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Sozialromantik und der Triumpf eines Anti-Galaktischen

Oliver Fritsch | Mittwoch, 26. Mai 2004 Kommentare deaktiviert für Sozialromantik und der Triumpf eines Anti-Galaktischen

„das Duell versprüht Sozialromantik“ (NZZ); die Stars sind die Trainer Didier Deschamps und José Mourinho, „sie tragen die Hoffnungen der Romantiker auf den Rasen“ (BLZ); „Fernando Morientes, Triumph eines Anti-Galaktischen“ (FAZ) u.v.m.

Das Duell versprüht Sozialromantik

Die Fußball-Welt blickt heute in die Provinz, wo sich zwei Kleine um Großes streiten werden; Flurin Clalüna (NZZ 26.5.) berichtet: „Das Ruhrgebiet döst gemütlich vor sich hin, Fabrikschlote schicken helle Rauchwolken in den wolkenverhangenen Himmel, eine stillgelegte Fabrik rostet still – keine Hektik im Pott, das Klischee russiger Hände und schwarzer Gesichter scheint weit weg. Schon lange malochen die Arbeiter im Ballungszentrum zwischen Düsseldorf, Bochum und Dortmund nicht mehr ausschliesslich in den Minen. Über zwei Drittel der Arbeitnehmer finden ihr Auskommen im Dienstleistungssektor. Doch die Lunge des Ruhrpotts bleibt staubig, so muss es sein. Die einzige Betriebsamkeit geht von einer leichten Anhöhe aus. In edlem Königsblau schimmert die „Arena auf Schalke“. Das imposante Stadion öffnet gerade das Dach. Zuvor war der Rasenteppich zurück in die Arena bewegt worden; elf Millionen Kilo Erde, Gras und Beton sind maschinell in fünf Stunden aus dem Freien wieder zurück in die Arena verfrachtet worden – jetzt ist sie spielbereit. Das Gesicht des Monaco-Trainers Didier Deschamps spiegelt sich an der Medienkonferenz in der funkelnden Champions-League-Trophäe. Zusammen mit seinem portugiesischen Trainerkollegen José Mourinho hat er die Palastrevolution im europäischen Klubfussball angeführt (…) Das Duell versprüht Sozialromantik. Es schreibt die Geschichte vom Kampf gegen das scheinbar übermächtige Establishment fort. Auch deshalb passt das Endspiel hervorragend ins hemdsärmlige Ruhrgebiet, wo die beiden Teams nach Gold und Erfolg statt nach Kohle schürfen. Geld haben sie ja bereits genug gescheffelt: je 17 Millionen Franken; der Finalsieger erhält nochmals 10, der Verlierer 6 Millionen. Und wenn Mourinho dann auch noch davon spricht, dem „Fussball Tribut zollen“ zu wollen, fressen ihm die Ästheten sofort aus der Hand. Er werde seine Spieler nach dem Spiel umarmen, unabhängig davon, ob seine „Drachen“ siegen oder verlieren: Der Coach weiss, wie er die Herzen der Portistas rührt. Deschamps ist nüchterner. Er sieht ein taktisch geprägtes Spiel auf die rund 52 000 Zuschauer zukommen.“

Wo viel Geld ist, geht immer ein Gespenst um

Klaus Hoeltzenbein (SZ 26.5.) wusste immer mehr dank intensiver Internet-Recherche: „Sie hätten gewarnt sein können. Sie hätten nur im Internet die Suchmaschinen ein wenig länger beschäftigen müssen, dann wäre mehr heraus gekommen als die Anwendung der Banal-Theorie von der Macht des Kapitals. All jene, die heute Abend in London und Madrid, München und Manchester, Mailand und Turin vor dem Fernseher sitzen und sich beim Champions-League-Finale quälen, waren ja wohl schon zufrieden mit dem, was ihnen via Google als schnelle Rezeptur des Erfolges präsentiert wurde. Die Basis legte der Römer Cicero, 106 bis 43 v. Chr., der früh erkannte, wie die Abwehr auszuhebeln ist: „Keine Festung ist so stark, dass Geld sie nicht einnehmen kann.“ Man füge eine Prise Nietzsche dazu: „Geld ist das Brecheisen der Macht“, ehe man zum Kern der Sache gelangt: „Der beste Fußball wird da gespielt, wo das meiste Geld ist“, weissagte Otto Rehhagel. All diese Fremdenführer, besonders der letzte, haben eine Falle gestellt, und hinein gestolpert sind viele. Besonders jene, die aus fremden Wirtschaftsräumen kamen und ihre Brecheisen am Fußballtor ansetzten – Abramowitsch (Öl und FC Chelsea), Perez (Baugewerbe und Real) oder Berlusconi (Politik und Milan). AS Monaco gegen den FC Porto als Finale der besten Klubs Europas – so eine Partie klingt wie Hohngelächter am Ende der Saison. Und dies, obwohl zum Beispiel Präsident Perez von Real Madrid sich nur einmal unters Volk hätte mischen brauchen: Schon hätte das mit dem Finger auf seine synthetische Elf und deren Konstruktionsfehler gezeigt: Hola Chefe, versuch“s doch mal mit „ner Abwehr! Oder: Google einfach weiter – zu Theodor Fontane, der hundert Jahre vor Erfindung der Champions League wusste: „Wo viel Geld ist, geht immer ein Gespenst um.““

Donnerstagsfrage

Roland Zorn (FAZ 26.5.) schildert die Ambitionen und Referenzen der zwei Trainer: „Für José Mourinho ist es die „Donnerstagsfrage“. Eine, die er erst am Tag nach dem „wichtigsten Spiel meiner Karriere“ genauer beantworten will. „Meine Zukunft“, soviel verrät der Trainer des portugiesischen Fußballmeisters FC Porto schon, „kann vielleicht Chelsea heißen, aber im Moment verdient das Endspiel meine hundertprozentige Konzentration, und da muß ich mit gutem Beispiel vorangehen.“ Lässig und cool sitzt der erfolgreichste Quereinsteiger in die Gilde der Fußball-Lehrer am Dienstag mittag in dem Medienzelt zu Füßen der Arena „AufSchalke“, in der es an diesem Mittwoch zum Gipfel der Überraschungsaufsteiger kommt. Mourinhos Portuenser bekommen es dann mit AS Monaco zu tun. Das Team aus dem Fürstentum wird immerhin von einem veritablen Welt- und Europameister sowie zweimaligem Gewinner der Champions League trainiert: Didier Deschamps, der als Kapitän der französischen Nationalmannschaft und als defensiver Mittelfeldstar von Olympique Marseille und Juventus Turin das Gefühl kennengelernt und ausgekostet hat, nach einer langen Gratwanderung ganz oben anzukommen. Auch Deschamps wird dieser Tage bei den Neureichen aus London gehandelt, doch der 35 Jahre alte Baske will sich zu diesem Thema anders als sein sechs Jahre älterer portugiesischer Kollege vorerst gar nicht äußern. Sicher ist nur, daß beide heiß umbuhlte Shooting-Stars ihrer Szene sind. Deschamps, einst ausgebildet in der Fußballschule des FC Nantes, wirkt auch in Gelsenkirchen wie jemand, der den Fußball als Schule des Lebens begriffen hat.Mourinho dagegen mutet mal wie ein cooler PR-Profi in eigener Sache, mal wie ein missionarischer Prediger der Werte seines Spiels an. Dieser Mann aus Setúbal, der selbst nie in einer ersten Profiliga mitgespielt hat, 1992 als Dolmetscher des englischen Trainer-Sirs Bobby Robson Sporting Lissabon wertvolle Dienste leistete und sich en passant zu dessen Assistenztrainer hochdiente, formuliert Sätze wie Glaubensbekenntnisse und Werbebotschaften in eigener Sache wie weltgültige Weisheiten.“

Jean-Marie Lanoë (NZZ 25.5.) blickt auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des AS Monaco: „Nun, da die AS Monaco unter Anteilnahme von ganz Fussball-Frankreich in die Saison-Verlängerung namens Champions-League-Final geht, gerät die Aufregung zu Beginn des Championats in der Ligue 1 in Vergessenheit: Die stark verschuldeten Monegassen waren im letzten Spätsommer in den Augen einiger französischer Grossklubs vom Verband bei der Lizenzerteilung zu sanft angefasst worden. Dabei gehört ASM ja sozusagen zum Erbe des französischen Fussballs: zwischen 1960 und 2000 siebenmal Meister sowie fünfmal Cup-Sieger. Im Fürstentum sind zudem überragende Spielerpersönlichkeiten herangereift – von Michel Hidalgo, Jean Tigana, Thierry Henry bis Jérôme Rothen und in der Trainerabteilung Arsène Wenger. Kurzum: Die AS Monaco gehört zu den Monumenten des Fussballs auf dem Hexagon, und wird nun selbst von den kritischen Liga-Konkurrenten als beste Ambassadorin in Europas Schaufenster anerkannt. Diesen Stimmungswandel hat Monaco seinem Sturmlauf in der Meisterliga zu verdanken. Das Team von Didier Deschamps verriet im zweiten Jahr unter dem Trainer-Novizen bereits eine deutliche Handschrift. DD (Deschamps) hatte die schwarzen Schafe aussortiert und die richtige Mischung zwischen Alt und Jung gefunden. (…) Doch der Tanz auf mehreren Hochzeiten forderte in der Ligue 1 seinen Tribut – der Titelhalter aus Lyon und später auch das fulminant durchstartende Paris St-Germain machten den vermeintlich uneinholbaren zweistelligen Punkterückstand nach und nach wett. Schlimmer: Monaco wurde gar in den dritten Schlussrang zurückgedrängt und muss im Spätsommer durch die Mühlen der Champions-League-Qualifikation – es sei denn, die Monegassen gewinnen. Die Mannschaft, die in Gelsenkirchen auflaufen wird, kann also dem Klub aus dem Fürstentum ein grosses Geschenk bereiten. Ein Abschiedsgeschenk, denn die Equipe erfährt einschneidende Änderungen: Deschamps ist auf dem Sprung (zurück) nach Turin – die Verpflichtung durch seinen früheren Arbeitgeber Juventus dürfte am Donnerstag bekannt gegeben werden –, der Abgang eines namhaften Trios steht jetzt schon fest. Der Verkauf von Leistungsträgern wie Rothen, Giuly und Prso soll helfen, wenigstens einen Teil der horrenden Schuldenlast von geschätzten 50 bis 80 Millionen Euro zu tilgen. Die alte Aufregung von Saisonbeginn könnte also bald schon die neue sein. Als gekrönter Champion würde es sich damit wohl ein bisschen einfacher leben lassen.“

Die Attitüde der Primaballerina liegt ihm nicht

Richard Leipold (FAZ 26.5.) porträtiert Fernando Morientes: “Obwohl die Abschiebung in den mondänen Fürstenstaat Morientes vorgekommen sein muß wie eine Schmach, wie eine Vertreibung, hat der Fußball ihm auch vor seiner sportlichen Wiedergeburt viel gegeben. Die Madrilenen hätten wissen müssen, wen sie davonjagten. Zwischen 1998 und 2002 hatte der spanische Nationalstürmer mit Real alle zwei Jahre die Champions League gewonnen. Sollte es ihm an diesem Mittwoch abermals gelingen, wäre er der erste Profi, der die moderne Version der früheren Meisterklasse viermal gewonnen hat. Trotz seiner Meriten hat Morientes nicht den Star herausgekehrt. „Er ist demütig und bescheiden bei uns eingestiegen“, sagt Didier Deschamps, der Trainer des AS Monaco. Es wirkt wie Ironie des Schicksals, daß der Ausgemusterte den Unterschied ausgemacht hat zu den vermeintlich Großen – zu Real und auch zum neureichen Fußballkrösus Chelsea London, der im Halbfinale scheiterte, weil Morientes im Rückspiel das 2:2 erzielte. „Ohne ihn wären wir nicht im Finale“, sagt Deschamps, „er hat die entscheidenden Tore erzielt.“ Der Aufsteiger unter den europäischen Spitzentrainern hat dem Wiederaufsteiger unter den Spitzenstürmern das gegeben, was Morientes am meisten braucht: Vertrauen. Diese Art der Unterstützung verarbeitet er zu Selbstvertrauen. So war es schon am Anfang seiner internationalen Karriere im eigenen Land gewesen. Als junger Spieler aus Saragossa gekommen, galt er 1997 in Madrid zunächst nur als Stürmer Nummer vier. Doch der damalige Real-Trainer Jupp Heynckes lernte die Vorzüge des „dynamischen, kopfballstarken Stürmers mit dem Supercharakter“ rasch zu schätzen. „Er hat bei mir fast immer gespielt.“ Sogar nach längerer Verletzungspause im Finale gegen Juventus Turin. Dafür ist Morientes dem deutschen Trainer immer noch dankbar. „Er hat mir so sehr vertraut, daß er mich angeschlagen im Champions-League-Finale spielen ließ. Das war sehr wichtig für mich.“ Sechs Jahre später sieht Heynckes in Morientes „den Prototyp des modernen Fußballspielers, der körperlich robust ist, aber nicht plump; der Situationen antizipiert und der auch mal aus dem Nichts ein Tor macht“. Das Wichtigste aber sei die menschliche Seite des Fernando Morientes. „Er ist immer natürlich geblieben und steht dem Klamauk mit großer Distanz gegenüber.“ Vielleicht hat ihn diese – nicht nur für Heynckes – „sympathische Art“ den Stammplatz bei Real Madrid gekostet. Die Attitüde der Primaballerina liegt ihm nicht. Morientes ist kein „Galaktischer“ wie Beckham, Ronaldo, Figo oder Zidane. Aber gerade weil er nicht dabei war, gehört er nach dem Absturz der Madrilenen zu den Gewinnern der Saison. In Gelsenkirchen winkt sogar der Hauptgewinn.“

Michael Ashelm (FAS 23.5.) stellt fest: „Monaco ist nicht Frankreich. Zu Beginn dieser Fußballsaison hatte Didier Deschamps in einem Interview festgestellt, daß es für ein französisches Team derzeit eigentlich unmöglich sei, die Champions League zu gewinnen. Als man den 35 Jahre alten Trainer der AS Monaco nun letztens an seinen Satz aus dem vergangenen Jahr erinnerte, begann er breit zu grinsen und antwortete keck: „Eigentlich!“ So schlagfertig Deschamps derzeit mit seinem Erfolg umgeht, so spielerisch haben sich seine Spieler in die Höhen des europäischen Fußballs katapultiert. Seit die Elf aus dem Fürstentum Knall auf Fall die große internationale Bühne betreten hat, muten die Schwergewichte der Branche noch träger und unbeweglicher an.“

Als Spieler war Deschamps halb Trainer, als Trainer ist er halb Spieler, meint Ralf Itzel (taz 26.5.): “Im preisgekrönten Dokumentarfilm „Mit den Augen bei den Blauen“, der intime Einblicke in Frankreichs Weltmeister-Mannschaft von 1998 gewährt, ist Didier Descamps als künftiger Trainer zu erkennen. In der Halbzeit der WM-Partien ergreift der Kapitän das Wort und gibt Anweisungen, ohne dass sich Coach Aimé Jacquet auch nur im Geringsten daran stören würde. „Immer einer vor den Ball, wenn es Freistoß gegen uns gibt“, ruft Deschamps und fordert mehr Aggressivität: „Wir müssen beißen wie Wölfe.“ Stürmer Trezeguet soll auch mal selbst zum Abschluss kommen, rät Deschamps: „Pässe sind schön und gut, aber schieß mal!“ Selbst Zinedine Zidane kriegt ein paar Tipps zugeflüstert. Sechs Jahre später hat sich nicht viel geändert, nur dass der Baske seine Spieler nicht mehr in kurzen Hosen anstachelt, sondern gut gekleidet im edlen, schwarzen Ledermantel. „Man merkt, dass er erst vor kurzem den aktiven Fußball aufgegeben hat“, sagt Stürmer Fernando Morientes über seinen 35 Jahre alten Chef beim AS Monaco, „er ist so eng bei dem Team, dass man oft das Gefühl hat, er sei gar nicht der Trainer. In meiner Zeit bei Real Madrid waren Mannschaft und Coach zwei paar Stiefel. Hier ist Didier Deschamps einer von uns.“ Das Champions-League-Finale am Mittwoch in Gelsenkirchen ist ihr gemeinsames Abenteuer. Wenn es die Elf aus dem Fürstentum überraschend so weit geschafft hat, dann nicht zuletzt deswegen, weil der Coach es verstand, den überwiegend jungen Spielern seine Charakterstärke, seinen Siegeswillen und Eroberungsgeist einzupflanzen. Kein Team meisterte in dieser Europasaison so viele missliche Situationen wie das aus Monaco. Im Viertel- und Halbfinale schien gegen Real Madrid und Chelsea London alles verloren, doch mit enormem Willen und furiosem Fußball entschieden die Rot-Weißen jedes Mal das Armdrücken mit dem Schicksal für sich. So haben sie die Herzen der Fans in Europa erobert und tragen die Hoffnungen der Romantiker auf den Rasen der Arena AufSchalke, wo es gegen die kalte Siegesmaschine des FC Porto geht, programmiert von José Mourinho, ebenfalls ein Vertreter der aufstrebenden jungen Trainergilde, die dabei ist, die alte um Hitzfeld, Ferguson oder Lippi zu beerben. Während sich der Portugiese Mourinho seine Kenntnisse nach einer kurzen, bescheidenen Profikarriere von der Seitenlinie aus und aus Büchern erwarb, hielt sich Deschamps an die Methode Learning by doing.“

Ronald Reng (FR 26.5.) befasst sich mit den beiden Stars des FC Porto: “Vorne, von der Mittellinie an bis in den gegnerischen Strafraum hinein, ist er frei. Wenn der FC Porto angreift, gelten für ihn keine Anweisungen mehr, keine Vorschriften des Trainers. Die Mitspieler müssen auch dann noch Positionen einhalten, vorgegebene Wege laufen, bloß er nicht; er folgt dann allein seiner Intuition. Er verfügt über das einzige Stück Freiheit im Spiel des FC Porto. Dieses Recht, das Portos Spielmacher Anderson de Sousa – Künstlername Deco – bei Angriffen besitzt, ist die größte Anerkennung, die ein Fußballprofi unter Trainer José Mourinho erhalten kann. Die Taktik ist der Star in dem Team, das diese Champions-League-Saison als krasser Außenseiter begann und vor dem Finale gegen AS Monaco Favorit ist. Mourinho will im Grunde am liebsten alles einstudieren. Dass dieser Trainer im Angriff Deco sich selbst und seinen Ideen überlässt, ist eine Verneigung vor dessen Klasse – und der Beweis, dass der Spielmacher, diese mythische Figur, die mit ihren Eingebungen Spiele auf den Kopf stellen kann, anders als der Libero nie ausstirbt. Sechs Tore hat Deco in diesem Europacupjahr mit seinen Pässen vorbereitet, eine bessere Bilanz hat keiner. „Wenn es düster um dich wird“, sagt Mourinho in dem ihm eigenen Pathos, „erscheinen die, die das Risiko tragen: Deco ist das lebende Abbild von Courage.“ Deco ist in einem Team, das so sehr von der mannschaftlichen Zusammenarbeit lebt, der eine Spieler, der herausragt. Schon deshalb wird der FC Porto als Kuriosum in Erinnerung bleiben: eine unglaublich erfolgreiche Elf, die vergangene Saison den Uefa-Cup, die portugiesische Liga und den nationalen Pokal gewann, dieses Jahr bereits wieder Landesmeister wurde – nach deren Spielern aber trotzdem kein anderer Spitzenverein schreit.“

Georg Bucher (NZZ 25.5.) fügt hinzu: „Die 41 000 Mal verkaufte Biografie José Mourinhos wird zurzeit von einem mit dem Erfolgstrainer befreundeten Radiojournalisten aktualisiert und Ende Juni in die Läden kommen. Offen ist noch das letzte Kapitel. Der 41-jährige Setubalense Mourinho stand im Ruf der Unfehlbarkeit, hatte zwei Jahre lang alles gewonnen, was es zu gewinnen gab: das Meisterschafts-Double, die Taça de Portugal und den Uefa-Cup. Doch vor gut einer Woche, am 16. Mai, riss im Lissabonner „Jamor“ die Serie. Porto war im Cup überlegen, Deco wie so oft überragend, doch Benfica stand mit Fortuna im Bunde und sicherte sich nach Verlängerung den Cup. Mourinho kochte vor Wut, suchte die Schuld beim Fifa-Referee Lucilio Baptista und handelte sich das Image eines schlechten Verlierers ein. Ob der Auftritt im Nationalstadion ein Ausrutscher oder Symptom des Abschwungs war, darüber wird in den Medien nun gestritten. Hiess es früher, Porto wachse unter Druck, sei an grossen Anlässen mental stärker, taktisch disziplinierter und mannschaftlich geschlossener als im Fussballalltag, überhaupt ein Gegenmodell zum nationalen Mittelmass und Masochismus, so befürchtet man jetzt, dass die Titelfeiern der Konzentration abträglich waren. Zuversicht strahlen dagegen die „Heroen von Wien“ aus. Weil Portugal am Samstag vor allem die Hochzeit des spanischen Thronfolgers interessierte und die TV-Sender viele Mitarbeiter nach Madrid entsandten, wurde ihr nostalgisches Treffen in einem Restaurant am Douro-Ufer nur marginal wahrgenommen. 1987 hatten Gomes, Inácio, Sousa, Magalhães usw. im Prater-Stadion Bayern München geschlagen und sich nachträglich die Einladung als Ehrengäste nach Gelsenkirchen verdient. Damals waren sie Outsider wie ihre Nachfolger in den Spielen gegen Manchester United und Deportivo La Coruña. Von der internationalen Kritik in höchsten Tönen als komplette und aussergewöhnlich sichere Mannschaft gelobt, ist Porto zum Modeklub mutiert und in die Rolle des Favoriten gedrängt worden.“

Bedeutende Innenverteidiger sind ein Markenzeichen des FC Porto

Thomas Klemm (FAS 23.5.) stellt fest: „Porto ist nicht Portugal. Überraschend kam die Auszeichnung für Ricardo Carvalho in der letzten Woche nicht. Zwar war der Fünfundzwanzigjährige erst die dritte Defensivkraft unter den 14 Fußballprofis, die bisher zum besten Erstligaspieler Portugals gekürt wurden; doch daß der Verteidiger des FC Porto bei der jüngsten Wahl sämtliche lusitanische Ballkünstler hinter sich gelassen hat, ist angesichts der traditionellen Stärke und der aktuell erfolgreichen Spielweise der Nordportugiesen nur folgerichtig. Das Land mag viele Kreative wie Figo, Rui Costa und Co. hervorgebracht haben, beim dreißigmaligen Meister haben andere Typen Schule gemacht. „Bedeutende Innenverteidiger sind ein Markenzeichen des FC Porto“, sagt Ricardo Carvalho. Zwei von den Legenden der Liga, die früher beinharten Innenverteidiger Aloiso und Baltemar Brito, gehören heute zum Stab von Trainer Jose Mourinho. Mit seiner dicht gestaffelten Deckung, mit aggressivem Pressing und einer Zermürbungstaktik hat der portugiesische Meister nicht nur die nationale Liga dominiert und in 34 Spieltagen lediglich 19 Gegentore hinnehmen müssen, sondern auf dem Weg ins Endspiel auch renommierte Teams entnervt.“

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