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Ballschrank

Kim Il Assauer

Oliver Fritsch | Donnerstag, 13. Mai 2004 Kommentare deaktiviert für Kim Il Assauer

Wer wird nächste Saison Bayern München trainieren, wer den VfB Stuttgart? eine FAZ-Analyse über Kommunikation und Strategie der beteiligten Akteure – dritter Geburtstag der DFL – Schalke-TV im Öffentlich-Rechtlichen, „gepriesen wird die Weisheit des großen Führers Kim Il Assauer“ (taz) – Oliver Kahn liest aus seinem Werk – Holland, deutscher EM-Gegner, „Rafael van der Vaart braucht nicht viele Ballkontakte, um Eindruck zu machen“ (Tsp) – wer darf die WM 2010 ausrichten? – vermutlicher Wettskandal in Italien (SZ) u.v.m.

Man muß mit jedem Zug etwas androhen

Wer wird nächste Saison Bayern München trainieren, wer den VfB Stuttgart? Michael Horeni (FAZ 13.5.) erforscht Kommunikation und Strategie der beteiligten Akteure: “Felix Magath hat erst als Fußballprofi sein Hobby zum Beruf gemacht, und seitdem kann er es als Trainer weiter pflegen – dazu ist der Fußballehrer aber begeisterter Schachspieler. Und diese Hobby-Kombination macht sich im Falle Magaths immer dann bemerkbar, wenn sich die Saison und seine Vertragslaufzeit dem Ende nähern. Magaths auf dem Schachbrett geschulte strategische Fähigkeiten jedenfalls, Zug um Zug sein Ziel zu erreichen, haben in der Vergangenheit schon zu bemerkenswerten Erfolgen in eigener Sache geführt. Magath selbst hat aus dem Schach seine Theorie für den Fußball abgeleitet, und die erste Regel dabei lautet: „Man muß mit jedem Zug etwas androhen.“ (…) Gleichzeitig hat nun Klubchef Staudt durch seinen Antrittsbesuch beim Grazer Erfolgstrainer Schachner selbst einen Zug gewagt, um nicht immer nur von Magath und den Bayern tatenlos hin und her geschoben zu werden. Aber auch wenn Schach, Schachner und Geschacher semantisch gut zusammenpassen, voran geht es in diesem Dreiecksspiel trotzdem nicht. Denn bei dieser Dreierpartie der Trainer-Springer, bei der öffentlich vielsagend geschwiegen und halböffentlich laut gedacht wird, geht es nun mal nicht ohne den vierten Mann. Daher, so läßt sich vernehmen, wird nicht nur die Fußballnation im allgemeinen, sondern auch der FC Bayern München sehr genau auf die Europameisterschaft schauen. Da sich Schachfreund Magath und der FC Bayern im Fußball gerne einen Zug im voraus wähnen, könnte es zum Eröffnungszug in dieser Überkreuzpartie erst im schlimmsten aller deutschen Fußballfälle kommen: Wenn die Nation in Portugal schachmatt gesetzt ist und in ihrer Not nach Ottmar Hitzfeld ruft – falls dann nicht ohnehin alles zu spät ist.“

Martin Stopper (FTD 13.5.) referiert den deutschen Fußball-Föderalismus: „Die Fußball-Bundesliga ist vielleicht das wertbeständigste Gut, das im Wirtschaftszweig „Unterhaltungsindustrie“ anzutreffen ist. Dabei hilft ihr auch ihre Qualität, eben nicht nur Unterhaltung, sondern immer etwas mehr zu sein: gesellschaftliches Integrationsmittel, praktiziertes Kulturgut oder philosophisch besetzte Parabel. Diese ist vor allem das Resultat mühevoller Produktpflege, die über ein organisationsaufwändiges Netzwerk gestaltet und entwickelt wird. Ein herausragender Gestaltungsakt feiert jetzt seinen dritten Geburtstag. Die Bundesliga verwaltet sich seit dem Mai 2001 selbst. Die Mitglieder der Bundesliga und der zweiten Bundesliga haben einen Ligaverband gegründet. Für das operative Geschäft wurde zugleich eine Tochtergesellschaft in Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet, die zu 100 Prozent in Händen des Ligaverbandes liegt: die DFL. Die DFL hat mit der Bundesliga einen Binnenmarkt zu verwalten, dessen Mitglieder 2 mal 18 autonome Bundesligisten sind. Vergleichbar dem Binnenmarktprinzip der EU gilt auch in der Bundesliga das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeit. Danach darf die DFL verbindliche Rechtsakte nur im Rahmen der ihr zugestandenen Einzelkompetenzen erlassen. Das sind im wirtschaftlichen Bereich in der Hauptsache die Vermarktung von Fernsehübertragungsrechten und die Verteilung der daraus entstandenen Einnahmen sowie die Erteilung von Lizenzen für die Profiklubs. (…) Innerhalb der deutschen Fußballfamilie sind die Beziehungen zwischen Bundesliga und DFB nicht gerade ökonomisch selbsterklärend, um von einer Autonomie der Bundesliga sprechen zu können. Die DFL hat zwar vor drei Jahren den Mutterbauch des DFB verlassen, doch die Nabelschnur scheint noch immer nicht ganz durchtrennt. Der zwischen beiden Verbänden geschlossene Grundlagenvertrag steht an vielen Stellen im Widerspruch zur ökonomischen Realität. So hält der DFB die eigentlich originären Veranstalterrechte des Ligaverbandes und seiner Mitglieder noch immer in Händen, indem er diese lediglich verpachtet. Auch über die Originalität des „DFB“-Pokals ließe sich trefflich streiten, schöpft diese Veranstaltung ihren Wert doch ganz wesentlich durch die Teilnahme der Profi-Vereine. Dass die Vermarktungshoheit für den Pokalwettbewerb dennoch beim DFB liegt, hat insofern mehr Ablass- als Symbolcharakter für die notwendige Einheit von Profi- und Amateurfußball. Weiter besteht noch immer nicht Klarheit über die wirtschaftliche Bedeutung der Ansiedelung des Schiedsrichterwesens beim DFB, und es fehlt an angemessenen Entgeltvereinbarungen zur Abstellung von Nationalspielern.“

Gepriesen wurde die Weisheit des großen Führers Kim Il Assauer

Sehr lesenswert! Christoph Biermann (taz 13.5.) beschwert sich über den Rausschmiss von TV-Gebühren: „Die Partei, die Partei, die hat immer Recht! Und seit es keine Partei mehr gibt, die immer Recht hat, hat es nun der FC Schalke 04. Man konnte das am letzten Samstag gut erkennen, als sich der ehemalige Westdeutsche Rundfunk ins nordkoreanische Staatsfernsehen verwandelte. Ununterbrochene zehn Stunden seines Programms stellte der Sender den Festivitäten anlässlich der Jubelfeiern zum 100. Geburtstag des FC Schalke 04 zur Verfügung. Gepriesen wurde die Weisheit des großen Führers Kim Il Assauer und unaufhörlich allen Helden der königsblauen Revolution gehuldigt. Zu den eindrucksvoll inszenierten Massenfeierlichkeiten waren sechzigtausend in die Halle des Volkes nach Pyönkirchen gekommen und sangen unter Anleitung von Gotthilf „Lee“ Fischer gemeinsame Lieder zum Lob der Partei. Nach Ende der Festlichkeiten, für deren Abschluss chinesische Freunde ein Feuerwerk zu Verfügung gestellt hatten, wurde noch einmal an die Meilensteine der Bewegung erinnert und große Spiele wurden wiederholt. In Dortmund kam es zu spontanen Streiks gegen die Fernsehgebühren und Protestzapping auf Kanäle, die, statt Schalke zu zeigen, lieber live den Landeanflug einer Turbopropmaschine auf den Flughafen Bremen übertrugen (ntv24) oder das Verlassen von Menschen eines Flugzeugs der Ostfriesischen Lufttransporte in ihr Programm hoben (ARD, ZDF). Auf dem Rollfeld kam es zu spontanen Massenaufläufen von Gläubigen, weil die Priester der „Church of Werder Bremen“ als deutscher Meister aus dem Reich der Finsternis des Münchner Olympiastadions zurückkehrten. Auf Straßenkreuzungen der Hansestadt wurden grün-weiße „Gebetsteppiche“ ausgelegt, war am Tag danach in der Zeitung zu lesen. Wer noch irgendwelche restlichen Zweifel daran hatte, dass Fußball das Vakuum gefüllt hat, das Religion und Politik hinterlassen haben, brauchte sich nur ein wenig durch die Fernsehkanäle zu schalten. Wäre das „Wort zum Sonntag“ nicht vorproduziert gewesen, hätte der Seelsorger seine Botschaft wahrscheinlich im Fan-Schal des neuen Titelträgers vorgetragen.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ 13.5.) berichtet von ihrem Abend im literarischen Salon: „Das Buch ist keine Biografie, wie derzeit so viel den Markt überschwemmen – und so gar nicht lesenswert sind. Kahn versteht es vielmehr als Reflektion seines Berufes. Er hat keinen Autor oder Ghostwriter verpflichtet. „Ich habe alles auf ein Band gesprochen, das wurde dann eins zu eins abgetippt.“ Zusammen mit einer Journalistin hat er das Manuskript dann so lange überarbeitet, „bis es mir gefallen hat, bis es authentisch war“. Er schreibt von überzeichnetem Heldentum, über die Einsamkeit des Torhüters, über das Phänomen der Besessenheit, seiner Besessenheit. Aber er schreibt anders als sein ehemaliger Teamkollege beim FC Bayern, Stefan Effenberg, nicht über andere Fußballspieler, über andere Menschen. In dem Buch von Oliver Kahn geht es nur um Oliver Kahn. „Es ist mir fremd, andere Leute für etwas verantwortlich zu machen.“ Er habe auch bewußt „auf peinliche Enthüllungen“ verzichtet. Er hat das Buch eher als Möglichkeit gesehen, „mit vielen Dingen, die noch nicht abgearbeitet waren, ins Reine zu kommen“. Daß keine privaten Angelegenheiten vorkommen, hat die Mehrzahl der anwesenden Journalisten nicht nur verblüfft, sondern auch enttäuscht. „Wer was über mein Privatleben erwartet, braucht mein Buch nicht zu kaufen“, sagte Kahn. Die Society-Reporter der diversen Life-Style-Blätter und Gesellschaftsmagazine waren wohl kaum wegen der sportlichen Reflektion des Oliver Kahn gekommen, sondern um Neues aus Kahns Liebesleben zu erfahren. Die Society-Redaktionen der Life-Style-Blätter und Fernsehsender haben das Kontingent der Mitarbeiter bei diesem Termin offenbar noch einmal erhöht nach den bewegten Tagen des Bayern-Kapitän. Dem Fehlgriff beim Gipfel gegen Werder Bremen folgte die Bekanntgabe der Trennung von seiner jungen Freundin. Oder besser: Er hat sie einer ausgewählten Zeitung bekannt gegeben und damit ein wenig abgelenkt von seinem Patzer.“

Nummer zwei

Joachim Mölter (FTD 13.5.) fügt hinzu: „Vor allem wegen der Trennung von seiner Freundin hatten viele Leute vom Boulevard im Literaturhaus vorbeigeschaut, so ist das Geschäft mit dem Ruhm. Die „Bild“-Zeitung hatte das Recht auf einen Vorabdruck erworben und damit offensichtlich auch das auf die Vorabinformation über die Trennung. Diese Neuigkeit drängte das Interesse am Buch in den Hintergrund – buchstäblich. „Bild“ hatte die Auszüge am Freitag noch auf Seite eins angekündigt und im Sportteil groß damit aufgemacht. Am Mittwoch endete die Serie auf 76 Zeilen rechts unten, mit der Erkenntnis: „Das Privatleben wird eine große Herausforderung für mich bleiben.“ Kahns Privatleben war auch eine große Herausforderung für die Reporterinnen von RTL, die sich sofort ans Werk machten. Aber Oliver Kahn wehrte alle Angriffe auf Frau und Freundin so souverän ab wie zu den Zeiten, als er noch ein Titan im Tor war: „Das ist die Pressekonferenz zu meinem Buch, und wer darin etwas über mein Privatleben erwartet, der braucht es nicht zu kaufen.“ Kaufen sollen es diejenigen, die nicht nur den „schreienden Torwart mit zerzausten Haaren auf dem Platz“ sehen, sondern etwas mehr über seine Gedankenwelt erfahren wollen. Das Buch ist mit seinen 176 Seiten allerdings so dünn, dass Spötter schon vermuteten, es müsse eine Fortsetzung geben, Titel: „Nummer zwei“, vielleicht schon nach der EM in diesem Sommer.“

Zu offenkundig sind die Widersprüche

Wer darf die WM 2010 ausrichten? Die Fifa wird am Samstag entscheiden; Martin Hägele (SZ 13.5.) wundert sich über die Transparenz der Entscheidungssuche: „Es war eine Revolution: Der Bericht der Inspektionsgruppe für die WM 2010 wurde auf der offiziellen Webseite der Fifa veröffentlicht. Alles war dort zu lesen, bis ins Detail wurde die wiedergegeben, wie die fünf Fifa-Prüfer die fünf Bewerber für die Turnier-Premiere auf afrikanischem Boden vor der Wahlentscheidung am kommenden Samstag in Zürich benotet haben. Südafrika, so stand da, besitze das Potenzial für eine „großartige WM“, Ägypten könne ein „tolles Turnier“ organisieren. Marokko und Tunesien wären in der Lage, eine „sehr gute“ und eine „gute“ Weltmeisterschaft auszurichten. Bewerber Libyen erhielt den deutlichen Wink, dass man sich die Kosten für eine letzte Präsentation sparen könne. Libyen erhielt die Bewerbung dennoch aufrecht, Tunesien zog als Folge der schlechten Note spontan Konsequenzen und verzichtete. Bleiben also noch vier Kandidaten übrig sowie die Frage, warum der Weltverband Details eines Verfahrens öffentlich macht, die früher wie militärische Dossiers und in der Sicherheitsstufe von Staatsgeheimnissen behandelt wurden. Fifa-Präsident Sepp Blatter ließ den brisanten Report am 5. Mai auf die Homepage stellen, weil die Fifa damit „einmal mehr ihren Willen zur Transparenz in allen Belangen beweist“. Seit der Bericht online ging, kracht es kreuz und quer durch Blatters Reich, und der schwarze Kontinent erlebt jetzt doch noch richtigen Wahlkampf. Lange hat sich Blatter neutral gegeben, doch nun hat er gemerkt, dass es für seine alten Freunde aus Südafrika doch noch eng werden könnte. Mit der Veröffentlichung des Prüfungsberichts hat Blatter ein Zeichen gesetzt, in welchem Lager er steht. Die 23 restlichen Mitglieder des Exekutiv-Komitees hat der 68-Jährige nicht um Erlaubnis gefragt. Soviel Macht gesteht sich ein Mann schon selbst zu, der unlängst vom Time Magazine unter jenen hundert Menschen aufgelistet wurde, „die den Lauf der Welt entscheiden“. Sepp Blatter hat dabei nicht nur sein Kabinett desavouiert, sondern auch die Gefühle von Millionen Nordafrikanern. Marokkos Bewerbungschef Saad Ketani glaubt, „der Bericht verfolgt das Ziel, Konfusion unter unseren Unterstützern zu säen“. Zu offenkundig sind die Widersprüche innerhalb dieses Reports, bei den wichtigsten Aspekten „Sicherheit“ und „Gesundheit“ wurde die Realität verdreht. Marokkos Gesundheitssystem, heißt es da, „entspricht nicht den WM-Anforderungen“ … „wir haben den Eindruck, dass die staatlichen Krankenhäuser den geforderten Normen nicht genügen“, während Südafrika „über eines der besten privaten Gesundheitssysteme der Welt verfügt“. Die Weltgesundheitsbehörde WHO sieht das anders als die Fifa, auf ihrer Länderliste über medizinische Standards liegt Marokko als bester Afrika-Vertreter auf Rang 29, während Südafrika unter den 197 erfassten Nationen als Nummer 175 geführt wird.“

Bericht der Inspektionsgruppe für die WM 2010 pdf

Er braucht nicht viele Ballkontakte, um Eindruck zu machen

EM 2004 – Stefan Hermanns (Tsp 13.5.) porträtiert den Holländer Rafael van der Vaart: „Das schönste Tor seiner Karriere hat van der Vaart im November 2003 erzielt. Von der linken Seite senkte sich ein Flankenball in seinen Rücken, van der Vaart warf sich nach vorne, zog die Hacke des linken Fußes nach oben und lenkte den Ball in die lange Ecke des gegnerischen Tores. Fritz Walter hat 1956 im Leipziger Zentralstadion ein ähnliches Tor geschossen – in einem Freundschaftsspiel gegen Wismut Aue. Van der Vaart erzielte seinen Treffer in der holländischen Meisterschaft gegen den ewigen Rivalen Feyenoord Rotterdam. Es war das 1:0, am Ende gewann Ajax 2:0. Das ist wichtig, weil es einiges aussagt über Rafael van der Vaart. Der 21-Jährige vereint die holländische Lust am schönen Spiel mit einer landesuntypischen Effizienz. Beim letzten Länderspiel zwischen Deutschland und Holland im November 2002 wurde van der Vaart zur Pause eingewechselt. Nur fünfmal berührte er in der zweiten Halbzeit den Ball. Doch das reichte, um eine Großchance für van Nistelrooy einzuleiten und das 2:1 durch Hasselbaink anzubahnen. Die Fußballzeitschrift „Hard Gras“ hat über ihn geschrieben: Er braucht nicht viele Ballkontakte, um Eindruck zu machen. In den Niederlanden gilt van der Vaart als der nächste große Star. Er ist der beste Spieler der Liga. Und obwohl er erst 21 ist, zählt er schon nicht mehr zu den Talenten im engeren Sinne. Der Nationalmannschaft gehören mit Sneijder, de Jong, Robben, van Persie und Heitinga Spieler an, die noch jünger sind als er. Gerade 17 war van der Vaart bei seinem Ligadebüt für Ajax, 18 bei seinem ersten Spiel in der Nationalelf.“

Bemerkenswerte, hellseherische Fähigkeiten

Birgit Schönau (SZ 13.5.) schildert einen vermutlichen Wettskandal in Italien: „Generoso Rossi ist als Torwart nie durch Glanzleistungen aufgefallen. Er spielte bei Venezia und bei Lecce, zuletzt beim AC Siena, Serie A und Serie B, er wurschtelte sich so durch. Im März wurde Rossi in Siena entlassen. Vielleicht hatte sein Trainer Giuseppe Papadopulo ja etwas gemerkt. Rossi verfügt nämlich über bemerkenswerte, hellseherische Fähigkeiten. Am 16. April rief er seinen ehemaligen Teamkollegen Roberto D’Aversa an, einen Mittelfeldspieler. Es ging um einige Ergebnisse am folgenden Spieltag, und Rossi, der Großzügige (das bedeutet der Vorname Generoso) gab sie mal eben durch. „Chievo Unentschieden, Ascoli Unentschieden, Crontone Heimsieg, Catanzaro Auswärtssieg und vielleicht noch Lumezzana Unentschieden.“ Bingo. Rossi behielt Recht – und der italienische Fußball hat mal wieder einen Wettskandal. Am Dienstag durchsuchten Männer einer Antimafiaeinheit die Geschäftsstellen von zwölf Profiklubs. Vier davon spielen in der Serie A: AC Siena, Chievo Verona, US Lecce und Reggina Calcio. Gegen fünf Fußballprofis wurden staatsanwaltschaftliche Ermittlungen eingeleitet, außer dem arbeitslosen Rossi steht auch der frühere Inter-Stürmer und Jugend-Nationalspieler Nicola Ventola auf der Liste. Die Vorwürfe sind schwerwiegend, und die Verdächtigten riskieren Gefängnisstrafen bis zu vier Jahren. Neben Sportbetrug, einem Straftatsbestand in Italien, geht es um die „Bildung einer kriminellen Vereinigung“, und über allem schwebt der Schatten der neapolitanischen Mafia, der Camorra. Im Auftrag und zum Gewinn der Paten sollen die „schwarzen Wetten“, die Operation Totonero, organisiert worden sein (…) Inwieweit können Spieler mit derart marginalen Rollen wie Ersatzkeeper Rossi Begegnungen manipulieren? Was wussten der AC Siena und sein Präsident Paolo De Luca, ein Geschäftsmann aus Neapel, der aus neun Gerichtsverfahren mit einem Freispruch hervorging? Ermittelt wird über acht Spiele im März und April. Für Verbandspräsident Franco Carraro ein Déjà-vu, waren doch 1980 der AC Mailand und Lazio Rom unter dem Verdacht schwarzer Wetten in die Zweite Liga versetzt worden. Vor drei Jahren gab es um die Partie Atalanta Bergamo-Pistoiese den letzten Wettskandal. Seither ist es allen italienischen Profis verboten, zu wetten.“

Die Stadien sind die Stars

Christoph Biermann (SZ 13.5.) staunt: „Es ist eine der unbeantworteten Fragen der Geschlechterforschung (oder eine nie gestellte Frage), warum Männer so gerne an Baustellen zuschauen. Gesteigert wird ihr Vergnügen noch, wenn sie nicht das Entstehen profaner Kaufhäuser, Tiefgaragen oder Bürokomplexe, sondern das Wachsen von Fußballstadien beobachten dürfen. Schließlich sind die Heimstätten des Fußballs immer auch Theater der Träume, und so verblüfft es nicht, dass es jetzt eine Zeitschrift gibt, die ihre Existenz zu einem guten Teil dem Zauber von Fußballstadion verdankt. Stadionwelt trägt den Untertitel „Fan- und Stadionmagazin“ (92 Seiten; 2,90 Euro) und ist eine Art „Architektur & Wohnen“ für Fußballbekloppte. Wer immer schon ein achtseitiges Portrait des neuen Zentralstadions in Leipzig lesen wollte, auf vier Seiten alles über die Bauarbeiten des neuen Stadions von Borussia Mönchengladbach und genauso umfänglich über das City of Manchester Stadium unterrichtet sein will, ist hier richtig. (…) Die Stadien sind die Stars, die Fans wollen neue Bühnen. Würde man sich wundern, wenn die Schönheit von Flutlichtmasten demnächst in Sonetten bedichtet würde?“

Eine Pressemitteilung der Uni Witten/Herdecke

Sportökonom Prof. Dr. Bernd Frick geht mit den Besoldungsstrukturen der Bundesliga scharf ins Gericht. Das 1:5-Debakel der deutschen Nationalmannschaft in Rumänien hat nach Ansicht des Wittener Wirtschaftswissenschaftlers Prof. Dr. Bernd Frick auch ökonomische Ursachen. „Das Argument einer ständigen Spielerüberlastung oder Lustlosigkeit lasse ich nicht gelten“, erklärte der Sportökonom Frick. Ausschlaggebend für den spielerischen Misserfolg und die vergleichsweise schlechten Leistungen vieler Mannschaften in internationalen Pokalwettbewerben seien vielmehr „unzureichende Verträge“, die zu wenig „Leistungsanreize“ enthalten. „Es gibt einen wissenschaftlich eindeutig nachweisbaren Zusammenhang zwischen der Länge von Vertragslaufzeiten und spielerischen Leistungen“, sagte Frick. Je kürzer die Vertragslaufzeiten seien, umso motivierter gingen die Kicker ans Werk. Länger laufende Verträge führten dagegen – empirisch betrachtet – zu schlechteren Leistungen. Ebenso verhalte es sich mit variablen Gehaltsanteilen, zu denen Frick im renommierten Oxford Review of Economy Policy jüngst veröffentlichte: „Teams mit hohen variablen Gehaltsanteilen sind nachweislich erfolgreicher als solche, die weniger auf derartige Anreize zurück greifen“, resümiert Frick. Frick empfiehlt, die Verträge mit Bundesligaspielern konsequent auf den Prüfstand zu stellen: „Wir brauchen kürzere Vertragslaufzeiten, Teamboni und Optionsklauseln, die es dem Verein ermöglichen, sich bei Nichteinhaltung bestimmter Kriterien wieder vom Spieler trennen zu können.“ Ansonsten werde sich die Krise des deutschen Fußballs weiter auswachsen. In den USA würden in den professionellen Mannschaftssportarten inzwischen zwei Drittel aller Verträge mit Optionsklauseln ausgestattet. In Deutschland seien es gerade mal 20-25 Prozent, schätzt Frick.

Referenz: Bernd Frick: Contest Theory and Sport; in: Oxford Review of Economy Policy, Vol. 19, No. 4, 2003, S. 512 ff.

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