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Frontkräfte im Hochdruckbetrieb Bundesliga

Oliver Fritsch | Montag, 30. August 2004 Kommentare deaktiviert für Frontkräfte im Hochdruckbetrieb Bundesliga

Kommentare zum 3. Spieltag: „bayerischer Reformstau“ (FAZ) / „Ferrari mit Zweitaktmotor“ (FR) / „der Münchner Boulevard wetzt bereits die Messer“ (NZZ) – „Fußballtrainer sind längst azyklisch funktionierende Frontkräfte im Hochdruckbetrieb Bundesliga“ (SZ) u.v.m.

„Bayerischen Reformstau“, diagnostiziert Michael Horeni (FAZ 30.8.): “Schon nach dem dritten Auftritt im Alltag ist die erste Krise da – und mit ihr die alten sportlichen Krisensymptome. Das 1:4 förderte in erschreckender Weise die Defizite des scheinbar runderneuerten Bayern-Jahrgangs 2004 zutage. Die Mängelliste, vom FC Bayern nach der Demontage selbst erstellt, umfaßte so ziemlich das gesamte Repertoire der Fußballfähigkeit. Michael Ballack beklagte fehlende Spritzigkeit und Zweikampfstärke sowie indirekt bayrische Arroganz und Lässigkeit: „Wir haben uns nochmals verstärkt. Aber einige vertrauen zu sehr den Namen.“ (…) Reformen im Alltag durchzusetzen ist offenbar auch unter Millionären, die sich in ihrer Welt eingerichtet haben, eine komplizierte Angelegenheit. Abwarten, quer spielen, auf Fehler warten. So könne man Fußball spielen, sagte Magath. Er will anderen Fußball spielen lassen. Aber die Spieler hätten Schwierigkeiten, ihn zu verstehen, sagte er schon vor dem Duell mit Bayer. Die alten Muster eben. „Ich als Trainer wollte die Sache offensiv angehen. Ich muß jetzt aber darüber nachdenken, ob die Mannschaft dazu schon in der Lage ist“, sagte Magath, dessen Philosophie in Stuttgart von den jungen Talenten schnell verstanden wurde – und jetzt auch ohne ihn umgesetzt wird. Das mag für den Fußballfreund Magath ein Trost sein, für den Fußball-Lehrer Magath macht es die Saison noch ein bißchen schwieriger.“

Ferrari mit Zweitaktmotor

Jörg Hanau (FR 30.8.) ergänzt: „Die Bayern wirken im Spätsommer so unbeweglich und lustlos, als hätten sie die vergangenen drei Jahre ohne Unterlass durchgespielt. Dabei sind gerade erst drei Spieltage rum und die Bilanz ernüchternd. 26 Millionen Euro haben die Münchner in neue Beine investiert, darüber hinaus einen neuen Trainer verpflichtet und die Mannschaft in goldene Trikots gesteckt. Dabei heraus gekommen ist ein Ferrari mit Zweitaktmotor. Sieht schön aus, kommt aber nicht vom Fleck.“

Der Münchner Boulevard wetzt bereits die Messer

Was sagt Magath, Marko Schumacher (NZZaS 29.8.)? „Es gibt so manches, was sich Felix Magath von dem legendären Ernst Happel abgeschaut hat. Eine der Gemeinsamkeiten ist diese stoische Art, dieser fast gleichgültige Gesichtsausdruck, der nicht erahnen lässt, wie es hinter der Fassade aussieht. Auch der Tonfall, mit dem Magath auf Reporterfragen antwortet, ist stets derselbe – ob nun ein triumphaler Sieg hinter ihm liegt oder eine vernichtende Niederlage. Also analysierte der Trainer des FC Bayern auch das Spiel am Samstag mit ruhiger, nüchterner Stimme und kam zu dem verblüffenden Fazit: „Aus meiner Sicht haben wir uns auch in diesem Spiel weiterentwickelt.“ Es steht zu vermuten, dass der Unterschied zwischen Gedachtem und Gesagtem grösser kaum sein könnte. Nach einer desolaten Vorstellung unterlagen die Bayern 1:4. Der Rekordmeister bot dabei eine Leistung, die Magath Anlass zu allergrössten Sorgen Anlass geben dürfte. (…) Schon nach drei Spieltagen wird somit Magath, der im Sommer Ottmar Hitzfeld abgelöst hatte, heftiger Gegenwind ins Gesicht blasen. Alles sollte besser werden, und nun stehen erst vier Punkte auf der Habenseite. Der Münchner Boulevard, im Umgang mit erfolglosen Bayern-Trainern nicht eben zimperlich, wetzt bereits die Messer.“

Im Misserfolg ist sich jeder selbst der nächste

Andreas Burkert (SZ 30.8.) analysiert Trainer-Kommunikation: “Fußballtrainer sind längst azyklisch funktionierende Frontkräfte im Hochdruckbetrieb Bundesliga. Sie loben, wenn so ziemlich gar nichts funktioniert hat, und sie tadeln, wenn sehr lässig drei Punkte gewonnen wurden. Auch Jupp Heynckes trug nach der Pleite gegen die vermutlich originalen Goldjungs aus Rostock einen hochroten Kopf, der bei ihm als sicherer Hinweis auf einen internen Tobsuchtsanfall gilt. Doch öffentlich sprach er ruhig und milde. Erfahrene Trainer wie Heynckes oder Magath wissen eben, wie abhängig sie vom ihnen unterstellten Kollektiv sind. Und wie flugs und heftig sich die negative Energie verbaler Demontagen gegen den Absender richten kann, hat zuletzt der wenig sensible Kritiker Klaus Toppmöller beim HSV erfahren. In Schalke und München werden sie also noch ein Weilchen zusammenhalten – es sei denn, der Trend hielte an. Denn im Misserfolg ist sich jeder selbst der nächste, auch das ist gängiger Ritus in der Bundesliga.“

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