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Absurdes Maß an Disziplin und Unterordnung

Oliver Fritsch | Dienstag, 29. Juni 2004 Kommentare deaktiviert für Absurdes Maß an Disziplin und Unterordnung

Schalke 04 zieht Bilanz, die SZ hört genau zu – Felix Magaths Einstand in Müchen u.v.m.

Bilanzartistik

Wenn Schalke 04 Geschäftszahlen vorlegt, hört die SZ (29.6.) genau zu und sieht genau hin: „Nur mit einem raffinierten Trick konnte der Fußball-Bundesligist seine Bilanz, die Grundlage für die Lizenzerteilung bei der DFL ist, einigermaßen ausgeglichen gestalten. Zur Bilanzaufhübschung diente den Schalkern das abgetakelte Parkstadion. Zum symbolischen Preis von einem Euro hatte die Stadt Gelsenkirchen dem Verein 2003 die ausrangierte Spielstätte verkauft. „Da hat uns die Stadt mal was zukommen lassen“, sagt Schalkes Finanzvorstand Josef Schnusenberg. Die Schalker ließen das Grundstück mit der Stadionruine im Dezember von einem Bochumer Gutachter bewerten. Der taxierte das Areal, auf dem irgendwann einmal zwei Fußballplätze entstehen sollen, als wertvolles Bauerwartungsland mit 15,6 Millionen Euro. Diese Summe ging als Kapital in die neugegründete „Schalke Parkstadion GmbH & Co. KG“ ein – und damit als „außerordentlicher Ertrag“ in die Jahresbilanz des FC Schalke 04. Nur mit diesem windigen Papiergeschäft konnte der Revier-Klub seinen Jahresverlust von knapp 19 Millionen Euro auf 4,1 Millionen Euro verringern. Die Stadt Gelsenkirchen hingegen hatte bei der Veräußerung des Parkstadions lediglich einen Grundstückswert von einer Million Euro errechnet. Genauso hoch sind die geschätzten Abrisskosten, die Schalke 04 mit dem Deal übernommen hat. Aus diesem Nullsummenspiel machte der Verein in seiner Bilanz für 2003 eine satte Einnahme und konnte so seine dramatische Überschuldung von 17,4 Millionen Euro kaschieren und auf 1,8 Millionen Euro drücken. Für Joachim Gassen, Dozent am „Lehrstuhl für internationale Unternehmensrechnung“ der Uni Bochum, sind diese Tricksereien „ein ökonomisches Nullsummenspiel“. Es diene „nur zur besseren bilanziellen Darstellung des Vereins“. Selbst Aufsichtsräte des FC Schalke 04 sprechen von „Bilanzartistik“. Angesichts eines solchen finanziellen Drahtseilakts ist das Team des Bundesligisten in der neuen Saison zum Erfolg verurteilt. „Wenn wir mit dem Spielbetrieb Verluste machen, dann kriegen wir ein Bilanz- und Liquiditätsproblem“, räumt Finanzvorstand Schnusenberg ein. Falls die Mannschaft ähnlich mittelmäßig agiert wie in der vergangenen Saison, droht dem Klub ein finanzielles Desaster.“

Magath vermied die Attitüde des kühlen Starcoaches

Felix Magath beginnt seine Arbeit in München, Josef Kelnberger (SZ 29.6.) berichtet: „„Ich will Meistertrainer werden.“ Das ist eine Aussage von bemerkenswerter Offenheit. Magath vermied die Attitüde des kühlen Starcoaches, der alles schon gesehen und erlebt hat. Die Gelassenheit von Ottmar Hitzfeld im Umgang mit den vielen Expertenstimmen im eigenen Lager, von Beckenbauer bis Hoeneß, will er sich zum Vorbild nehmen. Gerne räumte er ein, dass er bislang weder Kabinen und Trainingsplätze noch Spieler von dieser Qualität vorgesetzt bekam. „Ich freue mich, dass ich endlich einen Verein gefunden habe, der mir die Voraussetzungen bietet, um sagen zu können: Ich will Meister werden.“ Diese Offenheit will er, so scheint es, auch im Umgang mit den Spielern pflegen, schon um das Image des Schleifers zu widerlegen. Er maße sich nicht an, jemanden aus der Ferne zu beurteilen. Und dasselbe, sagte er, habe er auch den Spielern geraten. Sie sollen ihn erst kennen lernen, bevor sie sich ein Bild von ihm machen.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ 29.6.) ergänzt: „Magath schien der große Medienandrang an seinem ersten Arbeitstag nicht zu stören, obwohl er eine derartige Aufmerksamkeit bei seinen bisherigen Vereinen nicht gewohnt war. Die Fragestunde an der Säbener Straße schien ihm beinahe Spaß zu machen. Der 50 Jahre alte Franke erinnerte dabei ein bißchen an seinen Vorgänger Ottmar Hitzfeld, weil er ebenso geschickt alle brisanten Fragen umkurvte und sich nicht aus der Reserve locken ließ. Magath wählte nur andere Formulierungen als sein Vorgänger Ottmar Hitzfeld, aber herausgekommen ist genauso viel oder wenig. Für Magath ist der Wechsel vom VfB Stuttgart zum erfolgreichsten deutschen Fußballverein wie die Ankunft nach einer langen Reise. „Ich fühle mich hier zu Hause, weil der Klub die gleichen Ansprüche hat wie ich.“ Die Ansprüche sind, Titel zu gewinnen.“

Wie sollten wir den Nachwuchs fördern? Die taz (29.6.) weiß, wie es nicht geht: „Zwar tobt derzeit ein übler Scheinkampf um die Völler-Nachfolge, gleichzeitig heißt es aber inzwischen, deutscher Fußball sei nur von ganz unten zu heilen. Aber: Wo ist ganz unten, wenn man schon ganz unten ist? Richtig, des Rätsels Lösung lautet: Straßenfußball! Aber: „Wo sind unsere Straßenfußballer“, schreit man allerorten, ganz so, als wäre nichts einfacher, ein paar Wohngegenden der Republik zu autofreien Zonen zu erklären und nach einem Jahr die Talentspäher auszusenden ins Fußballland: „Melde mich hier aus Berlin-Kreuzberg. Ungeheuerlich, der kleine Peer hat einen gewaltigen Wumms, und Murat ist auch nicht schlecht, wir müssten ihn nur noch einbürgern …“ Warum eigentlich sollte man den armen Moppels den Spaß verderben, sie von der Straße holen und in einen Verein zwingen? Die Straßenfußballer meiner Nachbarschaft jedenfalls scheinen mir nicht versessen darauf, um Verkehrshütchen herumzudribbeln und Laufeinheiten zu absolvieren. Sie spielen zu fünft; ihr Ziel ist es, über drei Stationen auf ein Hoftor zu kicken. Das kann Stunden dauern. Wenn sie keine Lust mehr haben, stürzen sie sich auf ihre Fahrräder und jagen wohl hundertmal um den Block. Ein Leistungssportlerleben ist längst nicht so schön, wie ich als ehemalige Schwimmerin weiß. Noch heute bin ich meiner damaligen Freundin Kathrin dankbar dafür, dass sie sich eines Tages beschwerte: Vier wahrhaft ermüdende Trainingseinheiten in der Woche, am Wochenende meistens ein Wettkampf, in den Ferien Trainingslager – wann, wenn ich noch die Hausaufgaben erledigen wollte, war da Zeit für etwas anderes als diesen verdammten Sport? Die viel beschworene Jugendarbeit, aus der unsere zukünftigen Spitzen- und Nationalspieler hervorgehen sollen, erfordert ein absurdes Maß an Disziplin und Unterordnung; einen durchstrukturierten Alltag, der mit normaler Kindheit und Adoleszenz nichts zu tun hat.“

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