Dokumenten füllten. Der italienische Fußball steht im Verdacht, in großem Stil Bilanzen gefälscht und Steuern hinterzogen zu haben. Allein die Staatsanwaltschaft Rom hat elf Ermittlungsverfahren eingeleitet, auch das Parlament befasst sich in einem Untersuchungsausschuß mit den Problemen des fünftgrößten Wirtschaftsunternehmens im Land, dessen 18 Erstligaklubs mit insgesamt zwei Milliarden Euro verschuldet sind. ¸¸Eine Aktion wie in einem Polizeistaat, attackierte Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi die Arbeit der Ermittler, nachdem auch sein Klub, der Tabellenführer AC Mailand, Besuch von der Finanzpolizei bekommen hatte. Andere begrüßten die Kontrollen. ¸¸Wir spielen zwar nicht besonders gut, aber unsere Bilanzen sind in Ordnung, verlautete vom AC Turin. (…) Zehn Stunden lang durchsuchte die Polizei die Roma-Geschäftsstelle am südlichen Stadtrand – dabei bekamen die Russen wohl endgültig kalte Füße. ¸¸Schon die Fälle Lazio Rom und AC Parma hatten uns nachdenklich gestimmt, berichtete Avvocato Trifirâ. Schließlich sitzen deren ehemalige Besitzer inzwischen im Knast. ¸¸Nach der Razzia müssen wir außerdem befürchten, dass der AS Rom keine Lizenz für die nächste Champions League bekommt. Wenig Aussichten auf Gewinn, aber dafür den Staatsanwalt an den Waden – da hat Nafta-Chef Suleiman Kerimow dankend abgewinkt und die reservierten Salons in einem römischen Luxushotel, wo er eine rauschende Roma-Party geben wollte, lieber ganz schnell abbestellt. Für die Tifosi eine kalte Dusche. Sie hatten schon davon geträumt, dass die Russen den Rubel für den Ankauf neuer Stars so richtig rollen lassen würden. ¸¸Russen oder staatenlos, es ist uns egal, wer unsere Probleme löst, hatte der alte Senator Giulio Andreotti gesagt, als siebenfacher christdemokratischer Premier seines Landes einst ein bewährter kalter Krieger. ¸¸Der heilige Don Bosco hatte Angst davor, dass dereinst die Pferde der Kosaken aus dem Brunnen auf dem Petersplatz trinken würden, fügte Roma-Fan Andreotti listig hinzu.“

Bernd Müllender (FR 1.3.) ärgert sich über Engstirnigkeit beim DFB: „Der Vertrag über 15 neue Folgen war gerade erst unterschrieben und Autor Tom Theunissen eigens für die Fußball-Europameisterschaft 2004 im Juni akkreditiert worden. Mitte Februar tagte dann bedenkenschwer die ARD-Sportchefkonferenz. Dann kam die Kündigung. Sehr überraschend, wie Grimme-Preisträger Theunissen sagt. Klaus Schwarze vom WDR habe am Telefon mitgeteilt, man wolle das nicht mehr. Gründe: keine. Das ist alles schon sehr seltsam. Theunissen fertigt . . . die den Adler tragen, jene kleine freche Glosse, die seit der Fußball-Weltmeisterschaft 1998 in mittlerweile rund 50 Episoden die ARD-Übertragungen von Länderspielen satirisch anreichert. Mal spöttelt er über Sponsoren-Wichtigtuereien, mal labt er sich an den Grotesken von Pressekonferenzen, besonders gern analysiert er die Sprachakrobatik von Führungsfiguren aus dem DFB-Adlerhorst wie den Skibbi (Trainer Michael Skibbe) oder den ewigen Em Vau (MV ist DFB-Chef Mayer-Vorfelder). Und immer erbricht am Ende der flott geschnittenen Dreiminüter ein dürres, hässliches Adlerlogo hustend einen Ball. Natürlich, sagt Theunissen, seien die Beiträge nicht umunstritten gewesen. Aber: Das liegt halt in der Natur von Satire, da tut auch mal was weh. Vom DFB habe er nie Kritik gehört, jedenfalls nicht persönlich, höchstens mal um Ecken herum. DFB-Sprecher Gerhard Maier-Röhn, einst selbst ARD-Fernsehmann, hatte in Japan 2002 mal in der Bild-Zeitung gemeckert, als sich der Adler-Beitrag um seinen Chef Em Vau und dessen Steueraffäre drehte. Theunissens Film erläuterte, der DFB-Boss laboriert an einem Gedächtnisfaserriss. Zur Absetzung des Adlers finden sich in der ARD nur mühsam Erklärungen. Gerd Delling (NDR) will gar nichts sagen und verweist auf Hagen Boßdorf, den ARD-Sport-Koordinator in München. Der sagt mehrfach: Dazu sage ich nichts. Und ansonsten: Das sind doch alles Interna. Nichts für die Öffentlichkeit.“

Du hast Glück gehabt, Roberto, dass sie dich nicht in die Gaskammer geschickt haben

Oh, mein Gott! Peter Burghardt (SZ 3.3.) referiert die Verschwörungstheorie Real Madrids: „Die Grenze des guten Geschmacks war schnell erreicht, vorneweg eilte wie üblich das Blatt namens Marca. Rechts außen stand am Tag nach der für spanisches Verständnis ungeheuerlichen Uefa-Entscheidung der Beitrag eines einfältigen Witzboldes mit dem Titel ¸¸el Bayern de los Caidos. Entlehnt war der dem ¸¸Valle de los Caidos, dem so genannten Tal der Gefallenen. Dort, in den Bergen Madrids, ruht neben Opfern seines Bürgerkriegs der tote Diktator Franco (1939-75) in einer faschistoid-erzkatholischen Pharaonengruft, die als staatliches Kulturgut gilt. Nach Ansicht des Autors hat sich der FC Bayern ebenfalls ¸¸in eine Art Tal der Gefallenen verwandelt, aber ohne Historisches. Das Stück schließt: ¸¸Du hast Glück gehabt, Roberto, dass sie dich nicht in die Gaskammer geschickt haben. Besonders dankbar aufgenommen wird solcher Humor sicher von der rechtsradikalen Fangemeinde Ultras Sur, die gerne mit Sprüchen und Symbolen aus der düsteren Vergangenheit auffällt und (gegen Borussia Dortmund) auch mal ein Tor aus der Verankerung gerissen hat. Auch bei anderen Anhängern von Real Madrid erweitern die schreibenden Verteidiger des weißen Heiligtums die traditionelle Abneigung gegen den FC Bayern nun um den Verdacht, ihr Abwehrspieler Roberto Carlos sei vor dem Rückspiel am 10. März im Bernabeu-Stadion einem Komplott schwarzer Mächte ausgeliefert worden. Für die umstrittene Sperre von zwei Spielen in der Champions League wegen der Ohrfeige gegen Martin Demichelis aus dem Hinspiel war nicht nur für die Propaganda-Sturmspitze Marca die Münchner Beziehungen zuständig. ¸¸Bayern bestimmt in der Uefa, verkündet die meistgelesene Sportzeitung Spaniens (mit täglich 400 000 verkauften Exemplaren), ¸¸eine Schande – der Bannstrahl trifft vor allem Manager Uli Hoeneß, ¸¸ein ungeschickter Stürmer und noch ungeschickterer Mensch. Laut Rechercheuren habe Hoeneß bereits im Kabinengang des Olympiastadions einen österreichischen Uefa-Delegierten auf Roberto Carlos Faustschlag aufmerksam gemacht, der dem norwegischen Schiedsrichter entgangen war. Daraufhin sollen er, Präsident Franz Beckenbauer und Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit Hilfe von Videos ihren Einfluss bei der Uefa geltend gemacht haben, denn ¸¸die Deutschen, verloren und desorientiert in ihrem Land, suchen in Europa nach einem Erfolg, der sich ihnen verweigert, weil sie mittelmäßig sind, Verräter und schlechte Verwalter (Marca). Wie üblich, ergänzt die Konkurrenz As zu einem Archivfoto des strahlenden Trios Hoeneß, Rummenigge, Beckenbauer, spiele der FC Bayern mit zwei Karten: als freundlicher Verbündeter von Real Madrid in der Eliteklub-Vereinigung G-14 und ¸¸im Schatten, um die Vorteile herauszuholen, die er sucht. Benachteiligt wird natürlich immer Real Madrid.“

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