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Italienische Fans sind an verdächtige Schiedsrichterentscheidungen gewöhnt

Oliver Fritsch | Dienstag, 22. Februar 2005 Kommentare deaktiviert für Italienische Fans sind an verdächtige Schiedsrichterentscheidungen gewöhnt

Sehr lesenswert! Tim Parks (Spiegel 7.2.), englischer Schriftsteller, in Verona lebend, schildert das Gruppenleben im italienischen Fußball: „Sport ist eine Welt jenseits der Realität, in der wir versuchen, alte Werte zu leben und ein Gefühl für Gemeinschaft zu entdecken – und deshalb empören uns krumme Touren auf dem Spielfeld heftiger als Betrug oder Raub: Die Medien in Italien und Deutschland schenken Herrn Hoyzer und seinen Kumpanen im Augenblick weit mehr Aufmerksamkeit als einem ganz gewöhnlichen Mord. Italienische Fans sind an verdächtige Schiedsrichterentscheidungen gewöhnt. Wenn man ein kleines Team wie Verona aufmerksam verfolgt, weiß man, dass ein großer Club, der zu Besuch kommt, wahrscheinlich eine Vorzugsbehandlung erhält. Erst vor ein paar Wochen berichtete ein von Chievo Verona zu Juventus Turin transferierter Spieler in einem Interview, er bekomme jetzt viel weniger gelbe Karten, weil die Schiedsrichter sich den Erwartungen eines großen Vereins fügen. In Spielen von Juventus oder Mailand werden jede Menge zweifelhafter Freistöße für diese Teams gepfiffen; zusätzliche Nachspielzeit wird verordnet, wenn sie nicht rechtzeitig punkten. Offen gesagt: Auch ich bin nach 20 Jahren in Italien daran gewöhnt und habe sogar meinen Spaß daran. Es gehört einfach zu Italien, es hilft einem, die Gesellschaft zu verstehen, in der man lebt. Und wenn das eigene Team trotz der Schiedsrichterentscheidungen gewinnt, fühlt man sich fabelhaft. Und doch: Ein Schiedsrichter, der ein Spiel türkt, nur um sich selbst (und ein paar Wetter) zu bereichern, ohne auch nur von einer der beiden Seiten geschmiert worden zu sein – so was ist in Italien wohl noch nicht da gewesen. Andere Interessengruppen würden es ihm nicht durchgehen lassen. Er müsste befürchten, gelyncht zu werden. Weil Italien von Verschwörungstheorien lebt, weil jeder jeden verdächtigt, unterliegt jeder Schiedsrichterspruch einem wahnsinnigen Interesse. Wenn also ein Schiedsrichter ein bestimmtes Team begünstigt, braucht er einen Rückhalt, und der muss Teil eines allgemeinen, kulturell anerkannten Musters sein, eines nachvollziehbaren Befunds, über den große Einigkeit herrscht – etwa so: Dieser Verein ist dieses Jahr fällig für den Aufstieg, er braucht ein wenig Hilfe; jener Club gehört in dieser Saison wirklich in einen europäischen Wettbewerb.“

Diskutieren Sie in der Südkurve über die Gunst der Schiedsrichter!

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