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Ball und Buchstabe

Nimm einen Drink!

Oliver Fritsch | Mittwoch, 22. September 2004 Kommentare deaktiviert für Nimm einen Drink!

Das Streiflicht (SZ 22.9.) hat immer Trost parat: „Paul Gascoigne gilt als hammerharter Hund, der Hotelzimmer verwüstet, unanständige Dinge tut, die selbst im modernen Theater ein Wagnis wären, und unter der Schädeldecke einen seltsamen Gast beherbergt: „In meinem Kopf sitzt ein kleiner Mann, und der sagt zu mir: Nimm einen Drink.“ Gascoigne lässt sich das nicht zweimal sagen, er hat in Wahrheit ein weiches, zur Sanftmut neigendes Gemüt, wie alle echten Männer. Am deutlichsten wurde dies am 4. Juli 1990, als England beim WM-Halbfinale in Turin auf Deutschland traf: Gascoigne erhielt die gelbe Karte, die zweite im Turnier, das bedeutet eine Sperre. Im Endspiel, das war klar, würde er nicht dabei sein. Niemand hätte sich gewundert, wenn Gascoigne alles kurz und klein geschlagen hätte, so als wäre er im Hotel und nicht auf dem Fußballplatz. Aber von wegen! Der Mann fing an zu weinen. Heulte Rotz und Wasser. Und wer genau aufpasste, hörte ihn Rilke zitieren: „Tränen, Tränen, die aus mir brechen, / Mein Tod, Mohr, Träger / meines Herzens, halte mich schräger, / dass sie abfließen.“ (…) Es ist höchste Zeit, das Fußballfeld als eines der letzten Refugien der Empfindsamkeit wahrzunehmen. Der Fußballspieler, oft verschrien als Klopper und Rumpelfüßler, ist in Wirklichkeit ein sensibles, zart besaitetes Wesen.“

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