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Bundesliga

Oliver Fritsch | Montag, 26. April 2004 Kommentare deaktiviert für Bundesliga

30. Spieltag im Pressespiegel
„stille schwäbische Genießer mit Jagdlust“ (FAZ); „zynische Stuttgarter Minimalisten – souverän spielende Stuttgarter setzen um, was sie in der Champions League gelernt haben“ – Bayer Leverkusen beeindruckt die Beobachter – „Pfiffe, Spott und Versagensangst“ (FAZ) in Mönchengladbach – „Max trifft und trifft und trifft – aber Völler meldet sich nie“ (FAZ) – Dieter Hoeneß sagt’s mit Blumen u.v.m.

Allgemein

Im Gleichschritt von Sieg zu Sieg

Andreas Burkert (SZ 26.4.) freut sich über die Aufholjagd der Leverkusener und Stuttgarter: “Klaus Augenthaler und Felix Magath gelten nicht gerade als Exzentriker ihrer Gilde. Sie toben sich lieber unter der Woche aus, um samstags höchstkritisch und mit in vielen Profijahren erarbeiteter Gelassenheit den Lerneffekt zu überprüfen. Dass sie nun nicht vor Glück die ganze Welt umarmen, obschon sie im Gleichschritt von Sieg zu Sieg eilen, lässt sich einfach erklären. Denn nach dem Abpfiff werden sie an den Winter zurückdenken müssen. Als sie die Meisterschaft verspielten. Wer Bayer und Stuttgart zurzeit federleicht oder notfalls auch unterkühlt ihr Wochenwerk versehen sieht, versteht jedenfalls die Abneigung ihrer Trainer gegen Euphorie. Denn beide Teams haben meisterliches Talent, und bei Halbzeit lagen sie ja noch gleichauf mit Bayern und nur vier Zähler hinter Bremen. Doch dann kam der Schnee, worauf sie recht unkonventionell reagierten: Sie nahmen sich eine Auszeit. Wobei der VfB den Anfang machte, indem er noch vor der Pause daheim verlor (gegen Bayer) und nach Wiederbeginn nur fünf Punkte in fünf Partien sammelte – Magaths Winterschlusseinkäufe hatten sich nicht so schnell integrieren lassen; zudem mussten sich seine juvenilen Himmelsstürmer erst wieder mit dem Alltag arrangieren nach ihrem Abschied von Europas großer Bühne. Das dauerte. Leverkusen wiederum, Rekordmeister des Scheiterns, wählte routiniert die spektakuläre Variante: ein Pünktchen aus sechs Rückrundenspielen. So grandios war noch kein Titelkandidat abgestürzt. Das gefürchtete Virus Bayer-Phlegma, gepaart mit dem Bazillus Cliquenbildung – so lautete damals die Diagnose. Augenthaler lachte damals sogar. Aus Zynismus.“

Roland Zorn (FAZ 26.4.) beschreibt Kampf und Krampf am Tabellenende: „Angst, Panik, Entsetzen – im Tiefparterre der Liga mehren sich die existentiellen Momente und Gefühle. Ein Abstieg in die zweite Liga ist für alle, die es trifft, immer auch ein Schockerlebnis. Der Klassensturz ist gleichzusetzen mit einem Kassensturz: Mit der Zweitklassigkeit wächst die soziale Kälte. Entsprechend deutlich ist das Vokabular, das die fundamental bedrohten Verantwortlichen wählen. Der Kaiserslauterer Trainer Jara glaubt, daß seine Mannschaft „vielleicht immer das Messer am Hals braucht“; sein Mönchengladbacher Kollege Fach attestierte seinen Profis das Billigformat „C-Klasse“; der Berliner Fußball-Lehrer Meyer freute sich am Samstag unverhohlen, daß „die beiden (auch von ihm) Geschmähten – Bobic und Wichniarek – getroffen haben“. Vielleicht setzt sich am Ende der Keller-Darwinismus des Provokateurs Meyer durch; vielleicht aber behält auch der einfühlsame Freiburger Pädagoge Finke recht, dessen Team die sowieso schon beträchtliche Zahl der Abstiegskandidaten erhöhte: „Ich halte nichts von einem Angstszenario“, sagte Finke, „denn Angst schafft Streß, Streß schafft Unwohlsein, und die Spieler verkrampfen.“ Soviel zur Theorie. In der Praxis unterschied sich der Sport-Club in nichts von den anderen nahezu zweitklassig anmutenden Verlierern des Wochenendes.(…) Vier Spieltage vor Ultimo droht fast der Hälfte der Erstkläßler das Sitzenbleiberlos zum Saisonende. Nur der 1.FC Köln hat sich seit längerem vom Rennen um die Plätze über dem Strich verabschiedet. Doch vom 17. Platz bis zu den neuerdings auch mitzitternden Freiburgern auf Rang 11 wackelt die Liga bedenklich. Derart geschlossen schwach wie in dieser Spielzeit hat sich die Bel Etage des deutschen Fußballs selten präsentiert. Das Bild im Schlußdrittel ist symptomatisch für eine Saison, welche die Bundesliga nicht nur jenseits von Deutschland viel Ansehen kostete. Ganz unten ist traditionell viel Gewürge und Gestochere.“

Hannover 96 – VfB Stuttgart 0:1

Gegen den VfB gibt es nicht viele Chancen

Claus Dieterle (FAZ 26.4.) sieht ein langweiliges Spiel und chancenfreie Hannoveraner: „Es war beinahe wie bei einem Freundschaftsspiel. Als die Profis des VfB Stuttgart und von Hannover 96 ganz unaufgeregt und beinahe einträchtig die Baustelle AWD-Arena verließen, wäre niemand auf die Idee gekommen, daß es kurz zuvor immerhin um so wichtige Dinge wie die Qualifikation zur Champions League und den Kampf gegen den Abstieg gegangen war. Und beinahe hatte es den Anschein, als sei das Ergebnis eher Nebensache. Die Schwaben konnten es sich leisten, die Stätte ihres nicht ganz erwarteten Erfolges als stille Genießer zu verlassen. Aber auch die Niedersachsen erweckten nicht gerade den Eindruck, als hätten sie im Kampf um den Verbleib in der Eliteklasse soeben einen herben Rückschlag erlitten. Auch in den neunzig Minuten zuvor war es selten emotional hergegangen. Schiedsrichter Stefan Trautmann dürfte jedenfalls einen seiner angenehmsten Nachmittage in der Bundesliga erlebt haben. Es hat ja fast Seltenheitswert, wenn einer neunzig Minuten lang ganz ohne die Signalfarben Gelb und Rot auskommt. (…) Kampf und Leidenschaft, die Tugenden, die im Abstiegskampf zählen, kamen an diesem Samstag im Repertoire der Niedersachsen nicht vor. Und die Mittel, der mit 18 Gegentreffern besten Abwehr der Liga spielerisch beizukommen, besaß Hannover 96 nur in jener kurzen Phase nach dem Stuttgarter Führungstreffer. „Gegen den VfB gibt es nicht viele Chancen, und wenn du die nicht nutzt, dann hast du keinen Punkt verdient“, sagte Trainer Ewald Lienen, den die erste Niederlage nach fünf Spielen dann doch zu ärgern schien. Vor allem, weil der sogenannte Sturmlauf in der zweiten Halbzeit stets in den geschickt postierten Auffangreihen des VfB hängenblieb. „Das sah gegen so einen abgezockten Gegner manchmal schon hilflos aus“, bekannte auch Per Mertesacker, der mit seinen 19 Jahren zur festen Größe geworden ist. Die größte Gefahr für VfB-Torhüter Timo Hildebrand ging von zwei Flaschen aus, die von hinten aus dem Fanblock in Tornähe segelten.“

Das Publikum lässt sich so auf Dauer nicht entflammen

Jörg Marwedel (SZ 26.4.) ergänzt: „Es war auch der Preis für Lienens Linie, zu Gunsten größerer Disziplin in den hinteren Reihen auf fußballerische Qualität zu verzichten. Während sich auf dem Rasen also spielerisch limitierte Kämpfer wie Schuler, Zuraw oder Dabrowski mit der silbernen Kugel abmühten und Kapitän Lala in der Zentrale überfordert war, den Balleroberer und Lenker in Personalunion zu geben, schauten die meisten Artisten und Kreativen des 96-Kaders von außen zu, wie sich die Kollegen im übervölkerten Mittelfeld gegenseitig im Wege standen: der Brasilianer Kleber und But saßen auf der Ersatzbank, die Routiniers Jaime, Konstantinidis, Abel Xavier und der bisherige Spielmacher Krupnikovic gar auf der Tribüne. Bei der Auswahl seines Personals für den Abstiegskampf hat Lienen weder Rücksicht auf Namen noch auf Spielkultur und schon gar nicht auf Sportdirektor Ricardo Moar genommen, der fast alle Ausgebooteten geholt und als große Verstärkungen gepriesen hatte. Mag sein, dass der Trainer mit diesen Maßnahmen und seiner akribischen Trainingsarbeit zum Retter wird und den Klub vor dem Abstieg bewahrt; das Publikum, das zeigte die Stille, lässt sich so auf Dauer nicht entflammen.“

Bayer Leverkusen – Borussia Dortmund 3:0

Attraktiv, aber auch ein bißchen dämlich

Jörg Stratmann (FAZ 26.4.) ist von Leverkusen begeistert: „Auch diese Einstellung hat Stefan Reuter zur derart langen Karriere als Fußballprofi verholfen: Er habe sein hartes Metier über die zwanzig Jahre schätzengelernt, sagt der 37 Jahre alte Franke auf Abschiedstour. „Ich genieße es.“ Insofern hätte ihm anläßlich seines 500. Bundesligaspiels nichts Besseres geschenkt werden können als ein sehenswertes Fußballspiel mit Toren und gelungenen Spielzügen. Doch diesmal stand er auf der falschen Seite. Mehr als einen Blumenstrauß gewährte man ihm nicht zum Jubiläum. Als Reuter nach sechzig Minuten den Rasen verließ, war das Spiel seines Teams bei der Mannschaft der Stunde längst verloren. Mit 0:3 stand das Endergebnis fest, obgleich Bayer Leverkusen auch danach in seinem bislang besten Saisonspiel all das bot, was nicht nur Reuter an seinem Sport so mag. Die Enttäuschung der Dortmunder, zuletzt sechsmal ungeschlagen, hielt sich deshalb in Grenzen. Reuter erkannte die Leverkusener Leistung ohne Umschweife an. Auch sein Trainer Matthias Sammer, sonst stets gern bereit zu besonders kritischer Analyse, empfahl, das Erlebnis dieser 50. Begegnung beider Teams schnell abzuhaken. „Wir sind gegen die Wand gefahren“, sagte er. Nur kurz versuchte Sammer, die Unterlegenheit der Seinen vor allem mit Personalnot zu erklären. Doch gab er auch zu, daß die Borussen trotz der zuletzt ansteigenden Form offensichtlich schon mit düsteren Ahnungen angereist waren. Nicht allein, weil sie bei Bayer seit zwölf Jahren ohne Erfolgserlebnis geblieben waren. Wenn er sich vor dem Spieltag hätte aussuchen dürfen, wo er momentan lieber nicht anträte, dann hätte er Bayer Leverkusen gewählt, sagte Sammer, nachdem er sich in seinem indirekten Lob bestätigt gesehen hatte: „Leverkusen steht stabil in der Abwehr, kombiniert sicher und schießt Tore.“ Zu diesem gelungenen Bild trugen die Dortmunder bei, indem sie anfangs mit beherzter Offensive mithalten wollten. „Attraktiv, aber auch ein bißchen dämlich“, wie Sammer befand. Denn dabei blieben sie spätestens in Bayers Dreierabwehr Lucio, Nowotny und Juan hängen und wurden prompt mit zwei Gegenangriffen ausgehebelt, die wie aus einem Lehrfilm wirkten.“

Die Ernsthaftigkeit der Augenthalerschen Worthülsen

Erik Eggers (FR 26.4.) schildert Leverkusens Wille zur Bescheidenheit: „Die Sprache des Fußballs ist bekanntlich ein Fass voller Phrasen, das nach jedem Spiel wieder aufgemacht wird. Auch Klaus Augenthaler bemühte nach dem glorreichen 3:0 diverse Banalitäten und Gemeinplätze, um vor dem ach so süßen Gift des Erfolges zu warnen. „Ich werde schon dafür sorgen, dass alle auf dem Boden bleiben“, sagte der Coach von Bayer Leverkusen in der Pressekonferenz, weil die Mannschaft nun sieben Punkte Vorsprung auf den BVB besitzt und der angestrebte Uefa-Cup-Platz fast gesichert ist. Und wenn das Bayer-Faktotum Reiner Calmund neben ihm gesessen hätte, dann wäre ganz sicher von den berühmten Bleischuhen die Rede gewesen, die den leichtsinnigen Profi vor dem Abheben bewahren sollen. Für den Stürmer Dimitar Berbatow wären all diese Warnungen freilich nicht mehr nötig gewesen, hatte er doch schon während des Spiels auf handfeste Art mit der Ernsthaftigkeit der Augenthalerschen Worthülsen Bekanntschaft gemacht. Der Bulgare, der sich seit Wochen in großer Form befindet, hatte zweifellos erneut einen Glanztag erwischt: Der Ball klebte ihm in der ersten Halbzeit geradezu am Fuß, das atemberaubende Tor zum 2:0 hatte er mit einem Pass auf Bastürk lehrbuchreif eingeleitet, und überhaupt bewies er vor allem als Vorbereiter seine Stärken. Als Krönung seines famosen Auftritts hatte ihn Jörg Butt sogar den Elfmeter zum 3:0 schießen lassen. Nun, kurz nach der endgültigen Entscheidung, ließ er sich gebührend feiern und verfiel in eine Lässigkeit, die seinen Trainer ziemlich wütend werden ließ. Es geschah nach einem Befreiungsschlag Juans, der steil an der Außenlinie herunterfiel. Berbatow köpfte diesen Ball nicht ins Feld, das erschien ihm vermutlich zu profan. Der 23-Jährige versuchte, ihn kunstvoll mit der Ferse vor dem Aus zu retten – und verpasste. Berbatows Pech war, dass sich diese Szene fast unmittelbar vor der Leverkusener Bank ereignete. Und weil er nicht sofort nachsetzte, stürmte nun ein entfesselter Augenthaler auf ihn zu und schubste ihn wild auf das Spielfeld zurück, nach dem Motto: Laisser-faire verboten, lamentieren kannst du noch hinterher. Was Berbatow dachte, verriet sein entsetzter Blick: Der spinnt, der Trainer.“

Hansa Rostock – Schalke 04 3:1

Frage des Stolzes

Nicht nur Matthias Wolf (BLZ 26.4.) hält Martin Max für EM-tauglich: „Bei Hansa reifen bereits die ersten Zukunftspläne. „Wir müssen jetzt lernen, den Kopf zu drehen und nach oben zu schauen“, erklärte Aufsichtsratschef Horst Klinkmann: „Das ist nicht so einfach, wenn man jahrelang voller Angst nur nach unten auf das schwarze Loch vor sich geblickt hat.“ Jetzt hoffen sie wieder auf die Teilnahme am UI-Cup. „Schon jetzt ist ja Hansa sehr positiv im Gespräch“, sagte Klinkmann und blickte dankbar hinüber zu jenem Mann, der seine Saisontore siebzehn und achtzehn erzielt hatte und den Ausgleich von Razundara Tjikuzu vorbreitet hatte. Martin Max bewies Spurtstärke, trotz seiner bald 36 Lenze. Vor dem Tor sowieso, und auch noch nach dem Spiel. Immer wenn ihn einer auf die Nationalelf ansprach, sagte er: „Ich werde nie mehr für die Nationalelf spielen“, und verdrehte die Augen: „Dabei bleibt es.“ Ob das nicht eine Schande sei, mit nur einem Länderspiel abzutreten? Wo der Deutsche Fußball-Bund doch vor der Europameisterschaft ein Sturmproblem habe? „Ja, das ist schade“, sagte Max, „aber ich habe das ja nicht so gewollt.“ Er ist gekränkt, seit er vor zwei Jahren Torschützenkönig war und dennoch nicht berufen wurde. Auch in dieser Saison, sagt Max, habe es keinen Kontakt zu Teamchef Rudi Völler gegeben, der gesagt hatte, er wolle Max im Auge behalten. Das war wohl eher eine Behauptung, um sich lästige Fragen vom Hals zu halten. „Das ist mir auch egal, ob er sich meldet oder nicht“, sagte Max, „es gibt Wichtigeres. Auch die Torjägerkanone ist unwichtig. Für mich zählt nur Hansas Rettung.“ Max‘ Leistung sei nie gewürdigt worden“, sagte auch Klinkmann. „Seine Absage ist jetzt eine Frage des Stolzes.“ Mathias Schober sprach sogar davon, sein Freund sei jahrelang vom DFB „nur vorgeführt worden. Ist doch verständlich, dass er jetzt nicht mehr will.““

Hertha BSC Berlin – 1. FC Kaiserslautern 3:0

Ich schicke gern und oft Blumen

Michael Jahn (BLZ 26.4.) erlebt Fredi Bobic erleichtert: „Endlich einmal wieder im Mittelpunkt zu stehen – und zwar auf dem Platz – tat dem 32-Jährigen aber offenbar gut, wie im Olympiastadion eindrucksvoll zu besichtigen war. Zu seinem insgesamt beeindruckenden Arbeitsnachweis gehörte diesmal auch Ungewöhnliches: Bobic rettete nach 80 Minuten zweimal im eigenen Strafraum auf der Linie. Das war sogar dem Stadionsprecher eine Ansage wert: „Und mit der Nummer 13 rettete zweimal auf der Linie: Fredi Bobic.“ Das Publikum hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst mit dem Mittelstürmer versöhnt (…) Manager Hoeneß sorgte ungewollt für Aufregung, nachdem Kaiserslauterns Boss René Jäggi den Manager im Fernsehen süffisant als „Rosenkavalier“ tituliert hatte. Hoeneß habe der Frau eines Lauterer Profis Blumen geschickt, was nichts Anderes als einen unlauteren Abwerbungsversuch und außerdem bewusste Ruhestörung im Abstiegskampf bedeute. Hoeneß wollte den Rosenkavalier nicht als Beleidigung ansehen („Ich schicke gern und oft Blumen“), gab aber zu, dass er in diesen Tagen Kontakt zu einigen Spielern aufnehmen werde. „Es ist doch schon April und unsere Personalplanungen ohnehin kompliziert.“ Er habe „vor dem Spiel mit keinem Profi aus Kaiserslautern gesprochen“. Trotzdem wurde publik, dass der Adressat der Blumen Vratislav Lokvenc war, was ein Lauterer Blumenhändler artig auf den Betzenberg hinauf gemeldet hatte. Was die Angelegenheit besonders pikant macht: Lokvenc ist Mittelstürmer – und zwar einer, der wohl kaum zu Bobic passt. So wurde ausgerechnet an jenem Tag, den Bobic als kleiner Held beendete, sozusagen durch die Blume publik, dass Hertha sich offenbar längst nach Alternativen für ihn umsieht.“

Blumenläden in Kaiserslautern melden so etwas

Javier Cáceres (SZ 26.4.) dementiert: „Dass Meyer trotz des (gern gepflegten, aber unzutreffenden) Rufes als Rosenzüchter nicht verdächtigt wurde, die Blumen für Frau Lokvenc geschnitten zu haben, lag an Jäggi: Der FCK-Boss outete den von Hertha beauftragten Händler als Kundschafter im Dienste der Pfälzer: „Blumenläden in Kaiserslautern melden so etwas.““

Dotterblumen symbolisieren Reichtum

Ludger Schulze (SZ 26.4.) ordnet Dieter Hoeneß’ Methoden der Spielerwerbung ein: „Das übliche Schmiermittel bei Abwerbungsversuchen ist – Kohle. Mammon. Kies. Wer den Spieler A zum Wechsel von Klub X zu Verein Y zu überreden trachtet, tut gut daran, ihn damit zuzuschmeißen. Sag’s mit Zaster. Das ist immer so. Unterschiedlich ist nur das Wie. Bayern-Manager Uli Hoeneß unterbreitete seinem Kumpel Paul Breitner, der damals, 1977, in Diensten des Schnapsfabrikanten Jägermeister in der Braunschweiger Provinz herummoserte, sein Angebot auf einem Bierdeckel. Breitner erlag dem Liebeswerben dank einer sechsstelligen Zahl: 750 000 Mark pro Jahr. Bei Zinedine Zidane war die Summe weit höher, doch der Flirt mit Real Madrid begann ähnlich. Anlässlich eines Banketts schob Präsident Florentino (!) Pérez dem Star eine Serviette zu, auf die er die folgenreiche Frage gekritzelt hatte: „Möchtest Du in Madrid spielen?“ Zidane mochte. Nun, da die Gelder knapper sind, werden die Methoden einfallsreicher. Der Berliner Hertha-Manager Dieter Hoeneß hat eben sein Interesse an dem Kaiserslauterer Stürmer Vratislav Lokvenc bekundet, indem er dessen Gattin einen Strauß Blumen schicken ließ, vermutlich durch Fleurop. Es ist nicht bekannt, ob Frau Lokvenc das Gebinde „Mein Engel – leicht luftig, fröhlich, freundlich“ für 22,50 Euro erhielt oder „Viva – Dieser Strauß strahlt das pralle Leben aus“ für 24,50. Weil Hoeneß als feinfühliger Mann gilt, ist es möglich, dass im Bouquet Dotterblumen enthalten waren. Die symbolisieren: Reichtum. Auch wenn das den Erkenntnissen der Heiratsvermittlerin Marina Fedorova widerspricht, die davon abrät, Damen aus Osteuropa gelbe Blumen zu überreichen, weil die dort für Abschied und Tod stehen.“

Rosenkavalier

Michael Reinsch (FAZ 26.4.) fügt hinzu: „“Es ist wohl das Gesetz dieser Branche, daß die Spieler sich um ihre Zukunft und nicht um die des Vereins kümmern“, klagte Vorstandsvorsitzender René C. Jäggi bitter und warf seinen Profis vor, geistig abwesend gewesen zu sein. Seine Mannschaft war auch im Berliner Olympiastadion aufgetreten, als gälte für sie die Devise „Rette sich, wer kann“. Drei Treffer – von Marcelinho, von Artur Wichniarek und von Fredi Bobic – und drei Punkte für Berlin, und schon rundete sich das kontrastreiche Bild von Hertha und FCK, von Hauptstadt und Provinz, von Rosenkavalier und Truppe, die auf fremden Plätzen keinen Blumentopf gewinnen kann. Optimistisch scheinen die Berliner in ihre Mannschaft der Zukunft zu investieren, während die hochverschuldeten Pfälzer nicht nur im Fall des Abstiegs froh sein müssen um jeden Profi, der geht, ob er nun eine Ablösesumme bringt oder nur eine Entlastung der Personalkosten. Seit der Begegnung vom Samstag jedenfalls steht der wegen Lizenzverstoßes vor einem Jahr mit Punktabzug belastete 1. FC Kaiserslautern hinter der Hertha; die Berliner sind vom drittletzten Platz hinaufgerückt – und sehen vorerst hinter sich den Strich, der den Verbleib in der ersten Liga bedeutet. „Vielleicht braucht die Mannschaft das Messer am Hals“, knurrte der Trainer der Kaiserslauterer, Kurt Jara. „Sie hat gezeigt, daß sie mit Druck umgehen kann; jetzt muß sie es wieder beweisen.“ Drei der letzten vier Spiele der Saison darf der FCK in seinem längst verkauften Stadion auf dem Betzenberg austragen – ein Glück.“

Fröhliches Querfeldeinjoggen

Christof Kneer (BLZ 26.4.) sorgt sich um den 1. FC Kaiserslautern: “Nenad Bjelica hat ein schönes Trikot, und das Beste ist eindeutig die Rückseite. Das Schönste an diesem Textil ist nämlich, dass schön leserlich Bjelica draufsteht, so dass man endlich weiß, wer dieser Bursche ist, der da von der Pfälzer Presse so ausdauernd befragt wird. Als Faustregel gilt, dass sich die Hierarchie einer Elf am besten in der Interviewzone ergründen lässt. Die Mitläufer laufen mit und entkommen sodann unbefragt, die Anführer stellen sich. Nenad Bjelica ist also ein Anführer, und vielleicht ist das schon alles, was man über den 1. FC Kaiserslautern wissen muss. Es stecken keine Stars mehr im Jersey des ruhmreichen FCK, aber das ist nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist, dass man nicht weiß, wer überhaupt drin steckt. Es sind Sportler namens Bjelica, Malz und Nurmela, und wer ihnen in Berlin beim fröhlichen Querfeldeinjoggen zusah, fragte sich, wie diese Elf auf 31 Punkte kommen konnte. Es gilt als Trend dieser Saison, dass alle gefährdeten Teams dramatische Konstruktionsfehler aufweisen. Sie sind so schlecht gebaut, dass sie nur eine Chance haben, weil die anderen genauso schlecht gebaut sind. Sie haben alle irgendwo ihre Löcher: die Frankfurter im Sturm, die Berliner auf den Flanken, die Sechziger im zentralen Mittelfeld, Gladbach, Hannover, Wolfsburg und Freiburg in der Abwehr. Vermutlich ist der FCK die einzige Kellerelf, die gleichmäßig gemischt ist. Er hat hinten nicht viel, in der Mitte nicht viel und vorne nicht viel.“

Borussia Mönchengladbach – VfL Wolfsburg 0:2

Das ist C-Jugend

Richard Leipold (FAZ 26.4.) sorgt sich um Borussia Mönchengladbach: “Noch hilft der Blick auf die Tabelle, wenn die Verantwortlichen von Mönchengladbach sich Mut machen wollen. „Wir stehen nicht auf einem Abstiegsplatz“, sagte Sportdirektor Christian Hochstätter. Die Mannschaft könne den Klassenverbleib in den letzten vier Runden aus eigener Kraft erreichen. Hinter diesem Hinweis versteckte sich die einzige Erfolgsmeldung des Wochenendes für die Borussen. Denn gegen den VfL Wolfsburg hat Trainer Holger Fach mit seiner Mannschaft, wie angekündigt, einen „großen Schritt“ gemacht – allerdings in die falsche Richtung. Nach dem 0:2 gegen die chronisch auswärtsschwachen Niedersachsen tun sich vor den Gladbachern tatsächlich aber sportliche Abgründe auf. Mögen Führungskräfte wie Spieler aus dem Tabellenstand einen Rest an Zuversicht schöpfen – Daten und Fakten aber vermögen nicht zu überdecken, wie hilflos die Borussen am nicht mehr allzu furchteinflößenden Bökelberg aufgetreten sind. Nach der Pause haben sie gekickt, als wären sie dem Abstieg geweiht und hätten die Hoffnung längst fahrenlassen. Von den eigenen Fans wurden sie ausgepfiffen und verspottet. Den geballten Mangel an Klasse und Courage spiegelte der mißlungene, genaugenommen gar nicht vorhandene Versuch, den zweiten Treffer zu verhindern. Als Außenverteidiger Carnell behandelt wurde, blieb die linke Abwehrseite unbesetzt, und Mirolav Karhan hatte freie Bahn; er lief und lief und lief, und als er rund sechzig Meter mit dem Ball am Fuß zurückgelegt hatte, schoß er wie selbstverständlich ins Tor – immer noch beobachtet, aber nicht bedrängt von den Statisten in weißen Trikots. „Da kannst du nur noch hoffen, daß du einen guten Torwart hast, der vielleicht den Ball hält“, sagte Hochstätter. Aus der Perspektive des Torhüters war es unmöglich, die Versäumnisse der Vorderleute auszugleichen. Jörg Stiel blieb nur „die Hoffnung, daß Karhan unterwegs müde wird“. Statt sich des Ballführenden anzunehmen, spielten die vermeintlichen Gladbacher Widersacher im Kopf Doppelpaß mit der Angst. „So ein Tor darf in der ersten Liga nicht fallen. Keiner ist nach außen gerückt, weil jeder Angst hatte, daß der Gegner, der dann frei wird, an den Ball kommt und das Tor macht“, schimpfte Fach. „Ehrlich gesagt: Wenn man in so einer Situation bei seinem Mann bleibt, ist das C-Jugend.““

Eintracht Frankfurt – SC Freiburg 3:0

Wenn man gewinnt, hat man als Trainer immer viel richtig gemacht

Michael Horeni (FAZ 26.4.) wundert sich über die Lässigkeit Willi Reimanns: “Ein übertrieben aufgeregtes Verhalten im Abstiegskampf wird man Willi Reimann kaum nachsagen können. In der vergangenen Woche bemerkten die Beobachter der Eintracht leicht ungläubig, wie sich die Frankfurter auf das Saisonfinale mit dem ersten Duell gegen den SC Freiburg vorbereiteten. Am Mittwoch blieb es – wie üblich – beim trainingsfreien Tag, den der Trainer gerne nutzt, um eine Partie Golf zu spielen. Am Donnerstag, als die Sonne kräftig schien, strich Reimann das Training am Nachmittag. „Zu heiß“, wie er fand. So brachte der Abstiegskandidat, der sich in einer ausgewachsenen Krise mit fünf Niederlagen nacheinander befand, in der wichtigen Vorbereitungswoche gerade vier Übungseinheiten hinter sich, dazu noch das Abschlußtraining. Von Trainingslagern oder anderen besonderen Maßnahmen in außergewöhnlichen Situationen distanzierte sich Reimann ausdrücklich, und als er von seinem Tribünenplatz im Waldstadion heruntergeklettert war, um den hochverdienten Sieg zu erläutern, sagte er, ohne Widerspruch fürchten zu müssen: „Wenn man gewinnt, hat man als Trainer immer viel richtig gemacht.“ So ist das eben im Abstiegskampf, der ganz offensichtlich Gesetzen gehorcht, die mit moderner Trainingslehre oder innovativer Motivationslehre nicht viel gemein haben müssen. Die Frankfurter Eintracht hat über die Jahre ohnehin so ihre Erfahrungen mit nervenaufreibenden Saisonfinals gemacht, und nun fühlen sich die Experten für Rettung und Aufstieg in letzter Minute wieder vollständig wettbewerbsfähig (…) Ob aus dem Miniaufschwung der Eintracht noch eine wundersame Rettung wird, ist jedoch weiter sehr fraglich. Die Frankfurter haben mit drei Auswärtsspielen das formal schwerste Programm aller Abstiegskandidaten. Aber das zweite Phrasengesetz im Abstiegskampf lautet für gewöhnlich, daß es in dieser Phase der Saison keine leichten und schweren Gegner mehr gibt, sondern daß es nur noch auf die eigene Stärke ankommt.“

morgen an dieser Stelle: Pressestimmen über die Spiele in Bochum und München

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Tabellen – Torschützen NZZ

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