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Riesen schrumpfen lassen, um selbst zu wachsen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Riesen schrumpfen lassen, um selbst zu wachsen

Hamburger SV – Werder Bremen 1:1

Wie ein Klon der Bayern aus den Achtzigern

Nach Auffassung von Frank Heike (FAZ 1.12.) sei für Bremen mehr drin gewesen: „Eigentlich hätte sich Thomas Schaaf ärgern müssen. Eine Halbzeit lang führte der SV Werder Bremen den Hamburger SV vor. Viel größer als nur das eine Tor durch Fabian Ernst war der Unterschied zwischen den beiden Mannschaften; Werder spielte so selbstbewußt, so abgeklärt, wie ein Klon der Bayern aus den Achtzigern. Und das auswärts. Der Ball lief von Mann zu Mann, und kam einmal ein Hamburger dazwischen, ließen ihn Johan Micoud oder der die Grenzen der Überheblichkeit manchmal überschreitende Valerien Ismael, schwupps, einfach durch eine Körpertäuschung ins Leere laufen. Es war wie Männer gegen Jungen. Die Hamburger mußten sich in all ihrer Hüftsteife, Biederkeit und Unfähigkeit, das Spiel vor heimischer Kulisse zu machen, entlarvt vorkommen. Doch irgendwie lullte sich Werder auch ein, mit dem tollen Kombinationsfußball, der einfach nicht zum zweiten Treffer führen wollte. Sie berauschten sich an den Ballstafetten und vergaßen das Wesentliche. So kam am Ende nur ein 1:1 heraus.“

Riesen schrumpfen lassen, um selbst ein Stück zu wachsen

Jörg Marwedel (SZ 1.12.) erforscht die Seelenlehre Klaus Toppmöllers: „Zu den letzten Geheimnissen des Fußballs zählt gewiss die Kraft des Wortes, gesprochen während der Mannschaftssitzung in trüben Hotelkonferenzräumen oder in kahlen Kabinen während der Halbzeitpause. Zu gern wäre man einmal dabei, per Live-Schaltung. Weil aber das Mikrofon am Revers der Trainerjacke in diesen intimen Momenten noch immer tabu ist, muss die Außenwelt weiter darauf hoffen, dass ein paar Beteiligte zuweilen ausplaudern, wie es sich mit der Suggestion hinter verschlossenen Türen verhält. Nach dem 1:1 ließen sich immerhin ein paar interessante Details über das Wirken des neuen Hamburger Fußballlehrers Klaus Toppmöller in Erfahrung bringen. Eines hat der HSV-Profi Collin Benjamin verraten: der Trainer habe der Mannschaft gesagt, „dass die Bremer gar nicht so stark sind, wie jeder erzählt“. Kein schlechter Versuch, den größten Unterschied klein zu reden, den es je vor einem Nordderby zwischen den beiden Rivalen zu Gunsten Werders gegeben hat. Oder Riesen ein bisschen schrumpfen zu lassen, um selbst ein Stück zu wachsen. Leider muss man diesen Versuch, betrachtet man die erste Halbzeit der Partie, gescheitert nennen. Es gab nur ein Team, das rotierte, zauberte und dem Gegner kaum Zeit zum Atemholen ließ – das des hoch gelobten Tabellenzweiten Werder Bremen, dem sein Trainer Thomas Schaaf später zu Recht bescheinigte, „phantastisch losgelegt“ zu haben. Die Hamburger dagegen standen dabei oder liefen hinter- und nebenher, als übe die Kunst der Kontrahenten eine lähmende Faszination aus (…) Dann folgte Toppmöllers zweiter Versuch, dem Team mehr Mut einzuhauchen. Er unternahm ihn in der Pause, wie er selber kolportierte. Keineswegs laut, eher in gemäßigtem Ton habe er die Profis gefragt, „warum sie eigentlich Angst hätten“ und ob sie diese Leistung den Kollegen, die nur auf der Ersatzbank säßen, guten Gewissens anbieten könnten. Dann schickte er, zur Bekräftigung seiner Worte, den Hamburger Nationalspieler Christian Rahn von der Bank für Raphael Wicky ins Spiel, was ein Zeichen des Angriffs sein sollte. Und tatsächlich: Mit Rahn endlich wendete sich das Blatt. Plötzlich gerieten die bis dato so unangefochtenen Bremer „in die eine oder andere Not“ (Schaaf); die von ihren Fans auf Transparenten als riesige Spielkarten präsentierten Stars (Herz-Ass Micoud, Pik-Ass Ailton, Kreuz-Ass Lisztes) stachen nicht mehr. Und schuld daran war Christian Rahn.“

Oke Göttlich (taz 1.12.) fügt hinzu: „Es ist nicht überliefert, welche Filme HSV-Trainer Klaus Toppmöller seinen Profis vor dem Spiel gegen Werder Bremen in den Videokonferenzen gezeigt hat. Aber es muss etwas Gruseliges gewesen sein, zumindest wenn man sich die verängstigte Vorstellung des HSV in der ersten Hälfte zu erklären versucht. Auf jeden Fall liegt es nahe, sich vorzustellen, dass Toppmöller seinen Spielern die Furcht per Fernbedienung in die Knochen getrieben hat. Werders 13 Tore aus den vergangenen drei Auswärtsspielen könnten den Missbrauch der Wiederholungstaste des DVD-Players ebenso erklären, wie die vor Tor- und Bilderflut erstarrten HSV-Kicker.“

VfL Bochum – VfB Stuttgart 0:0

Eine Partie im Stil des italienischen Fußballs

Christoph Biermann (SZ 1.12.) ist angetan: „Ein Spiel nach Art der Serie A: Eine Partie im Stil des italienischen Fußballs, in der man vor allem die hohe Kunst der Verteidigung bestaunen konnte. Es regierte die Vorsicht, dennoch wurde es kein Fest der Ängstlichkeiten, sondern eine zugleich intensive und abgeklärte Angelegenheit. Und es spricht für das Bochumer Publikum, dass es beide Teams nach dem Schlusspfiff mit Beifall verabschiedete, obwohl es wenig Chancen oder Torschüsse gesehen hatte. Doch den Aufwand an Konzentration, den beide Mannschaften betrieben, hatten alle gespürt und respektiert. „Ein 0:0 der gehobenen Sorte“, hatte Bochum Coach Peter Neururer gesehen und ausnahmsweise damit untertrieben (…) Einer alten Fußballweisheit zufolge sind es die Abwehrreihen, die Meisterschaften gewinnen. Und in der Defensive, das zeigte sich gerade in Bochum, wo die Stuttgarter in der Offensive kaum große Szenen hatten, liegt der Kern ihres Erfolgs. Obwohl in den letzten Wochen vor allem die Gefahr des Angriffsduos Kuranyi/Szabics, die Eleganz von Hleb oder die Sturmläufe der Außenverteidiger Hinkel und Lahm bestaunt und bejubelt wurden, ist es die spektakulär geordnete Defensivarbeit der Stuttgarter, die das Team zum großen Meisterschaftsfavoriten macht. „Stuttgart ist eine der vielleicht stärksten Mannschaften in Europa“, sagte Bochums Sunday Oliseh, und das war nicht einfach so dahin gesagt.“

Habitus des selbstgewissen Tabellenführers

Martin Teigeler (taz 1.12.) ist enttäuscht: „Wenn es zwischen den Eckfahnen ungemütlich wird, reden sich die Trainer mit warmen Worten die Spiele schön. Eingepackt in einen dicken Anorak stand Bochums Coach Peter Neururer nach Spielende auf dem Platz und behauptete: Das war die beste Heimleistung meiner Mannschaft. Ja, ein teilweise überragendes Spiel wollte Neururer gesehen haben, ein null zu null der absolut gehobenen Kategorie. VfB-Kollege Felix Magath hatte sich mit einem wärmenden Schal vermummt, schmunzelte zufrieden und sagte: Nach dem großen Erfolg gegen Glasgow Rangers war es normal, dass man durchatmet und zufrieden ist, das war okay. Als die 30.088 Zuschauer nach dem torlosen Spitzenspiel längst vor der Kälte geflüchtet waren, machten Magath und Neururer eine rhetorische Wärmestube auf. Dabei hatten die Fans im Bochumer Ruhrstadion langweiligen und risikofreien Herbstfußball zu sehen bekommen. Die Überraschungsteams der Saison agierten, als hätten sie Winterreifen aufgezogen. Der gegenseitige Respekt überführte das Spielfeld von Beginn an in eine verkehrsberuhigte Zone. Stuttgart ging drei Tage nach dem Achtelfinaleinzug in der Champions League komplett auf Nummer sicher (…) Das junge Stuttgarter Team hat schnell gelernt. In Bochum überwachte der VfB das Spiel mit dem Habitus des selbstgewissen Tabellenführers. Kein Schritt zu viel, kein Foul zu wenig, kein Gedanke an die Träume der Fans vom schönen Fußball. Stuttgart kann an schlechteren Tagen wie am Samstag in Bochum bereits vom Ruf des europaweit bekannten Erfolgsteams leben. Zudem wird der Mannschaft von Felix Magath auch schon der branchenübliche Bonus des Bundesliga-Ersten zuteil. Schiedsrichter Edgar Steinborn leistete sich keine schwerwiegende Fehlleistung, aber die Dutzend-Entscheidungen, die in jedem Spiel üblichen Minifouls, Rempler und kleinen Ordnungswidrigkeiten wertete er auffällig oft zugunsten der Gäste.“

Bayer Leverkusen – 1860 München 2:2

Die Canyons in Augenthalers Gesicht waren tief wie der Mariannengraben

Christian Zaschke (SZ 1.12.) berichtet den Groll des Leverkusener Trainers: „Klaus Augenthaler warf sein faltiges Gesicht in Furchen. Der Trainer war unzufrieden. Er war so unzufrieden, dass er sein zerfurchtes Gesicht in Krater und riesige Schneisen warf, tief wie der Grand Canyon. Er sagte erst einmal gar nichts, er schaute. Dann hob er an, analysierte ein wenig, lobte 1860, schließlich knurrte er: „Wir wollten die erste Möglichkeit nutzen, damit 1860 aufmachen muss. Die Möglichkeit war da, in der sechsten Minute für Oliver Neuville.“ Augenthaler sprach den Namen Neuville aus wie eine große Plage, etwa wie: Erst brannte die ganze Stadt aus, aber dann breitete sich auch noch Neuville unter der Bevölkerung aus. Augenthalers Stimme schnitt: „Den muss er machen. Oliver hätte das Spiel in der ersten Halbzeit allein entscheiden können. Aber das zieht sich ja bei uns durch wie ein roter Faden.“ Die Canyons in Augenthalers Gesicht waren jetzt tief wie der Mariannengraben. Armer Oliver Neuville.“

Bayern München – 1. FC Köln 2:2

Unverhoffter Punktgewinn mit Klebestift und Schere

Andreas Burkert (SZ 1.12.) notiert die Worte der Beteiligten nach und vor dem Spiel: „Ottmar Hitzfeld sprach nach der verpassten Kontaktaufnahme mit der Tabellenspitze von einer „großen Enttäuschung, wir haben uns heute blamiert“. Und dann tadelte er einen Spieler öffentlich – das tut er gewöhnlich nicht. Es traf Hasan Salihamidzic, der Kölns 1:0 mit einem sagenhaften Fehlpass eingeleitet und auch den 2:2-Ausgleich begünstigt hatte. „Jeder hat gesehen, dass da nicht die ganze Mannschaft beteiligt war“, stichelte Hitzfeld, „das waren zwei individuelle Fehler von einem Spieler.“ Dass sich Salihamidzic als einziger Bayern-Profi den Analysezirkeln stellte („da sah ich blöd aus“), muss man ihm anrechnen. Es blieb die einzig herausragende Leistung der Gastgeber. FC-Coach Marcel Koller registrierte den ersten Punkt im dritten Einsatz eher verhalten, wiewohl er zufrieden über sein fruchtbares Mentaltraining referierte. Die Woche über hatte er in der Kabine ein Plakat gezeigt, auf dem seine Spieler ein Potpourri der gehässigsten Schlagzeilen der zu allen Gemeinheiten fähigen Kölner Presse studieren konnten. Am Spieltag präsentierte der Schweizer eine selbst erstellte Collage mit positiven Überschriften, damit habe er „die Sonntagspresse nach einer Überraschung in München visualisieren“ wollen. Er darf jetzt behaupten, mit Klebestift und Schere einen unverhofften Punktgewinn erzielt zu haben. Hitzfeld benötigt keine Plakate. Ihm wird diese Woche ein Blick in die Tagespresse zum Aufbau von Wut und Spannung genügen. Dort dürfte zu lesen sein, dass seine Mannschaft ihre Strukturkrise nicht mehr leugnen kann; dass sein Team zusammenhanglos auftritt und in wirklich jedem Mannschaftsteil Gefahren lauern: Die Abwehr ließ sich von den zunehmend geschickt konternden Kölnern weitaus häufiger als im Celtic Park in Aufregung versetzen. Im Mittelfeld behielt am ehesten der pubertierende Jüngling Schweinsteiger die Übersicht. Ballack dagegen nähert sich seinem künstlerischen Tiefpunkt und sieht seine Aufgabe offenbar zunehmend darin, nach misslungenen Alibipässen zu lamentieren.”

Augenwischerei

Roland Zorn (FAZ 1.12.) warnt die Bayern: „Um den Anspruch Erster auf Dauer glaubwürdig zu erheben, müssen sich die Bayern bald finden. Möglichst schon in Bremen am Samstag. Verlieren die Münchner auch dort, wird ein anderer Glasgower Kernsatz von Manager Hoeneß noch oft und höhnisch zitiert werden: Wir werden jetzt wieder voll angreifen, so daß die Gegner vor dem FC Bayern wieder Angst haben müssen. Schon nach dem 2:2 gegen den Letzten ging Bayern-Präsident Beckenbauer inhaltlich auf Distanz zu seinem Manager: Was der Uli nach dem Spiel in Glasgow gesagt hat, war reine Augenwischerei. Schon dort waren wir so schlecht wie jetzt gegen den 1. FC Köln. Die Bremer Tabellenzweiten dürfen sich auf den Besuch des wackligen Meisters freuen.“

Roland Zorn (FAZ 1.12.) gratuliert Stefan Wessels zu seiner Leistung: „Er schien die vertraute Bühne Olympiastadion gar nicht mehr verlassen zu wollen. Während Oliver Kahn, sein am Samstag sprachloser Kollege Cheftorwart von gestern, flugs die Arena seines Mißvergnügens verließ, kostete dessen ehemaliger Stellvertreter Wessels den Szenenapplaus aus. Der 1,89 Meter lange Niedersachse, der bei den Bayern in sechs Bundesligaspielen und ein paar Champions-League-Partien nur dann zum Einsatz kam, wenn sein Vorgesetzter unpäßlich war, stand endlich auch an alter Stätte im Mittelpunkt. Natürlich feierte der Kölner Fanblock den Mann des Tages in dem grellorangefarbenen Pullover angemessen lauthals; daß Wessels dann aber auch herüber zur Südtribüne lief und sich dort bei den ihm überaus wohlgesinnten Hardcoreanhängern der Bayern für den freundlichen Empfang bedankte, hatte Giovane-Elber-Format. Die Fans haben auch meine Arbeit für den FC Bayern honoriert, sie haben ein Feingefühl für den Typen Stefan Wessels. Dieser Typ stahl Kahn am Samstag mit glänzenden Reaktionen, Reflexen und Paraden in Serie die Schau.“

Eintracht Frankfurt – VfL Wolfsburg 3:2

Bei Willi Reimann ist das Glas immer halbleer, nie halbvoll

Thomas Klichenstein (FR 1.12.) rümpft die Nase wegen der Griesgrämigkeit des Frankfurter Trainers: „Wenn man Willi Reimann lauscht, muss man nicht gleich auf die Idee kommen, dass das ein schöner Samstag war für die Eintracht. Statt die aufkommende Begeisterung über den mit Herzblut errungenen Erfolg aufzugreifen, statt gute Stimmung zu verbreiten und den Rückenwind zu einem kleinen Aufschwung zu nutzen, legt er sich ohne Not erneut mit den Fans an. Wieder deckelt er Journalisten, die harmlose Fragen stellen, wieder und wieder erinnert er daran, wo der Club vor eineinhalb Jahren stand, wieder spricht er von Gegnern, die besser sind als Eintracht Frankfurt. Gerade aber hatte die Eintracht einen besseren geschlagen. Das alles klingt eher trist. Er mag ja mit seiner nüchternen, staubtrockenen Herangehensweise nicht ganz falsch liegen; natürlich hat der Club schwere Zeiten hinter sich gelassen, ganz schwere, aber das ist Vergangenheit. Die Gegenwart ist: Eintracht Frankfurt gehört sportlich hier zu Lande zu den 18 besten Clubs und hat die gleichen finanziellen Schwierigkeiten wie 15 andere. Das ist nicht gering zu achten. Bei Willi Reimann ist in der Regel das Glas immer halbleer, nie halbvoll. Er ist keiner, der Menschen mitreißt, sie begeistert oder Emotionen herauskitzelt. Er ist sachlich, meistens wortkarg. Für gute Stimmung sollen andere sorgen. Freunde macht man sich damit nicht.“

Nicht nur Michael Eder (FAZ 1.12.) hält die Eintracht für konkurrenzfähig: „Wie Röber am Ende dasaß und über sein fahriges Personal vor allem in der Abwehr klagte, da konnte sich nebenan Kollege Willi Reimann nur wundern. Der Frankfurter Trainer kann von millionenschweren Zugängen, wie in Wolfsburg mittlerweile üblich, nur träumen. Und wenn Röber nun vorsichtig schon wieder nach neuem Personal verlangt und damit eingesteht, mit dem aktuellen, prominent besetzten Kader die ehrgeizigen Ziele wohl nicht erreichen zu können, dann könnten sie in Frankfurt schon ein wenig neidisch werden. Reimann verlor am Samstag mit dem Brasilianer Chris Hening bereits seinen vierten Innenverteidiger in dieser Saison wegen Verletzung oder einer Sperre. Wenn er viel Glück hat, wird ihm der neue Vorstandsvorsitzende der Eintracht Frankfurt Fußball AG, Heribert Bruchhagen, im Winter einen neuen Stürmer spendieren, auf mehr kann er nicht hoffen. Für Bruchhagen, bislang Geschäftsführer bei der DFL, beginnt seine Mission bei der Eintracht offiziell an diesem Montag, und er durfte sich am Samstag schon einmal bestätigt fühlen in seiner Einschätzung, daß der Verein nicht chancenlos sei im Kampf gegen den Abstieg. Reimann blieb nach dem dritten Saisonsieg gewohnt zurückhaltend (…) Röber mußte sich nach der desolaten Verfassung seiner Mannschaft, die er in einem Luxushotel in der Nähe von Frankfurt auf das Spiel eingestimmt hatte, auch Fragen gefallen lassen, ob er sich Sorgen um seinen Arbeitsplatz mache, was ihn sichtlich irritierte. Kollege Reimann hat mit solchen Fragen in dieser Saison schon des öfteren Erfahrung gesammelt, doch der Arbeitsplatz des chronisch schlechtgelaunten Fußball-Lehrers ist in diesen Tagen so sicher wie schon lange nicht mehr. Die beiden letzten Spiele haben in Frankfurt für eine Menge Optimismus gesorgt. Erst die unglückliche und von Fehlentscheidungen des Schiedsrichters geprägte Niederlage in Freiburg, nun der Kraftakt gegen Wolfsburg – die Frankfurter haben zweimal bewiesen, daß sie sich nicht aufgegeben haben und durchaus in der Lage sind, Fußball auf Bundesliganiveau zu spielen.“

Hertha BSC Berlin – Schalke 04 1:3

Unser Huub ist zu schade für Berlin

Javier Cáceres (SZ 1.12.) stellt fest, dass sich eine Erörterung über das Engagement Hubb Stevens’ nicht vermeiden lassen wird: „Dem Verhältnis von Trainer Stevens zu den Hertha-Anhängern könnte dieser Misserfolg besonders schaden. Denn die Berliner Fans können Schalke nicht leiden, und sie nehmen es ihrem Trainer übel, dass er sechs Jahre in Gelsenkirchen gearbeitet hat. Allen Beteuerungen Stevens’ zum Trotz, dass er Herthaner sei. Vor sem Spiel gegen Schalke ließen Herthas Verantwortliche deshalb ein Plakat drucken, auf dem neben Stürmer Luizão und einem Fan auch Stevens zu sehen war: „Wir gegen Schalke“. Manager Dieter Hoeneß sagte: „Vielleicht wird damit auch dem Letzten klar, auf welcher Seite Huub Stevens steht.“ Umso mehr Wirkung entwickelte der offensichtliche Versuch, die S 04-Ressentiments unter den Herthanern wieder zu befeuern, mit dem die gestrige Bild am Sonntag aufwartete. „Stevens-Brüder: Schön, wenn die Hertha verliert“, stand in der Berliner Ausgabe fett auf Seite eins; im Inneren des Blattes war unter einem Familienbild die Zeile zu lesen: „Unser Huub ist zu schade für Berlin – Familie Stevens drückt Schalke die Daumen, damit der Bruder fliegt.“ Ein Bruder des Trainers, Nick Stevens, wurde mit der Einlassung zitiert: „Schalke ist unser Lieblingsverein. Er gewinnt in Berlin, und Huubs Zeit ist bald abgelaufen.“ Und weiter: „Es tut mir leid für Huub, dass er das alles in Berlin ertragen muss. Nur Dieter Hoeneß ist nett, die anderen, die dort herumlaufen, sind komisch. Es war sein Fehler, nach Berlin zu wechseln. Aber am Montag ist er ja vielleicht wieder bei uns.“ Es gibt einige Blätter in Berlin, die erkennbar für einen Rauswurf stimmen; das Verhältnis zwischen Stevens und den Medien ist zerrüttet, und es wäre unredlich zu behaupten, dass der Trainer daran schuldlos ist. Eine derart ins Familiäre reichende Stimmungsmache aber ist neu. Auch Stevens hat am gestrigen Sonntag die Bams aufgeschlagen; er soll auch deshalb überrascht gewesen sein, weil er ausdrücklich darum gebeten hatte, seine Familie aus dem Spiel zu lassen. Stevens, sagte Herthas Sprecher Hans-Georg Felder, fand die Geschichte „unterirdisch“. Dass die Schalker Fans in Berlin ihren ehemaligen Trainer mit Sprechchören feierten, wird Stevens allerdings nur ein schwacher Trost gewesen sein.“

Borussia Mönchengladbach – 1.FC Kaiserslautern 2:1

Stilvolle Herren

Ulrich Hartmann (SZ 1.12.) erklärt den Stil-Unterschied zwischen dem sportlichem Erfolg der Gladbacher und einem ganz anderen: „Die Gladbacher Mannschaft hat ein ganz außerordentliches Kompliment bekommen – für ihr „überdurchschnittlich stilvolles Auftreten“. Dieses Lob, man ahnt es, hat gar nichts damit zu tun, dass gerade zwei Bundesligaspiele hintereinander gewonnen wurden nach zuvor fast viermonatigem Warten auf einen Sieg – für ein besonders stilvolles Auftreten allerdings haben sie auch in dieser umkämpften Auseinandersetzung eher keine Auszeichnung verdient. Dieses größte Kompliment der jüngeren Klubhistorie hat die Fußballtruppe soeben vom Deutschen Mode-Institut erhalten, welches aus fragwürdigen Motiven alljährlich den „Krawattenmann des Jahres“ kürt und sich diesmal im Plural für die Gladbacher Fußballer und ihre feinen Ausgehanzüge entschieden hat mit der Begründung, zur Unternehmenskultur dieser Lizenzspieler-Abteilung gehöre ein „sensibel gepflegtes Outfit von Spielern und Offiziellen“. Die derart sensibel eingekleideten Fußballer freuten sich verständlicherweise sehr – „auch wenn die meisten von uns gar nicht gewusst haben, dass es diesen Preis gibt, wie der Stürmer Arie van Lent gestand. Am Samstag war dann aber wieder echte Drecksarbeit gefordert, eine Tätigkeit, auf die sich die stilvollen Herren recht gut verstehen und sogar noch ein bisschen besser als auf repräsentative Auftritte in Nadelstreifen. Es bedurfte gegen Kaiserslautern allerdings einer gewissen Phase der Rückbesinnung auf die fußballerischen Tugenden.“

Hansa Rostock – Borussia Dortmund 2:1

Beide Mannschaften auf dem Weg ins Mittelmaß

Ronny Blaschke (BLZ 1.12.) referiert weitere Ernüchterung der Dortmunder: „Der Ort, an dem die Profifußballer von Borussia Dortmund auf bessere Zeiten hofften, hätte besser nicht gewählt werden können. In Heiligendamm, dem ältesten Seebad Deutschlands, unweit von Rostock entfernt, werkelte die gescholtene Equipe von Matthias Sammer an der eigenen Renaissance. Dort, wo vor Jahrhunderten schon die Kaiser kurten, in einem Hotel-Ensemble klassizistischer Villen, verordnete der Trainer seiner verunsicherten Mannschaft vor allem Ruhe. Mit Strandspaziergängen und vielen Einzelgesprächen wollte er seiner Gefolgschaft den Misserfolg austreiben. Schließlich erweist sich frische Ostseeluft nicht nur im hohen Alter als förderlich. Dass die Welt der fünf Sterne auch auf die Arbeit auf dem Rasen abgefärbt hatte, war am Sonntagabend im Ostseestadion allerdings nicht zu erkennen – in einer Begegnung, die so viel Rasanz zu bieten hatte wie eine Kaffeefahrt auf dem Rhein. Bleibt die Erkenntnis, dass beide Mannschaften einen weiteren Meilenstein auf dem konsequenten Weg ins Mittelmaß verbucht haben. Mit dem Unterschied, dass sich die Rostocker darüber freuen.“

Hannover 96 – SC Freiburg 3:0

Sascha Zettler (FAZ 1.12.) teilt Hannover Aufschwung mit: „In Hannover hat sich einiges verändert seit dem Aufstieg 2002. Als Sinnbild steht das Stadion. Auf der Baustelle AWD-Arena erinnert nur noch eine Tribüne an das altehrwürdige Niedersachsenstadion. Gleiches gilt für die Mannschaft. Nur noch sieben Aufstiegshelden zählen zum Kader. Und spätestens seit Samstag ist auch das Aufstiegssystem Geschichte. 4-3-3 lautete Rangnicks Zauberformel. Frisch und offensiv hatte er die Zweite Liga gestürmt, im ersten Bundesligajahr für Furore gesorgt und zum Start in die laufende Spielzeit die Experten verzückt. Aber als das Personal schwand, sich die Ausfälle von Lala und Simak als langfristig nicht kompensierbar erwiesen, schwand jenes Selbstvertrauen, das nötig ist, um der Konkurrenz stürmisch zu begegnen. Die Folge: eine Flut von Gegentoren, Unverständnis bei Klubchef Martin Kind und reichlich Unruhe (…) Leverkusens Leihstürmer Brdaric brillierte nach schweren Wochen. Erst war er verletzt, dann gesperrt und dann hatte er auch noch die falschen Töne getroffen. Zumindest nach dem Geschmack seines Trainers. Eine CD über Torhüter hatte er im Herbst aufgenommen, Frank Rost, Jens Lehmann und Oliver Kahn in seinem Lied verspottet. Rangnick wollte das Erscheinen des Kunstwerks stoppen lassen, doch Brdaric ließ sich nicht aufhalten Der 28 Jahre alte Angreifer stürmte zwar nicht die Charts, sein Song wurde kein Hit, immerhin dringt er wieder erfolgreich in die gegnerischen Strafräume ein. Harte Arbeit, versichert er, steckt dahinter. Ich habe mit Konditionstrainer Edward Kowalczuk viel gearbeitet. Kowalczuk hatte in der Vorsaison schon Fredi Bobic fit gemacht. Verhilft er nun dem nächsten ausgemusterten Nationalstürmer zum Re-Entry in Völlers Team?“

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