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Internationaler Fußball

Korrektur am ungebremsten Jugendstil

Oliver Fritsch | Dienstag, 30. November 2004 Kommentare deaktiviert für Korrektur am ungebremsten Jugendstil

Arsenal angeschlagen (SZ) – „die Internazionale und der Fluch dieser unaufhörlichen Remis-Strähne“ (NZZ) – „Korrekturen am ungebremsten Jugendstil Amsterdams“ (NZZ) – China macht Kur in Deutschland (SZ)

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Hässliche Delle auf der Haube eines der schönsten Schlitten Europas

Nach dem 1:2 in Liverpool sorgt sich Raphael Honigstein (SZ 30.11.) um Arsenal London: „Nicht wenige vermuten, dass der wunderschöne Volley-Treffer des Liverpooler Aushilfsstürmers Neil Mellor die Londoner mehr als drei Punkte kosten könnte. Angesichts von zwei Niederlagen in 55 Ligaspielen wäre es zwar lächerlich, von einer Krise zu reden, aber einer der schönsten Schlitten Europas fährt, man kann es nicht übersehen, zur Zeit mit einer hässlichen Delle auf der Haube spazieren. Seit dem kontroversen 0:2 bei Erzfeind United ist das Vertrauen in die eigene Unfehlbarkeit erschüttert. Bei dem filigranen Ensemble wirkt mangelndes Selbstbewusstsein besonders schwerwiegend, dazu ist die Stammelf in Ermangelung von Rotationsmöglichkeiten überspielt. Wenger, der sich im Gegensatz zur Konkurrenz in Europa nicht in die Weihnachtsferien verabschieden kann, weiß, dass der Ernst des Lebens in der absurd hektischen Premier League nun erst losgeht.“

Spiegel der Irrtümer

Schon wieder ein Unentschieden Inter Mailands – Peter Hartmann (NZZ 30.11.) befasst sich mit den Folgen: „Die Internazionale und der Fluch dieser unaufhörlichen Remis-Strähne: Ist die Squadra, die höchstbezahlte der Serie A und als einzige noch immer ungeschlagen, geradezu schicksalsmässig immer nur um einen Hauch von ihrem abschliessenden Glück entfernt, oder kann sie einfach nicht mehr? Denn das Unentschieden, im Calcio einst das Resultat der Gesichtswahrung, ist immer auch ein Verlust von zwei Punkten und für einen ambitionierten Mäzen wie den Erdölmagnaten Massimo Moratti, der über eine halbe Milliarde Euro in sein Hobby verplempert hat, längst kein Betriebsunfall mehr, sondern ein Spiegel seiner Irrtümer.“

Korrekturen am ungebremsten Jugendstil

Bertram Job (NZZ 30.11.) widmet sich der Entwicklung Ajax Amsterdams: “Ronald Koeman sich gegen den inzwischen entlassenen Technischen Direktor Louis van Gaal durchgesetzt hat. Der streitbare Fussballmanager und einstige Erfolgscoach wollte ganz auf den Nachwuchs bauen. Das hat neben Applaus von aussen auch manches Problem verursacht. In den Spitzenspielen wirkten zuletzt gerade Youngster wie Heitinga, de Jong und Snijder indisponiert. Weshalb Koeman sie nach den Niederlagen in Tel Aviv und gegen Heerenveen durch Routiniers von der Reservebank ersetzte. Also spielen zurzeit Zugekaufte wie der 25-jährige französische Innenverteidiger Escudé und der 23-jährige argentinische Rechtsaussen Rosales – und das auffallend gut. Das muss noch nicht das Ende der Ajax-Philosophie bedeuten, doch Korrekturen am ungebremsten Jugendstil sind angebracht. Auch gegen Roosendaal war mancher Ajacied mehr mit sich selber als mit dem Gegner beschäftigt. Hier ein fein gezirkelter, aber erfolgloser Freistoss, da ein ästhetischer, doch zu unbedarfter Pass mit dem Aussenspann, dann schnell wieder eine Haarsträhne hinter das Ohr gelegt und die Stutzen lässig heruntergelassen – man möchte cool wirken im schicken Ajax-Trikot. Von den Zuschauern setzte es dafür Pfiffe.“

Chinas Fußball macht Kur in Deutschland, berichtet Kai Strittmacher (SZ 30.11.): „Bad Kissingen soll China retten. Woran irgendwie auch ein uraltes Vorurteil Schuld hat, das sich in China hartnäckig hält: „Deutschland ist eine Fußball-Großmacht!“ Aus Sicht der Chinesen ist das vielleicht nicht ganz falsch: Das Blühen und Aus-allen-Nähten-Platzen des aufstrebenden China mag zwar die globale Konkurrenz in Industrie und 100-Meter-Hürdenlauf nervös machen – im Fußball dilettiert das Land bislang mit mindestens so großer Geste. „Tragödie“, „Katastrophe“ und gar „Selbstmord“ sind hier die häufigst benutzten Wörter in den Schlagzeilen der Fußballblätter. China hat mal wieder die Qualifikation zu einer WM vergurkt, die „Superliga“ zerfleischt sich in Skandalen. Die unter Dauerbeschuss längst zynisch gewordener Fans und Journalisten stehenden Funktionäre haben sich nun die Olympischen Spiele ausgeguckt als neuen Streifen der Hoffnung im pechschwarzen Fußballhimmel – und Deutschland reicht die Hand: 27 aus ganz China zusammengelesene Spieler zwischen 15 und 19 werden ab nächste Woche ins Trainingslager gesteckt. Für zwei Jahre. In Bad Kissingen.”

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