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Bundesliga

Er sollte dem HSV das Verstaubte nehmen und für ein bißchen Zirkus sorgen

Oliver Fritsch | Montag, 27. September 2004 Kommentare deaktiviert für Er sollte dem HSV das Verstaubte nehmen und für ein bißchen Zirkus sorgen

Passt Klaus Toppmöller nach Hamburg, Frank Heike (FAS 26.9.)? „Selbst von seiten des ewigen Optimisten Toppmöller kommen Zeichen der Resignation. „Ich wurde hier nie so geliebt“, sagt er, „ich wurde bislang überall, wo ich gearbeitet habe, enthusiastisch für meinen dauernden Einsatz gefeiert. Nur hier nicht.“ Schon die Begleitumstände seines Starts in Hamburg seien mehr als störend gewesen. Toppmöller spürt, daß er nicht herpaßt. Es hat zuletzt wieder viel Futter für die Vertreter der Mißverständnis-Theorie gegeben: Der Moselaner, der für ungezähmten Fußball steht, und der HSV, dieser alte, von einem modernen, manchmal kalten Vorstand ganz auf effektiv und gewinnorientiert gebürstete Verein, das könne einfach nicht passen. Aber hätte es nicht doch funktionieren können, der Bauch von „Toppi“ und die Köpfe des Vorstands? Die Hoffnung auf diese Mischung war es ja, die Bernd Hoffmann, Dietmar Beiersdorfer und die Vorsitzende Katja Kraus damals dazu brachte, Toppmöller zu holen. Er sollte dem HSV das Verstaubte nehmen und für ein bißchen Zirkus sorgen. Inzwischen haben ihn viele als Vielredner entlarvt, der heute dies, morgen das sagt. Den versprochenen Offensivfußball hat es nie gegeben. Auch die Mannschaft ist längst gespalten in Befürworter und Ablehner. (…) In Hamburg ist jede Geschichte über den HSV eine Seite groß und meistens viel größer als die Wahrheit. Aus den Untiefen des Aufsichtsrates sickert immer wieder dies und das an ausgewählte Reporter durch. Die Journalisten, gerade die des Springer-Verlages, sind hier Akteure auf demselben Feld wie Toppmöller.“

Katrin Weber-Klüver (FTD 27.9.) gibt ihrem Hang nach, alles vorher gewusst haben zu wollen: „Jüngst lassen sich auffällig viele Trainer auf Jobs ein, die ihnen nach ungefähr vier Arbeitstagen schon nicht mehr geheuer sind. Dann sind sie überrascht von Fans, die den Vorgänger lieben. Oder von Spielern, die nicht das Niveau des FC Barcelona erreichen. Fragt sich nur, was Jara und Toppmöller und Völler vor ihren Verpflichtungen eigentlich getrieben haben. Jedenfalls nicht Spiele geguckt oder sachdienliche Vorgespräche geführt. Das Prinzip Hoffnung herrscht auch andersherum. Vereine stellen Trainer ein, die dann – Überraschung! – so arbeiten wie immer. Rudi Assauer hatte vermutlich nie etwas von Heynckescher Hermetik gehört, und Uli Hoeneß und Co. mögen gedacht haben, Stuttgart sei wegen Magaths Fitnesstick erfolgreich und nicht, weil der VfB aus Geldnot auf eine Generation begabter Nachwuchsspieler gestoßen war (die auch Magaths Schwiegermutter hätte trainieren können – wäre sie nicht eine Frau… aber das ist eine andere Geschichte). Nun, irren ist menschlich. Und krachende Disharmonie macht mehr Spaß als perfekter Zusammenklang. Jedenfalls uns, den gemeinen Fußballfans. Denn als Nörgler und Misanthropen wussten wir hinterher immer schon vorher, wie schief alles laufen würde. Und wenn eines Tages die gerade bedenklich erfolgreiche Verbindung des Konzeptclubs Wolfsburg mit dem Verführer Gerets kriselt, werden wir wissen: Die waren im Kern zu konträr. Bleibt die Beziehung produktiv, ziehen sich Gegensätze eben an. Geht alles.“

Der nach eigener Aussage fachkundigste Trainer der Welt passt ganz gut hinter die Theke

Eine Glosse von Achim Dreis (taz 27.9.): „Die Fachleute des Fußballmagazins 11 Freunde gaben vergangene Woche bekannt, sie hätten „nicht unbedingt ihre Altersvorsorge darauf verwettet, dass nach fünf Spieltagen der VfL Wolfsburg ganz oben in der Tabelle steht“. Jetzt haben wir schon den sechsten gesehen, und die VW-Fußballer laufen noch immer vorneweg. Dass sie das 2:1 gegen den Exclub ihres Vorturners Erik Gerets mit spitzenreitertypischem Glückstor feierten, schmälert ihren sympathischen Außenseiterstatus allerdings schon wieder, denn das war bayernartig. Von denen blieben am Wochenende Karl-Heinz Rummenigges 49. Geburtstag, zu dem er hoffentlich einen Rasierapparat geschenkt bekam, und die Werbespots mit Mehmet Scholl und Uli Hoeneß am nachhaltigsten in Erinnerung. Selbst wenn Scholl auch beim Tipp-Kick etwas statisch wirkte, sah er dabei noch besser aus als seine Kollegen beim überflüssigen 3:1 gegen Freiburg. Sieht man Tipp-Kicker im Fernsehen, schleicht sich reflexartig Berti Vogts in Erinnerung, der in seinem legendären Tatort-Gastspiel erst dem Kaninchen des Nachbarn „eine Möhre extra“ geben wollte, und dann beim Tipp-Kicken Bertihaftes zum Besten gab. Doch die Schauspielerei scheint sowieso ein Trainerlieblingshobby zu werden: Jetzt verbreitet Peter Neururer als Kneipenwirt in dem Streifen „Gib mich die Kirsche“ Fachwissen am Zapfhahn. Der nach eigener Aussage fachkundigste Trainer der Welt passt übrigens ganz gut hinter die Theke.“

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