indirekter freistoss

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Ballschrank

Cidre- und bierselige Elsässer

Oliver Fritsch | Donnerstag, 27. Mai 2004 Kommentare deaktiviert für Cidre- und bierselige Elsässer

Jens Kroh, assoziiertes Mitglied des indirekten freistosses, berichtet sein Erlebnis in der ArenaAufSchalke: „Kaum am festlich dekorierten Austragungsort des Champions-League-Finals eingetroffen, der Arena of Champions, nimmt die Zahl blauweiß und rotweiß gekleideter Anhänger der im Endspiel um die höchste europäische Fußballkrone vertretenen Teams zu. Gestört wird das Bild des internationalen Fußballfests durch stolze Schalker, die nicht auf ihr gewohntes Trikot zu verzichten bereit sind. Vorab sei jedoch klar gestellt, dass Yyyves-Sprechchöre während des Spiels nicht zu hören sein werden. Ins wache Auge fällt kurz darauf eine kaum erwartete Fan-Freundschaft zwischen den Anhängern von Monaco und Racing Strasbourg. Hat der monegassische Klub kurz vor dem Finale eine Initiative gestartet, um sein Eintrittskarten-Kontingent auszuschöpfen? Merkwürdig mutet die Einigkeit von aristokratischen Supporteurs des AS mit den cidre- und bierseligen Elsässern an. Doch auch in hiesigen Gefilden mag die eine oder andere Kooperation, wie etwa die der Bochumer und der Bayern, aus der puren Not und dem Mangel an Alternativen geboren zu sein. Im Verlauf des Abends sollen jedoch weitere Vorurteile und Stereotypen Lügen gestraft werden. Im Gedränge vor den Stadiontoren wird von französischer Seite das Organisationschaos und die unzureichende Parkplatzsituation beklagt. Aus Downtown Monte Carlo scheinen diese monegassischen Anhänger nicht zu kommen. Ansonsten wäre ein wenig mehr Gewöhnung an die mediterrane Gepflogenheit der Parkplatzsuche zu vermuten gewesen. Auch rund um die Verpflegungsstellen – in der Mundart des Ruhrgebietes als ‚Snack Point’ bezeichnet – ein verblüffendes Bild: Nicht das von Schalke-Manager Rudi Assauer beworbene Veltins wird serviert. Amstel, das Gebräu des Kooperationspartners der Uefa, fließt durch die Zapfhähne. Dafür aber garantiert alkoholfrei! Die Eröffnungsshow mit viel Getrommel und Kompositionen, die Carl Orff zugerechnet werden könnten, folgt faschistoider Ästhetik: Athletische junge Männer rennen mit Fahnen der in der diesjährigen Champions-League-Saison vertretenen Clubs die Seitenlinie entlang, während zentral in der Mitte des Platzes das Objekt der Gier präsentiert wird: die Champions-League-Trophäe. Den neben mir platzierten, aus Israel angereisten, Anhänger des AS, scheint es nicht zu stören. Der Kurier mit dem Emblem des Rekord-Vizemeisters aus München, vielleicht abgelenkt vom Glanze dieses Moments, verliert kurz das Gleichgewicht und fällt samt Flagge auf kühlen Gelsenkirchener Boden. À propos FC Bayern, der heftig umworbene portugiesische Nationalspieler Deco, als Man of the Match ausgezeichnet, bewegt sich auf dem Platz meist in lockerem Trab. Defensivarbeit samt gepflegter Grätsche scheint nicht sein Metier zu sein; großzügig überlässt er sie seinen Mitspielern. In der Kreisliga A nennt man solche Spieler schon mal ‚Stehgeiger’. Insofern wäre er ein mehr als adäquater Ersatz für den wohl scheidenden Michael Ballack… Nach der Übergabe des Champions-League-Pokals rollen auch die Sportkameraden aus Berlin das mit Abstand eindringlichste Fan-Transparent des Abends zusammen: www.bluten-fuer-union.de heißt ihr Aufruf zur Rettung höherklassigen Fußballs an der Alten Försterei. Auch sie werden sich fragen, wie es nächstes Jahr weitergeht mit des Europäers liebstem Kind.

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