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Ball und Buchstabe

Manipulation: Doch nicht in Deutschland!

Oliver Fritsch | Freitag, 28. Januar 2005 Kommentare deaktiviert für Manipulation: Doch nicht in Deutschland!

Lange haben DFB und DFL von der dreckigen Seite ihres Geschäfts nichts wissen wollen. Sauberes Fußball-Deutschland?! Pustekuchen

Martin Hägele (NZZ 28.1.): „Im Zusammenhang mit der Erschliessung des asiatischen Markts hatten die Verantwortlichen der DFL vor ein paar Monaten einen Eindruck ihres makellosen Rufes erhalten: In der Bundesliga gehe es mit Abstand am seriösesten zu, sagten Buchmacher aus Singapur und anderen südostasiatischen Ländern, deshalb wollten sie möglichst viele Bundesliga-Partien auf ihre Wettscheine nehmen. In diesem Ruf sportlicher Korrektheit rangiert die erste deutsche Klasse eindeutig vor der englischen Premiere und der europäischen Champions League. Auf Spiele in China, Hongkong, Thailand oder Malaysia, wo skrupellose Zocker-Kartelle den Markt beherrschen, lassen die legalen Wettbewerbe dieser Region schon gar nicht mehr wetten. Hierzulande wurde entsprechend die Nase gerümpft über die Schiebereien, die im Ostblock gang und gäbe sind, oder über eine Justiz, die in Italien, wenn es um Fussball geht, fast immer die Augen zudrückt. Doch nicht in Deutschland, wo der Welt gerade dieser Tage mit dem neuen Ticketing-System vorgeführt wurde, wie mit millimetergrossen elektronischen Mikrochips Sicherheit und Ordnung in zwölf hoch funktionalen WM-Arenen gewährleistet werden soll. Lange haben DFB und DFL von der dreckigen Seite ihres Geschäftsbetriebs nichts wissen wollen; oder davon, dass es in der Natur der Menschen liegt, dass sich dort, wo viel Geld fliesst, immer auch die dunklen Elemente der Gesellschaft bedienen wollen.“

Den Romantikern ist die Seele des Spiels geraubt worden

Michael Horeni (FAZ 28.1.) empfindet Schmerz: “Den Romantikern ist die Seele des Spiels geraubt worden, den Profis die Geschäftsgrundlage. (…) Erste Gerüchte kursieren schon, was angesichts der Erfahrungen in Italien ebenfalls nicht überrascht. Dort war ein halbes Dutzend Spieler in Schiebereien verwickelt. Der größte deutsche Fußballskandal seit 1971 ist durch Robert Hoyzers Geständnis publik geworden – seine Dimension jedoch noch längst nicht.“

Das Spiel ist entkernt

Robert Ide (Tsp 28.1.) fühlt sich betrogen: „Was ist ein Fußballspiel noch wert, wenn der Glaube an seine Zufälligkeit erschüttert ist? Der Glaube daran, dass jede der beiden Mannschaften gewinnen kann und es eine Instanz gibt, die darauf achtet, dass keine von beiden schummelt. (…) Wenn der Unparteiische nicht mehr glaubwürdig ist, ist das Spiel entkernt.“

Über der WM liegt ein Schatten

Felix Reidhaar (NZZ 28.1.) blickt aus der Schweiz auf Fußball-Deutschland: „Der Verband wird sich den Vorwurf nicht ersparen können, er habe gegen einen von ihm protegierten Spielleiter trotz eigener Irritation über mögliche Unregelmässigkeiten nicht konsequent und hartnäckig genug weiter ermittelt. Der Ball liess sich nicht, wie vielleicht erhofft, unter der Grasnarbe halten. Der Schaden ist angerichtet. (…) Über der WM, die bis jetzt enorm viel Spannkraft freigesetzt und unternehmerische Initiative mobilisiert hat, liegt momentan ein Schatten.“

Jeder Unparteiische ist ungerechtfertigt dem Generalverdacht ausgesetzt

Frank Hellmann (FR 28.1.) sorgt sich um Ruf und Arbeit der Schiedsrichter: „Die Tabellen der zweiten und dritten Liga sind ad absurdum geführt. Auch Wiederholungsspiele machen den Verlust an Glaubwürdigkeit nicht mehr wett. Grundsätzliches ist zu hinterfragen: der auf Verlangen der Fifa greifende Jugendwahn in der Schiedsrichter-Gilde, die lange Jahre betriebene Abschottungspolitik. Zudem ist leider zu befürchten, dass das Gros gewiss ehrenwerter Pfeifenmänner in nächster Zeit einen ganz schweren Stand hat. Die Rufe am Montag in Frankfurt („Schiri, hol den Wettschein raus.“) waren erst der Anfang. Auswirkungen bis an die Basis der fast 80 000 deutschen Referees werden folgen; dort wo sich junge Ehrenamtliche von aufgebrachten Eltern, bemerkenswert Geduldige von angetrunkenen Kreisklassen-Kickern sonntagmorgens bepöbeln lassen müssen. Jeder Unparteiische ist ungerechtfertigt dem Generalverdacht ausgesetzt. Das ist – neben der Wettbewerbsverzerrung – die schlimmste Hinterlassenschaft des Falls Robert Hoyzer.“

Philipp Selldorf (SZ 28.1.) ergänzt: „Es steht außer Frage, dass die Affäre Robert Hoyzer, die sich noch als riesiger Skandal erweisen kann, das ganze System erschüttert hat. Hoyzers Enttarnung bedeutet für die Schiedsrichter und für den Verband, der sie ausbildet, führt und betreut, eine kolossale psychische Belastung.“

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