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Deutschland – Malta 7:0

Oliver Fritsch | Samstag, 29. Mai 2004 Kommentare deaktiviert für Deutschland – Malta 7:0

Balsam für Ballacks geschundene Fußballseele

Thomas Klemm (FAZ 29.5.) beschreibt die Therapie für Michael Ballack: „Gerade einmal 73 Sekunden waren vergangen, als ein zweites Spiel begann. Alle für einen, so hieß der Wettbewerb, und er fing an mit einer Flanke auf jenen Mann, der gesucht wurde wie kaum ein zweiter, der sich einmischte wie kein anderer, der die Freiheiten nutzte, die ihm seine Mitspieler boten und seine Gegenspieler gestatteten. Die erste Vorarbeit seiner Kollegen setzte Michael Ballack mit dem Kopf noch neben das Tor, doch sollte dies sein einziger Versuch bleiben, der im Freiburger Dreisamstadion nicht von Erfolg gekrönt war. Nach neunzig Minuten hatte der Mittelfeldspieler vier Treffer erzielt, so viele wie in keinem anderen Spiel zuvor in seiner Profikarriere, mehr, als dem früheren Weltklassestürmer Rudi Völler jemals in einem Ländervergleich gelungen waren. „Ihm wurde es leichtgemacht“, sagte der Teamchef, „aber an der Art, wie er die Tore erzielt hat, sah man seine gehobene Klasse.“ Worte, die wie jeder einzelne seiner vier Treffer Balsam waren für Ballacks geschundene Fußballseele. Für ihn sei es wichtig, „daß jeder einzelne mehr Selbstvertrauen hat“, sagte der Mittelfeldspieler selbst und meinte damit fraglos sein eigenes Empfinden. Die Voraussetzungen für ein Torschützenfest nach Münchner Art waren alles andere als gut. Schier erdrückt von den hohen Erwartungen beim FC Bayern und dem fehlenden Rückhalt der Vereinsführung, konnte Ballack in dieser Saison kaum eine seiner Stärken ausspielen, qualifizierte sich mit dem deutschen Rekordmeister vor einer Woche mit Mühe und Not direkt für die Champions League und hatte es mit seinem Klubkollegen Oliver Kahn eilig, am Dienstag als erster im Mannschaftsquartier der DFB-Auswahl in Winden einzutreffen. Die Kritik an seinen angeblich eingeschränkten Führungsfähigkeiten – „teilweise berechtigt, teilweise übertrieben“, wie Ballack findet – schien ihn im Innern zu belasten.“

Philipp Selldorf (SZ 29.5.) fügt hinzu: „Michael Ballack Energieausbruch hatte alle Besucher des Dreisamstadions schwer beeindruckt. Es hat in der Ära Völler schon andere Kantersiege gegeben, aber noch nie vier Tore eines Mittelfeldspielers, in der gesamten Nachkriegsgeschichte ist das noch nicht vorgekommen. Auch in dieser Beziehung meldete Völler Beruhigendes: „Dieses Spiel hat genau den Zweck erfüllt, den ich mir erhofft hatte.“ Michael Ballack hatte die Gelegenheit genutzt, sein Selbstvertrauen zu stärken und sich imponierend zu revanchieren für ein paar Kränkungen, die er in den letzten Monaten beim FC Bayern erfahren hat. Im Testspiel gegen den Fußball-Kleinstaat Malta ist der Münchner so viel und so schnell gelaufen, als ginge es um den größten und herrlichsten Pokal der Welt. Hätte Völler den Versuch unternommen, den Mann mit der Nummer 13 schonungshalber vom Platz zu nehmen, hätte er Ballack vermutlich durch die Polizei abführen lassen müssen. Völler war jedoch so klug, ihm keine Minute Spielzeit wegzunehmen, und Ballack schoss bis zur letzten Sekunde der Partie aus allen Lagen und Entfernungen aufs Tor, er grätschte jedem noch so unbedeutenden Ball hinterher und brachte sich pausenlos in Stellung für den nächsten Versuch. In den Wohnzimmern von Ottobrunn (im Hause Uli Hoeneß) und Grünwald (im Hause Karl-Heinz Rummenigge) dürfte großes Erstaunen geherrscht haben. Günter Netzer trat im Fernsehen bereits schwärmend den Rückzug aus seiner Kritikerloge an, aus der er notorisch schlechte Noten für Ballack zu verteilen pflegte. Vielleicht ist sogar ein wenig Besinnung eingekehrt bei den Chefs des FC Bayern, nachdem sie erkannt haben, woran es auch gelegen hat, dass Ballack in München eine insgesamt enttäuschende Saison gespielt hat. „Das hängt mit dem Umfeld zusammen“, erläuterte Rudi Völler.“

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