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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ballschrank

Magath mit Gebrüll vom Hof gejagt

Oliver Fritsch | Montag, 24. Mai 2004 Kommentare deaktiviert für Magath mit Gebrüll vom Hof gejagt

der 34. Spieltag im Pressespiegel: „Felix Magath wurde vom Hof gejagt, er geht unter Gebrüll“ (FAZ); „Magath hinterläßt frustrierte Stuttgarter“ (FAZ) – „La ola mit Hitzfeld, Abschied auf dem Gipfel der Gefühle“ (FAZ) – Franz Beckenbauer, „Mann ohne Unrechtsbewußstsein“ (FAS) – „Man hat mich im Regen stehen lassen“ (Michael Ballack im WamS-Interview) – Uefa-Cup-Qualifikation, der „Quantensprung des VfL Bochum“ (FAZ) – „BVB 2004, eine Mannschaft ohne Format, Feuer und Esprit“ (FAZ) – „peinlicher Abschied von 1860 München“ (SZ) – Frankfurts Wunder bleibt aus; die FR fordert die Entlassung Willi Reimanns – FSV Mainz, endlich erstklassig u.v.m.

Kommentar, Fazit, Interview

Der Mann hat kein Unrechtsbewusstsein

Sehr lesenswert! Elisabeth Schlammerl (FAS 24.5.) misst die Diskurskraft Franz Beckenbauers: „Vermutlich dürfte es einfacher sein, in Deutschland die Monarchie wiedereinzuführen, als den „Kaiser“ vom Plaudern abzuhalten. Er wird es immer wieder tun, wenn er gefragt wird, und Beckenbauer ist permanent gefragt. Der Mann hat kein Unrechtsbewußtsein, weil er seinen Worten weit weniger Bedeutung beimißt, als seine Umgebung es tut. In seiner rund vierzigjährigen Karriere, zunächst als Spieler, später als Trainer und nun als Funktionär, hat er nicht viel gelernt von Diplomatie. Ottmar Hitzfeld hatte vor sechs Jahren nicht bloß geahnt, was ihn erwarten würde in München, sondern schon genau gewußt, daß die Freundschaft mit Beckenbauer nutzlos ist, wenn den „Kaiser“ das Spiel der Bayern nicht amüsiert. Er würde sich wünschen, hatte Hitzfeld damals gesagt, daß Beckenbauer auf Spontankommentare verzichtete. „Denn wenn der Franz etwas sagt, dann ist es das Evangelium, seine Worte wiegen doppelt.“ In der Öffentlichkeit, aber nicht für Beckenbauer selbst. Es gibt wohl kaum jemanden, der sich so schnell und so regelmäßig widerspricht. Der omnipräsente Beckenbauer sagt hier und heute dies – und morgen das Gegenteil. Er gibt zwischen zwei Golfabschlägen ebenso gelassen etwas über die Nationalmannschaft zum besten, wie er zwischen zwei Ehrungen über wirtschaftliche oder politische Themen parliert. Jedem anderen haftete längst der Makel der nicht mehr ernstzunehmenden Plaudertasche an. Nicht so Beckenbauer. Mit seiner jovialen Art, mit seiner alpenländischen Nonchalance ist er noch immer Liebling vieler Medien. Er kann es sich sogar leisten, sich in der Wortwahl ganz drastisch zu vergreifen, ohne daß ihn harsche Kritik träfe. In seiner jüngsten „Bild“-Kolumne wurde er ausfällig und drohte den Spielern des FC Bayern: Sollten sie die direkte Qualifikation für die Champions League verpassen, „dann werden einige enteiert“. Es entschuldigt ihn nicht, daß er mittlerweile seinem Kolumnenschreiber offenbar blind vertraut und darauf verzichtet, die Texte vor dem Druck zu lesen. Der geschmacklose Unsinn wird unter seinem Namen veröffentlicht. Hitzfeld ist nicht der erste Trainer des FC Bayern, bei dessen Demontage Beckenbauer eifrig mitgewirkt hat. Wenn ihm, dem Fußball-Ästheten, etwas mißfällt, kritisiert er zwar stets die Mannschaft, meint aber fast immer den Trainer. Nur zu Beginn seiner Funktonärskarriere in München hatte er die Trainerdiskussion ein wenig anders in Gang gesetzt. Er drängte damals Erich Ribbeck mit nur einem Satz aus dem Amt: „Im Notfall würde ich als Trainer zur Verfügung stehen.“ Damit gab er der Diskussion um Ribbeck eine Eigendynamik. Ein paar Wochen später war Ribbeck weg, und Beckenbauer gab sein Comeback im Trainingsanzug. (…) Bei Otto Rehhagel sah Beckenbauer schnell ein, daß dessen Verpflichtung ein großes Mißverständnis war. Immer wieder schoß er präsidiale Giftpfeile ab. Mit Aussagen wie „Ich möchte Rehhagel ja gerne helfen, wenn er sich nur helfen ließe“ wurde die ohnehin nicht mehr sehr große Autorität des Trainers weiter untergraben. Rehhagel scheiterte unter anderem deshalb, weil er so gar nicht beherrschte, was Beckenbauer perfektioniert hat: den Umgang mit den Medien.“

Man hat mich im Regen stehen lassen
WamS-Interview mit Michael Ballack

WamS: Es wird versucht, Sie zum allein verantwortlichen Sündenbock für diese Saison zu stempeln.
MB: Die Zeitschrift „Sport Bild“ ist schon die ganze Saison durch unsachliche Berichterstattung auffällig geworden. Bereits seit Monaten wird dort eine Hetzkampagne gegen mich gefahren.
WamS: Ihr Trainer Ottmar Hitzfeld kritisiert, dass der Respekt der Öffentlichkeit vor Spielern verloren gegangen sei, die Spieler würden unsachlich beurteilt. Auch Felix Magath beklagt, dass der Respekt gegenüber Personen und ihrer Arbeit fehle. Dies sei im Ausland anders. Hitzfeld befürchtet deshalb sogar, dass Stars wie Sie aus dem Land geekelt würden. Besteht diese Gefahr?
MB: Ottmar Hitzfeld und Felix Magath haben absolut Recht. Es kann nicht sein, dass du aus einer bestimmten Ecke über Wochen und Monate in unsachlicher Art und Weise und in beleidigender Form angegriffen wirst, ohne dass von Vereinsseite eine Reaktion kommt.
WamS: Was haben Sie denn erwartet?
MB: Ich hätte erwartet und hätte auch erwarten dürfen, dass die Vereinsführung solcher Polemik massiv entgegentreten würde.
WamS: Haben Sie diese Rückendeckung nicht erhalten?
MB: Nein. Nochmals: Ich habe im Umgang mit den Medien überhaupt keine Probleme. Das Problem, das sich hier stellt, ist, dass aus einer bestimmten Ecke permanent negativ und unsachlich über meine Person berichtet wird. In so einer Situation benötigt ein Spieler auch die volle Rückendeckung eines Vereins. Das war hier leider nicht der Fall. Im Gegenteil: Es fällt auf, dass ich kurz vor wichtigen und richtungweisenden Spielen des FC Bayern wie beispielsweise gegen Celtic Glasgow oder Real Madrid auch von Vorstandsseite öffentlich kritisiert wurde. Der FC Bayern München ist doch kein Provinzklub. Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß haben bundesweites Gewicht, hier einzuschreiten.
WamS: Sind Sie enttäuscht?
MB: Ja, natürlich. Man hat mich im Regen stehen lassen.
WamS: Sie haben beim FC Bayern einen Vertrag bis zum 30. Juni 2006, und zwar ohne Ausstiegsklausel. Werden Sie diesen Vertrag erfüllen?
MB: Ich habe im Sommer 2002 einen Vertrag beim FC Bayern unterschrieben mit dem Ziel, bis zur WM 2006 in Deutschland zu spielen. Ich brauche aber wie jeder andere Spieler auch ein Umfeld, das hundertprozentig zu mir steht. Nur dann kann ich auch Top-Leistungen bringen. Sollte ich zu dem Eindruck gelangen, dass ich nicht mehr das volle Vertrauen der Vereinsführung habe, muss man sich zusammensetzen und eine gemeinsame Lösung finden.

Wenn man als Trainer einen Vertrag macht, hat man die Kündigung gleich mit unterschrieben
FAS-Interview mit Thomas Schaaf

FAS: Haben Sie sich vom Feiern schon erholt?
TS: Die Feier war unglaublich. Ich habe das Gefühl, als hätte ich jedem Bremer die Hand geschüttelt. Bei keiner Meisterschaft war mehr los. Alles verlief friedlich. Alle Jahrgänge waren vorhanden. Vom Kleinkind bis zu Oma und Opa. Diese Herzlichkeit, diese Freundlichkeit, die herübergekommen ist, war unglaublich schön.
FAS: Lassen Sie uns über Fußball sprechen. Sie reden nie über Systeme. Hat Werder keines?
TS: Ich muß ja nicht alles verraten. Ich bin kein Dozent. Ich muß keinem erklären, wie Fußball geht.
FAS: Das könnte man als Meistertrainer ja mal machen.
TS: Um Gottes willen. Da bin ich weit weg. Ich unterhalte mich gern über Fußball. Aber nicht nach dem Motto: „Hört mir mal alle zu, ich weiß was!“ Das brauche ich nicht.
FAS: Werders Spiel kam einer Idealform von Fußball trotzdem sehr nahe.
TS: Es war so eine Leichtigkeit da. Jeder hat am Spiel teilgenommen. Das war unsere Stärke. Jeder hat seine Aufgabe im Team. Die Mannschaft kannte ihre Ordnung. Alles floß ineinander. Oft haben wir uns in einen Rausch gespielt und noch viele Chancen ausgelassen.
FAS: Der Absturz wie 2002 und 2003 blieb dieses Mal aus. Wann haben Sie an die Meisterschaft geglaubt?
TS: Nach dem Sieg gegen Hertha im ersten Rückrundenspiel dachte ich: Okay, wir bleiben oben. Wir werden uns in den ersten fünf Rängen plazieren. Dann haben wir von Spiel zu Spiel gedacht, in Gladbach, in Wolfsburg, das waren schon Zeichen. Es war zwar nicht so brillant, aber die Mannschaft war trotzdem auf einem guten Weg. Einen ganz wichtigen Schritt haben wir in Bochum gemacht, auch wenn es 0:0 ausging, war es ein tolles Spiel. Peter Neururer sagte: „Das hat noch keiner mit uns gemacht.“ Ich dachte: Wenn du so spielst, wirst du auch belohnt. Ich war so was von zufrieden mit dieser Leistung. Da war ich überzeugt: Wir gehen unseren Weg. Und wenn ich von etwas überzeugt bin, dann stehe ich auch vorne an erster Stelle und boxe alles weg, was angreift.
FAS: Mancher meint, Sie könnten nur in Bremen funktionieren.
TS: Das ist Quatsch. Wenn man als Trainer einen Vertrag macht, hat man die Kündigung gleich mit unterschrieben. Zu diesem Beruf gehört ein Standortwechsel dazu, mit Umzug und allem. Ich wünsche mir nur eine saubere Trennung, falls es mit mir und Werder irgendwann einmal nicht mehr gehen sollte.

Michael Horeni (FAZ 24.5.) resümiert enttäuscht die Saison: “Dem letzten Spieltag, der in den vergangenen Jahren dem Publikum oftmals ein großartiges Finale vergönnte, wohnte diesmal kein Zauber inne. Er verwandelte die Bundesliga vielmehr in das, was sie im Alltag viel zu oft ist: eine Regionalliga. Von nationalem Fußballinteresse jedenfalls war vorab keine einzige der letzten neun Begegnungen, und das Fußball-Schicksal war diesmal auch nicht so gnädig, um durch Kapriolen und verblüffende Wendungen eine Dramaturgie zu schaffen, von der es landauf, landab hätte heißen können: Wahnsinn, unglaublich, unfaßbar. Warum auch sollte der Bundesliga in den letzten 90 Minuten wie auf Knopfdruck gelingen, was sie zuvor an 33 Spieltagen fast nie anzubieten imstande war? Ein Fußballangebot der Extraklasse, angereichert mit Spannungsmomenten, die nicht dem Zufall der letzten Minute, sondern der sportlichen Qualität der Liga vom ersten Spieltag an entspringen. Das Fußballwunder verweigerte in dieser Saison auf breiter Front seine alljährliche Mitarbeit. Es bewahrte sich zum Glück seine Unabhängigkeit und ließ sich nicht zum beliebig und kostenlos verfügbaren Marketinginstrument einer Liga herabstufen, die seit Jahren viel zuwenig ins sportliche Qualitätssicherungsprogramm investiert – und andererseits über Endrunden oder echte Endspiele nicht einmal laut nachzudenken wagt.“

Andreas Burkert (SZ 24.5.) blickt zurück und nach vorne: “Die Bundesliga boomt, obwohl sie keine dominierende Rolle mehr spielt im kontinentalen Vergleich und es ihr wie noch nie an Persönlichkeiten von internationalem Rang mangelt. Kaum jemand in Madrid oder Mailand kennt Ailton, die skurrile Attraktion dieser Saison, und sein genialischer Kompagnon bei Werder, Monsieur Micoud, ist nicht einmal gut genug für den 23-köpfigen EM-Kader Frankreichs. Zudem verzeichnete die Spannungskurve im Finale 03/04 keine hektischen Ausschläge wie in den Vorjahren, als Meisterschaft oder Abstieg erst Sekunden vor Ultimo entschieden waren. Das alles indes müssen keine Argumente gegen unseren Wettbewerb sein, denn die Bundesliga hat dieses Jahr auf ganz andere Weise geglänzt – mit inneren Werten: In einem ungewöhnlich fairen Verfahren teilte sie gefühlte Gewinner und erwartbare Verlierer. So ist Bremen der richtige Meister, Bayer 04 ein attraktiver Endspiel-um-Platz-drei-Sieger und Bochum ein würdiger Ruhrpott-Champion; wie Dortmunds Drahtseiltänzer ein schlüssiges Absturzopfer darstellen, die Bayern mit Rang zwei fast nicht hart genug bestraft sind, Hertha eine Lektion Demut ganz gut tut und die Löwen zwangsläufig Opfer ihrer gestürzten Patriarchenclique geworden sind und eines dilettantischen Krisenmanagements auf allen Ebenen. Nur in Stuttgart fühlen sie sich nach einer schönen Saison ungerecht behandelt vom Schicksal. In ihrer Verzweiflung wendet sich der VfB nun an einen Fußballgott. Doch über den Trainer Kohler weiß die Statistik bislang nichts – null Spiele. Vermutlich wird auch Saison 42 recht interessant.“

Neues Feuer wird er nicht mehr entfachen

Ingo Durstewitz (FR 24.5.) fordert die Entlassung Willi Reimanns: “Im Nachklapp fällt auf, dass Eintracht Frankfurt als einziger Verein aller Abstiegskandidaten am Trainer festhielt. Was vordergründig bei den Skandal erprobten Hessen ehrenwert erscheint, könnte sich in diesem Fall als fataler Fehler erweisen. Willi Reimann hat taktische Defizite offenbart, er hat auf Teufel komm raus an dem System mit einer Spitze festgehalten, er hat Defizite im Zwischenmenschlichen offenbart: die Fans beschimpft, Möller gedemütigt, den Schiedsrichter geschubst. Jetzt, da der Abstieg besiegelt ist, wirkt er ausgebrannt und lethargisch. Dass er, der stets Geschlossenheit einfordert, eine Stunde nach dem Abstieg seinen Urlaub antritt, ist ein mittelschwerer Skandal. Ein verhängnisvolles Zeichen auch an die Mannschaft. Die Spieler, ohnehin schon auf Distanz zum Trainer, schütteln über das Gebaren ihres Vorgesetzten nur noch den Kopf. Trainer Reimann hat sich mit dem Aufstieg 2003 große Verdienste um die Eintracht erworben. Aber ihm lastet nun der Makel des Abstiegs an, neues Feuer wird er nicht mehr entfachen. Heribert Bruchhagen, der sich gegen den öffentlichen Druck stellt und sich nicht zu populistischen Entscheidungen drängen lässt, wird reagieren müssen. Die logische Konsequenz: Er muss die Episode Reimann beenden.“

FR-Interview mit Willi Reimann

Bayer Leverkusen – VfB Stuttgart 2:0

Unflätige Gesängen

Gregor Derichs (FAZ 24.5.) bedauert die Verabschiedung Felix Magaths: „Magath wurde vom Hof gejagt. An den Zäunen, die den Parkplatz hinter der BayArena vor dem Zutritt der Öffentlichkeit abriegeln, hingen einige hundert Fans des VfB Stuttgart. „Magath, du bist eine feige Sau“, skandierte der Anhang, als der noch amtierende Trainer der Schwaben zum Mannschaftsbus schritt. Schon während des Spiels hatten die Fans den Fünfzigjährigen verbal attackiert. Als der Trainer den Brasilianer Cacau eingewechselt hatte, entluden sich die Aggressionen in unflätigen Gesängen. „Magath, du bist ein Bayern-Schwein“, brüllten die Fans. Magath wirkte bedrückt und begann eine Erklärungstour in eigener Sache. Sein während der Woche bekanntgewordener Abgang zum FC Bayern München zur neuen Saison bedurfte der Erläuterung. Er habe auf keinen Fall aktiv darauf eingewirkt, Ottmar Hitzfeld schon am 1. Juli in München zu beerben. Einen Vertrag, der erst im Sommer 2005 greifen sollte, habe er mit den Bayern allerdings „vor einigen Wochen im Frühjahr“ unterzeichnet. Erst in der vorigen Woche hätten sich die Dinge negativ entwickelt. „Es war eine Situation entstanden, in der ich praktisch arbeitsunfähig beim VfB Stuttgart war“, sagte Magath. (…) Dreieinhalb Jahre war Magath in Stuttgart. Er machte aus einem hoch verschuldeten Verein, der sportlich ins Mittelmaß abgesackt war, im vorigen Jahr einen Meisterschaftszweiten und Champions-League-Teilnehmer, der sich weitgehend entschulden konnte. Zudem gab Magath, der nach der Beurlaubung von Rolf Rüssmann auch noch die Manager-Tätigkeit bei den Schwaben übernommen hatte, dem VfB neue Perspektiven, indem er junge Spieler förderte und Andreas Hinkel, Philipp Lahm, Kevin Kuranyi und Timo Hildebrand in die Nationalelf führte. „Im Moment ist schon viel Wehmut dabei“, sagte Magath, als er nach seinen Trennungsgefühlen befragt wurde, „es war meine schönste Trainertätigkeit bisher und auch meine erfolgreichste.“ Aber er freue sich auch auf seine Aufgabe in München.“

Erik Eggers (FR 24.5.) tippt auf Jürgen Kohler als Nachfolger Magaths: “Selbst nach Monaten wusste niemand so recht, welche Aufgaben Jürgen Kohler eigentlich wahrnehmen sollte in dem aufgeblähten Vorstandsgebilde, so dass ihn einige als „bestbezahlten Linienrichter-Beschimpfer der Liga“ verhöhnt haben. Nun scheint das Ende der Aufgabenarmut gekommen. „Ihn zieht es Richtung Rasen“, formuliert es Calmund.“

Bayern München – SC Freiburg 2:0

Keine Miene hat er zwar verzogen, aber die Lippen bebten als deutliches Zeichen der Rührung

Elisabeth Schlammerl (FAZ 24.5.) schildert den verhaltenen Abgang Ottmar Hitzfelds: „Hitzfeld hat in seiner Trainerkarriere eine Fülle emotionaler Augenblicke erlebt, viele davon in den vergangenen sechs Jahren beim FC Bayern München, und er hat es fast immer verstanden, seine Gefühle zu kontrollieren. Am Samstag aber wäre ihm das beinahe mißlungen. Nie zuvor in seiner Münchner Zeit schien er derart bewegt gewesen zu sein wie bei seiner Abschiedsvorstellung. Als der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge dem scheidenden Trainer den obligaten Blumenstrauß überreichte, die Fans im ovalen Rund ihn mit Sprechchören feierten, gab Hitzfeld zu, aufgepaßt haben zu müssen, „daß nicht die Tränen fließen“. Keine Miene hat er zwar verzogen, aber die Lippen bebten als deutliches Zeichen der Rührung. „Das war ergreifend. Nach sechs herrlichen Jahren fällt es schwer, Abschied zu nehmen“, sagte Hitzfeld. Auch in manchen Worten des Meisters der sachlichen Analyse schwang an diesem Tag ein wenig Gefühl mit. Hitzfelds Mannschaft indes hat sich auf dem Spielfeld nicht besonders mitreißen lassen von diesen emotionalen Momenten. Sie erfüllte ihren Auftrag leidlich und erreichte durch ein glanzloses 2:0 die direkte Qualifikation für die Champions League. (…) Acht Titel in sechs Jahren hat Hitzfeld mit den Bayern gewonnen, 129 Siege in 204 Spielen gefeiert – kein Trainer war beim Rekordmeister bisher erfolgreicher. Aber es waren nicht nur die Titel und Triumphe, die Hitzfeld derartige Sympathien eingebracht haben, sondern auch seine seriöse Arbeitsweise, sein stets korrekter, menschlicher Umgang mit den Spielern, der den Bayern-Oberen am Ende zu menschlich war. Hitzfeld ist kein volkstümlicher Trainer, keiner, der das Bad in der Menge suchte. Er hat stets Distanz gehalten – und war den Anhängern doch sehr nahe. Daß er zusammen mit seinem langjährigen Assistenten Michael Henke, der ebenfalls den Verein verläßt, die Zuschauer zur La-ola-Welle animierte, war für den zurückhaltenden Hitzfeld so etwas wie ein gewaltiger Gefühlsausbruch. Die Spieler hatten ihn davor der Reihe nach umarmt. Es war überhaupt ein großes Herzen und Drücken am Ende einer Saison, in der die Bayern vieles schuldig geblieben sind. „Es war zwar ein Jahr ohne Titel, aber wirtschaftlich und finanziell war es ein gutes Jahr“, sagte Hitzfeld. Da kehrte sie zurück, die Nüchternheit des Mathematikers.“

VfL Bochum – Hannover 96 3:1

Mein Revier ist hier

Richard Leipold (FAZ 24.5.) freut sich mit den Bochumern: “Dieser Saisonabschluß ist für Bochum eine Art Quantensprung, dessen Dimension sich für die Spieler, für den Trainer, für den ganzen Verein erst allmählich erschließen dürfte. „Wir haben sechs Schritte auf einmal gemacht“, sagt Neururer. Vermutlich hat er schon in diesem Augenblick geahnt, wie schwer es werden dürfte, das Niveau und vor allem den Tabellenplatz zu halten. Der fünfte Platz des VfL sei unglaublich, sagt er. „Dagegen ist der Meistertitel für Werder Bremen die reinste Planwirtschaft.“ Im kapitalistischen System Bundesliga kann ein mittelständisches Unternehmen wie der VfL Bochum eine Europapokalteilnahme nicht planen. (…) Neururer arbeitet seit zweieinhalb Jahren in Bochum; auch dieser Wert ist eine persönliche Bestleistung. Oft entlassen, oft belächelt, steht er nun als seriöser Arbeiter da, der aus Fehlern gelernt hat. Statt wie früher die Emotionen zu übersteuern, wirkte er auf eigentümliche Art gefaßt – selbst als er am späten Abend beschwingt, aber jederzeit Herr seiner Sinne mit einem Glas Rotwein wie mit einem Pokal in der Hand ins „Aktuelle Sportstudio“ des Zweiten Deutschen Fernsehens einzog. Niemand verkörpert den neuen Werbeslogan des VfL so glaubhaft wie Neururer. „Mein Revier ist hier.“ Am Tag seines größten sportlichen Triumphes zeigte er sich dankbar und demütig. Überwältigt von der Gunst der Stunde dankte Neururer seinen Vorgesetzten dafür, daß er in Bochum „authentisch sein darf“. Zugleich bat er den Verein, die Spieler und die Fans um Entschuldigung. „Weil ich in den vergangenen Tagen nicht authentisch war und die ganze Woche über gelogen habe.“ Seine Zuversicht sei nur Schauspielerei gewesen. Er habe an seine Mannschaft geglaubt, aber nie und nimmer für möglich gehalten, daß Borussia Dortmund sich den fünften Platz noch aus der Hand nehmen lasse. Gut gelogen war halb gewonnen.“

Dat wird doch nix

Christoph Biermann (SZ 24.5.) fügt hinzu: „Unter den vielen Transparenten, die vor und während des Spiels im Ruhrstadion entrollt wurden, um die Qualifikation des VfL Bochum für den Uefa-Cup zu beschwören, fiel eines besonders auf. „Erfolgreich sein, macht Spaß“, war darauf zu lesen, und man muss weit in die Psyche des Bochumer Fußballs hinabsteigen, um die tiefere Bedeutung dieser Aussage zu verstehen. Gilt in Köln etwa seit jeher die optimistische Grundannahme, „Et hätt noch immer jot jejange“, nehmen die Anhänger des VfL Bochum stets das pessimistische Gegenteil an. Als ein herzliches „Dat wird doch nix“ könnte man diesen Defätismus zusammen fassen, der durchaus gesättigt mit Erfahrungen ist. Denn abgesehen von vier direkten Wiederaufstiegen in die Bundesliga und einer Qualifikation für den Uefa-Cup hat der VfL Bochum vor Erfolgen so oft gescheut wie ein Springpferd vor Pulvermanns Grab. Der Coach Neururer ist auch auf unterschiedliche Weise der Macher des besten VfL Bochum aller Zeiten. „Der Verein hat mich stark gemacht, weil er mich hat reden lassen“, sagte er. Viel hatte Neururer in dieser Spielzeit geredet, und manchmal erschien es als deutlich zu viel. Er hatte Gegner provoziert und Siege angekündigt, in Mannschaftsbesprechungen Torschützen vorausgesagt, oder einen Sieg über den FC Bayern München dem Zeugwart gewidmet, weil der angeblich die Taktik gemacht hatte. Das wirkte aus der Distanz wie notorische Sprücheklopferei (…) Dass ausgerechnet Paul Freier im letzten Spiel einer für den Nationalspieler deprimierenden Saison sein einziges Tor für den VfL Bochum schoss, war für Neururer hingegen mehr als eine hübsche Wendung der Geschichte. „Wir haben uns das Aufstiegsdrama von vor zwei Jahren angeschaut, und ich habe ihm gesagt, dass er wieder den entscheidenden Treffer erzielen würde“, erzählte er. Tränenüberströmt wurde Freier nach seinem Treffer ausgewechselt, und in diesem Moment ergaben Neururers wild scheinende Suggestionen einen Sinn. Sie habe das tiefverwurzelte „Dat wird doch nix“ in Bochum außer Kraft gesetzt. Der vermeintliche Quasselkopf aus Gelsenkirchen hat den Klub gelehrt, dass es Spaß macht, erfolgreich zu sein.“

1. FC Kaiserslautern – Borussia Dortmund 1:1

Martin Hägele (SZ 24.5.) sieht schwarz für Kaiserslauterns Zukunft: „Kurt Jara durfte sich bestätigt fühlen, weil er schon bei seinem Amtsantritt am 4. Februar die Losung ausgegeben hatte: „Wir retten uns am letzten Spieltag.“ Das spricht für eine gesunde Einschätzung des Personals, das zum großen Teil aus zweitklassigen und überteuerten Profis besteht, die mehr an sich als an ihre Mannschaft denken. Deshalb hat sich der Tiroler in den entscheidenden Partien des Abstiegskampfs auch weniger auf die Erfahrung seiner Fremdenlegion verlassen: Er baute auf Typen, die sich für ihre Firma bis zum Muskelkrampf einsetzten. Dass auf der Ersatzbank überwiegend jene Profis (Mettomo, Kosowski, Nurmela, Vreven) hockten, die im vergangenen Sommer mit dem Anspruch einstelliger Tabellenplatz, möglichst mit Uefa-Cup-Anschluss, geholt worden waren, war ein deutlicher Fingerzeig Jaras in Richtung seines Vorgängers Eric Gerets. Als Jara die Personalprobleme nach der 1:4-Niederlage am vergangenen Samstag mit den Fans, die vor der Arena AufSchalke den Mannschaftsbus aufhielten, offen diskutierte und dabei Jäggi die Schuld zuschob, schienen seine Tage auf dem Betzenberg gezählt zu sein. Den vor einem Arbeitsgericht wohl leicht zu begründenden Rauswurf Jaras konnte der Schweizer nicht riskieren, weil jener die sportlichen Argumente und vor allem die emotionale Unterstützung der Basis auf seiner Seite hat. Jara hat die Fans von Anfang an hofiert, er hat sie in jeder Pressekonferenz verbal gestreichelt. Sie garantierten die Heimstärke. Am Ende waren es auch „die phantastischen 45 000 unter den 49 000″ (Jara), die ihre angeschlagenen Helden über die Ziellinie trugen. Aber kann Deutschlands größter Fußballchor auch ein drittes Jahr das „Abstiegsgespenst vom Betzenberg verjagen“, wie es am Samstag auf Flugblättern verlangt wurde? Und kann sich dieses Publikum nun mit Carsten Jancker in Kloses Trikot identifizieren oder weiteren ehemaligen Nationalspielern des FC Bayern München wie Markus Babbel oder Christian Nerlinger? In der Serie A, in der Premiere League oder in Schottland nicht mehr länger gefragt – aber gut genug für einen letzten Vertrag beim Fritz-Walter-Klub?“

BVB 2004 – eine Mannschaft ohne Format, Feuer und Esprit

Hartmut Scherzer (FAZ 24.5.) sieht viele Verlierer: „So ein Abschied macht doch richtig Freude. Ohne Schmerz, ohne schlechtes Gewissen, ganz ohne Wehmut können Vratislav Lokvenc und Alexander Knavs den Betzenberg verlassen. Der Tscheche durch sein frühes Tor und der Slowene dank seiner soliden Abwehrarbeit hinterlassen den 1. FC Kaiserslautern in der Erstklassigkeit und hievten gleichzeitig ihren künftigen Verein VfL Bochum in den UEFA-Cup. Doppeltes Glück. Der Wechsel von der Pfalz in den Pott hat auch mit der prekären Situation in Kaiserslautern zu tun. Sie sind der permanenten Abstiegskämpfe müde. Lokvenc hat „das Gefühl, beim 1. FCK wird es eher schlechter als besser. Seit zwei Jahren geht es nur bergab.“ Knavs hat schon seit langem mit angesehen, „daß etwas schiefläuft“. So verändert sich die Landschaft in der Bundesliga. Die vormals „graue Maus“ Bochum bietet inzwischen die Perspektiven, die dem ruhmreichen Fritz-Walter-Klub abhanden gekommen sind. Das beklagt auch Miroslav Klose, die letzte Pfälzer Identifikationsfigur, die nun beim deutschen Meister Werder Bremen die Herausforderung Champions League sucht. „Beim 1. FCK ist es von Jahr zu Jahr runtergegangen.“ Doch anders als bei den beiden Ausländern, die wie der ganze Vielvölkerkader Bodenständigkeit allenfalls für ein Gewächs aus der Gärtnerei halten, tut dem heimatverbundenen Nationalstürmer der Abschied schon ein bißchen weh nach – trotz allem – „vier wundervollen Jahren“ in diesem prickelnden Stadion mit der anstachelnden Kulisse. (…) Keinen Schritt weiter kommt Matthias Sammer. Letztes Jahr hatte der BVB die Teilnahme an der Champions League gleich zweimal, erst gegen Cottbus, dann gegen Brügge, vermasselt. Das internationale Geschäft, das bei einem Halbjahresverlust von knapp dreißig Millionen Euro so wichtig gewesen wäre, hat der BVB zunächst abermals verpaßt. „Wir können jeden Euro zur Konsolidierung der Finanzen gut gebrauchen“, hatte Klubchef Gerd Niembaum erklärt. Ein Sieg wäre nötig gewesen, um den UEFA-Cup-Platz gegenüber dem VfL Bochum zu verteidigen. Um so erstaunlicher war der halbherzige Auftritt der Westfalen auch noch nach dem Ausgleich. „Der Trainer hatte gefordert, jeder müsse an seine körperlichen Grenzen gehen“, sagte Sebastian Kehl und wunderte sich: „Ich weiß aber nicht, ob das alle getan haben.“ Der BVB 2004 – eine Mannschaft ohne Format, Feuer und Esprit, die weit unter ihrem Wert spielt.“

Hamburger SV – Eintracht Frankfurt 2:1

Wirtschaftlich steht die Eintracht auf gesunden Füßen

Ralf Weitbrecht (FAZ 24.5.) berichtet verhaltene Frankfurter Trauer: „In der Stunde des Abstiegs setzte Willi Reimann Schwerpunkte. Er fuhr lieber zum Golfspielen nach Sylt als mit seiner Mannschaft zurück nach Frankfurt. „Ich denke, ich bleibe der alte“, sagte der Trainer der Eintracht. Reimann wollte lieber das Eisen eins schwingen, als den Spielern beistehen und das vorleben, was er in einer Art Treueschwur eingefordert hatte. Als die Niederlage und der damit verbundene dritte Abstieg aus der ersten Liga nach 1996 und 2001 feststanden, hielt Reimann in der Kabine eine kurze Ansprache, appellierte an die „mannschaftliche Geschlossenheit“ – und verabschiedete sich in den gut fünfwöchigen Urlaub. Trainingsstart des Zweitligaklubs Eintracht ist am 2. Juli. „Ich denke, ich werde zum 1. Juli wieder in Frankfurt sein“, sagte der Trainer. Ob Reimann tatsächlich noch als verantwortlicher Fußballehrer die Geschicke leiten darf, darf bezweifelt werden. Heribert Bruchhagen, der Vorstandsvorsitzende der Hessen, strebt für den angepeilten direkten Wiederaufstieg die Verjüngung des Profikaders an – und gerade bei der Zusammenarbeit mit jungen Spielern hatte Reimann in der abgelaufenen Saison so seine Schwierigkeiten. (…) So bitter der dritte Abstieg für den Traditionsverein auch sein mag: Wirtschaftlich steht die Eintracht auf gesunden Füßen. Sportlich ist Vorstandschef Bruchhagen um den Neuaufbau bemüht – auch wenn in der Trainerfrage um Golfer Reimann das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.“

Borussia Mönchengladbach – 1860 München 3:1

Vor allem charakterlich erwies sich der Kader als zu schwach

Peter Heß (FAZ 24.5.) schreibt über die Ursachen des Münchner Abstiegs: “Präsident Karl Auer weinte und war kaum fähig, in zusammenhängenden Sätzen zu sprechen. Trainer Gerald Vanenburg sagte, er könne nicht über die Zukunft reden, und die meisten Spieler wußten auch nicht, wie es weitergeht. Der TSV München 1860 bot ein Bild des Jammers und der Ratlosigkeit. Dabei wurden die „Löwen“ alles andere als überraschend vom Schicksal getroffen. Es hätte schon eine Menge zusammenkommen müssen, um zehn erstklassigen Jahren ein elftes hinzuzufügen. Dennoch zeigten sich die „Löwen“ überwältigt vom Elend und unvorbereitet auf die Zukunft. An der Endstation angekommen, wunderte sich kein Beobachter mehr, warum München 1860 die Talfahrt in der Bundesliga nicht stoppen konnte. (…) Vor allem charakterlich erwies sich der Kader der „Löwen“ als zu schwach. „Das gibt es doch nicht, daß wir im März noch einigermaßen gut dastehen und im Mai abgestiegen sind“, sagte Ersatztorwart Michael Hoffmann, einer der wenigen Profis, der in den vergangenen Wochen seine Verbundenheit mit dem Klub auf und neben dem Rasen zum Ausdruck gebracht hatte. Der Torhüter zeigte sich von den Kollegen schwer enttäuscht: „Es kann doch nicht sein, daß einige von uns sagen, okay, wir sind abgestiegen, das war’s, danke schön, wir probieren es beim nächsten Klub.“ Die Substanz im Kader sei besser gewesen als die der Gegner im Abstiegskampf. Hofmann legte sich fest: „Es gab mehr als drei, die hinter uns stehen mußten.“ Die Spieler hatten in Sachen Arbeitsethos allerdings auch keine guten Vorbilder in diesem Jahr. Wenn die Vorgesetzten sich blamieren, neigen die Angestellten zu Undiszipliniertheiten, das ist auch in anderen Unternehmen so. Erst lähmte der Bestechungsskandal um die Wildmosers die Ambitionen, dann das Hickhack um die Beurlaubung von Trainer Götz. Später stritten sich Präsident Auer und Vizepräsident Zehetmair, bis schließlich der ehemalige bayerische Kultusminister zurücktrat.“

Planloser ist selten ein Verein in die zweite Liga gegangen

Christian Zaschke (SZ 24.5.) schlägt die Hände überm Kopf zusammen: „Die Demütigung des TSV 1860 München vollendete sich am Samstag in der 80. Minute. Gladbach führte bereits 3:1, die Anhänger feierten den Abschied vom Bökelberg und ihre Mannschaft, als sich Trainer Holger Fach zu einer Geste entschloss. Er wechselte den 39 Jahre alten Torwarttrainer Uwe Kamps ein, der seit sechs Jahren kein Bundesligaspiel mehr bestritten hat. Kamps arbeitet seit 22 Jahren in Gladbach, viele Jahre war er Stammtorwart der Mannschaft, und nun durfte er zur Feier dieses herrlichen Nachmittags noch einmal ins Tor. Die Gladbacher nahmen ihren Gegner nicht mehr ernst. Die Spieler des TSV 1860 wirkten wie Männer, die verlegen auf einem Fest herumstehen, zu dem sie nicht eingeladen waren und das sie nun nicht stören wollen. Mit einem Sieg hätten die Sechziger sich immerhin die theoretische Chance erhalten, den Abstieg zu vermeiden. Doch die Mannschaft ging unter, sie lieferte einen in allen Belangen peinlichen Auftritt. (…) Die Münchner Spieler hatten in den vergangenen beiden Wochen keine Interviews gegeben. Nun wurde deutlich, wie verunsichert viele sind. „Ich habe keine Ahnung, wie es jetzt weitergeht“, sagte Torwart Michael Hofmann, „und so geht es den meisten.“ Tatsächlich war kein Profi zu finden, mit dem die sportliche Leitung bereits ein Gespräch über die Zukunft geführt hat. Martin Stranzl sagte: „In der Winterpause wollten wir über die Zukunft sprechen. Das Gespräch gab es immer noch nicht.“ Planloser ist selten ein Verein in die zweite Liga gegangen. Diese Perspektivlosigkeit ist vielleicht eine Erklärung für die leblose Vorstellung, welche die Münchner zuvor geboten hatten. Sie traten nicht auf wie ein Team, das um seine Existenz spielt, sondern wie eine Mannschaft, der alles egal ist. Von Beginn an fehlte vielen die Aggressivität gegen eine Gladbacher Mannschaft, für die es wirklich um nichts mehr ging, und der man das auch anmerkte. Die Borussia bestand nicht darauf, die Partie zu gewinnen.“

Andreas Rossmann (FAZ 24.5.) wird den Bökelberg vermissen: “Der Bökelberg ist das älteste Stadion der Bundesliga und mehr: Fußballtempel, Kultstätte, Mythos. Schon 1919 bezog Borussia Mönchengladbach die alte Kiesgrube „de Kull“ auf der Eickener Höhe, die zum „Naturstadion“ ausgeschachtet wurde. Den legendären Namen aber erhielt es erst in den frühen sechziger Jahren, als Wilhelm August Hurtmanns, Sportredakteur der „Rheinischen Post“, ihn in Anlehnung an den – damals noch berühmteren – Betzenberg erfand. Was für ein Coup – und welche Anmaßung! Gerade mal einundsechzig Meter über Null liegt der Anstoßpunkt, und so mußte es etwas jenseits der Topographie sein, was ihn über Jahre hinweg den Ruf des Uneinnehmbaren gewinnen ließ. Die vielen ruhmreichen Titel in nur neun Jahren – fünf deutsche Meisterschaften, ein DFB-Pokal- und zwei UEFA-Cup-Siege zwischen 1970 und 1979 – schufen die Voraussetzung für den Mythos, und spektakuläre Ereignisse – wie, beide 1971, der Pfostenbruch und der Büchsenwurf – flankierten ihn. Begründet aber hat den Mythos der „andere“, aufregende Fußball, den die „Fohlen“ kreierten: Schwindelig haben sie ihre Gegner gespielt, ihr Stil war Sturm und Drang, der die etablierten Klassiker langweilig aussehen ließ, und er stand für eine Erneuerung, die um so eindrucksvoller war, als sie aus der schwarzen niederrheinischen Provinz kam. Am Bökelberg verband sich der Fußball, und die langen Haare vom „Jünter“ waren nur ein Symptom dafür, erstmals in Deutschland mit der Popkultur: „Netzer kam aus der Tiefe des Raumes“ wurde zum geflügelten Wort und zur Metapher für diesen Aufbruch. Provinziell hat sich dieses Stadion, das mitten in der besten Wohngegend von Mönchengladbach, einem stadtnahen Villenviertel, liegt, erst in den folgenden Jahren zunehmend ausgenommen, auch weil dieser Eindruck auf dem Rasen immer seltener konterkariert wurde. Doch auch familiär, anheimelnd, ehrlich. Denn nur die Tribüne ist hier überdacht, keine VIP-Lounge privilegiert die Neureichen, kein Videowürfel inszeniert das Spiel zum Event. Auf der altgedienten Anzeigetafel war das „B“ von „Borussia“ schon länger erloschen, das „orussia“ mit dem halben „o“ aber tat dem Stabreim zum Abschied keinen Abbruch: „Bye-bye“ skandierte die Nordkurve aggressiv, auf daß die Tribüne ein sonores „Bökelberg“ ergänzte.“

Bei jedem Schritt hört man ein leises Ächzen

Bernd Müllender (taz 24.5.) auch: „Die großen Stars von einst wie Laumen, Köppel, Netzer und Heynckes („Der Geist des Bökelberg lässt sich nicht verpflanzen“) werden weiter von ihrer Herzensangelegenheit sprechen, von Liebe und Leidenschaft, von Legende, Tränen und den fünf Meistertiteln der großen Fohlenelf hier in den 70ern. „Bei jedem Schritt hört man ein leises Ächzen“, erlauschte diese Woche noch ein Lokalreporter. Der Mythos wird also eingemottet. Freuen werden sich die Anwohner über die ungewohnte Ruhe. In zwei Jahren soll auf der alten Kiesgrube mit Stadionloch ein Neubaugebiet fertig sein. Dann werden sich Menschen auf Vogtsschem Terriergeläuf schlafen legen, neben dem einst gebrochenen Pfosten (3. 4. 1971) vielleicht Holz hacken und ein Stück weiter Dosenbier trinken, wo einst Inter Mailands Schauspielgrande Roberto Boninsegna (20. 10. 1971) von einer Büchse am Kopf getroffen und das legendäre 7:1 annulliert wurde. Der Tribünennachbar sagte, er sei „irgendwie schon traurig, aber irgendwie auch nicht“, weil er sich „auf das neue Stadion so freut“. 54.000 Menschen wird die 80-Millionen-Schüssel am Stadtrand fassen. Der Nachbar, der ein letztes Mal andächtig die Hymne mitsang („Und ich schwöre Stein und Bein – für die Elf vom Niederrhein“) hieß Christian und nahm „nach bestimmt schon sechs oder sieben Spielen hier“ seinen Abschied. Christian ist 6. Ein Fohlen unter den Fohlenfans.“

Hansa Rostock – Werder Bremen 3:1

Matthias Wolf (FAZ 24.5.): “Diese Fragen hatten sie nicht erwartet. Nicht in dieser Saison, in der sie vorzeitig Meister wurden. Doch nun prasselten Worte wie Krise auf die Bremer ein. Offene Vorwürfe, die Mannschaft habe zuviel gefeiert. „Ich gebe zu“, sagte Sportdirektor Klaus Allofs nach der 1:3-Niederlage des Meisters beim FC Hansa Rostock, „das war heute nicht schön. Es gibt aber auch keinen Grund, in Panik zu verfallen.“ Dennoch: Neun Gegentore – davor verlor Werder 2:6 gegen Leverkusen – in den beiden letzten Spielen dieser Bundesliga-Saison, das schmeckte den Bremern überhaupt nicht. Selbst aus dem Gesicht von Ailton war das obligatorische Grinsen verschwunden.“

Hertha BSC Berlin – 1. FC Köln 3:1

Tsp-Interview mit Dieter Hoeneß

Tsp: Was treibt Sie zur Weißglut?
DH: Undifferenziertheit, pauschale Urteile. Vorurteile. Damit habe ich ein riesiges Problem. Wenn Leute Argumenten nicht mehr zugänglich sind und ich das Gefühl habe, ich werde ungerecht behandelt oder Menschen, die mir privat oder beruflich nahe stehen.
Tsp: Sind Sie in diesem Jahr ungerecht behandelt worden?
DH: Das bin ich. Aber ich werde darüber nicht jammern. Es ist einfach eine Feststellung. Ich habe mich in Bereichen angegriffen gefühlt, die nicht richtig waren.
Tsp: Zum Beispiel?
DH: Dieses Gerede vom Alleinherrscher, vom Allwissenden, der niemanden neben sich groß werden lassen will. Ich kann es nicht mehr hören.
Tsp: Was entgegnen Sie als Argument, wenn man sagt, Sie umgeben sich mit Ja-Sagern und Abnickern?
DH: Ich frage nach dem Beleg. Es gibt nämlich keinen. Und ich will mich nicht für Urteile rechtfertigen müssen, die falsch sind. Außerdem wird jede Führungsperson immer auch in den Verdacht geraten, seine Mitarbeiter ab und an zu überfordern. Das ist aber immer noch besser als umgekehrt, würde ich sagen. Denn die Konsequenz wäre ja, seine eigenen Ansprüche runterzufahren, aber das kann ja im Sinne des Vereins nicht das Ziel sein.

Christof Kneer (BLZ 24.5.) erfreut sich an der Jugend Lukas Podolskis: “Von Köln hat man bisher angenommen, dort wüchsen nur Karnevalsprinzen, aber zurzeit hat die Stadt einen Fußballprinzen, wie sie lange keinen mehr gesehen hat. Ein paar Spiele hat Lukas Podolski, 18, im Spätherbst nur machen müssen, schon hatte er den Namen Prinz Poldi weg, und inzwischen ist er auf der nach oben offenen Blaublutskala so weit emporgeschossen, dass der Express unter seinem Namen eine exklusive Kolumne druckt. Man hat schon viele Jünglinge unter Heldenverdacht gestellt, und viele waren verschwunden, noch ehe die Hymnen zu Ende gesungen waren. An Lukas Podolski aber sollte man sich lieber gewöhnen. Er kann viel zu viel, als dass man das alles über Nacht wieder verlernen könnte, und auch seine Prinzen-Rolle nimmt er mit hinreißender Natürlichkeit. „Der Roberto Carlos weiß doch auch nicht, wie er die Dinger reindreht“, antwortete er, als nach dem Auftritt bei Hertha jemand wissen wollte, wie er den gemeinen Schnitt in diesen Freistoß bekommen habe, der Torwart Fiedler beim 1:1 über die Hände flitzte. Man darf solche Sätze nicht missverstehen. Podolski ist kein Großsprecher, der seine Schusstechnik an der des brasilianischen Krummschützen von Real Madrid messen will. Nein, ihm fällt dieser Vergleich einfach ein, und dann sagt er ihn, und dann ist es gut. Lukas Podolski ist immer Lukas Podolski. Auf und neben dem Rasen ist der Stürmer von der selben unverdorbenen, niemals unverschämten Direktheit. Er ist ein kleiner Star, aber mehr noch ist er ein großer Junge.“

FSV Mainz – Eintracht Trier 3:0

Ich habe immer gesagt, dass der Fußballgott uns irgendwann belohnt

Daniel Meuren (FTD 24.5.) freut sich mit Mainz: „Der Held sitzt nach dem Spiel seines Lebens wie ein Häuflein Elend in der Kabine. Michael Thurk hat Mainz 05 in den vorangegangenen 90 Minuten mit zwei Toren beim 3:0-Sieg gegen Eintracht Trier in die Bundesliga geschossen. Doch die Freude des Aufstiegshelden hält sich in Grenzen. „Ich kann mich nicht richtig freuen, das muss man verstehen“, sagt Thurk. Hintergrund ist eine Vorgeschichte, die in den vergangenen Wochen in Mainz die Gemüter erregte. Thurk unterschrieb nach Differenzen mit seinem Verein und wohl auch wegen Störungen im einst traumhaften Verhältnis zu Trainer Jürgen Klopp ausgerechnet beim Aufstiegsrivalen Energie Cottbus für die kommende Saison. Die Lausitzer hat Thurk nun mit den Mainzern wegen der besseren Tordifferenz auf Platz vier verwiesen. „Es ist nun mal meine Aufgabe gewesen, hier in Mainz bis zur letzten Minute alles zu geben. Viele haben mir nicht geglaubt, mit den beiden Toren habe ich es wohl jetzt allen bewiesen“, sagte Thurk mit versteinerter Miene. Den Verantwortlichen von Mainz 05 nötigte Thurks Verhalten großen Respekt ab. „Ich ziehe alle Hüte vor Michael“, sagte Klopp. „Er hat Sportsgeist bewiesen. Er ist ein großer Charakter, der unter diesem unglaublichen Druck von außen seine stärksten Saisonspiele gemacht hat.“ (…) Es ist schon eine komische Sache mit der Gerechtigkeit im Fußball. Da glänzte Mainz 05 in den vergangenen zwei Spielzeiten mit bravourösem Spiel, sammelte eifrig Punkte in der zweiten Bundesliga und landete dennoch stets nur auf Platz vier. In beiden Jahren spielten die 05er mit 64 und 62 Punkten mehr Zähler ein, als ein anderer Tabellenvierter im deutschen Profifußball je erzielte. Nun steigen die Mainzer auf, nachdem sie nur selten in dieser Saison zu überzeugen wussten und vor vier Wochen bereits den Aufstiegskampf als Tabellenachter aufgegeben hatten. Mit 54 Punkten errangen sie wenige Punkte, als je ein Aufsteiger zuvor, seit es die Drei-Punkte-Regel gibt. Trainer Klopp fühlte sich in der Stunde seines größten Triumphs bestätigt: „Ich habe immer gesagt, dass der Fußballgott uns irgendwann belohnt, wenn wir es lang genug versuchen. Jetzt sind wir alle so unglaublich geil auf die Bundesliga.“ Dort will Mainz 05 eine Nische besetzen, die die Freudenhaus-Bewohner des FC St. Pauli nach ihrem Abstieg hinterlassen haben: Spaß und gute Laune wollen die 05er auf die Erstliga-Bühnen bringen. „Wir wurden lang als Karnevalsverein verspottet. Das werden wir in der Bundesliga in ein positives Image umdrehen! Karneval steht für Emotion, Gaudi und Spaß – also für all das, was wir in unserem Stadion bieten“, sagt 05-Präsident Harald Strutz.“

morgen mehr über den Mainzer Aufstieg

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnis, Tabellen, Torschützen NZZ

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