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Interview

Wir wollen uns später nicht den Vorwurf machen, nicht alles für den Titel getan zu haben

Oliver Fritsch | Samstag, 26. März 2005 Kommentare deaktiviert für Wir wollen uns später nicht den Vorwurf machen, nicht alles für den Titel getan zu haben

Joachim Löw mit Michael Horeni (FAZ 26.3.)
FAZ: Im Januar waren Sie mit dem Bundestrainer im Fitness-Institut von „Athletes‘ Performance“ in Arizona. Sie sollen beeindruckt gewesen sein.
JL: Auf jeden Fall. In diesem Institut war eine wahnsinnige Energie vorhanden. Da waren zehn bis fünfzehn Topathleten aus verschiedenen Sportarten da. Es war beeindruckend zu sehen, wie Basketballspieler, Baseballspieler oder Footballer ganz gezielt gearbeitet haben. Man konnte bei den unterschiedlichen Programmen genau sehen, welche Bewegungsabläufe etwa ein Footballspieler im Spiel vollzieht – und genau daraufhin hat er trainiert, um seine Kraft und Dynamik gezielt zu verbessern. Man hat an den Übungen für die verschiedenen Sportarten gesehen, daß alles konzeptionell durchdacht ist. Die Amerikaner gehen da mit einer unglaublichen Begeisterung und Überzeugung an die Sache heran.
FAZ: Die Spieler sollen sich bis zur WM permanent weiterentwickeln, wo sehen Sie für sich als Trainer Steigerungsmöglichkeiten?
JL: Unser Team ist von Jürgen Klinsmann mit Fachleuten aus allen Bereichen zusammengestellt worden. Das ist eine Stärke. Davon profitieren wir alle. Für mich ist der Bereich Sportpsychologie relativ neu. Aber durch unsere gemeinsamen Gespräche eigne ich mir auch da neue Kenntnisse an. So geht es den anderen auch.
FAZ: Wenn die Deutschen trotz aller Planungen 2006 nicht Fußball-Weltmeister werden, sind sie dann wenigstens Fitness-Weltmeister?
JL: Davon kann man nicht ausgehen. In den vergangenen Jahren, seit der EM 2000, hat es im Bereich Tempo und Dynamik noch einmal eine enorme Entwicklung gegeben. Die Spiele in Portugal liefen neunzig Minuten auf hohem Niveau. Aber Erfolg setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Mit Kondition allein kann man nichts gewinnen. Und mit Taktik oder Technik allein auch nicht – und wenn wir in den entscheidenden Momenten die Nerven verlieren, gewinnen wir auch nichts. Es gilt der Spruch: Kondition ist nicht alles, aber ohne Kondition ist alles nichts. Wenn wir bei der WM zwei oder drei Spieler dabeihaben, die nicht in der Lage sind, neunzig Minuten hohes Tempo zu gehen, oder dies nur für zwei Spiele können, dann ist es aus. Wir wollen daher im nächsten Jahr mit dem Gefühl in die WM gehen, hochprofessionell gearbeitet und an jede Kleinigkeit gedacht zu haben. Wir wollen uns später nicht den Vorwurf machen, nicht alles für den Titel getan zu haben. Diesen Vorwurf würden wir uns das ganze Leben machen.

Jeder Trainer in Europa möchte so sein wie Mourinho

Robert Huth mit Jörg Hanau & Jan Christian Müller (FR 26.3.)
FR: Ihr Trainer José Mourinho hat zwei Weltklasseverteidiger, seine portugiesischen Landsleute Paulo Ferreira und Francisco Costinha, mitgebracht. Wie gingen Sie damit um, dass Ihnen zwei teuer eingekaufte Neue vor die Nase gesetzt wurden?
RH: Der Trainer hat sich die Verstärkungen ausgesucht, die er haben wollte. Das muss man akzeptieren. Er hat uns jungen Spielern ganz ehrlich gesagt: „Ich weiß nicht, wie ihr spielt auf der großen Bühne.“ Da wusste ich, woran ich bin. Ich wusste: Ich brauche nur ein einziges Spiel, damit er sieht, wie ich drauf bin und was ich kann.
FR: Das wusste Mourinho spätestens, nachdem Sie in Ihrem ersten Länderspiel von Anfang an, gegen Brasilien mit seinen Starstürmern Ronaldo und Adriano, eine Klassepartie gezeigt haben.
RH: Ja. Er hat das Spiel gesehen und hat mir danach gesagt, dass ich auch bei Chelsea spielen muss. Und nach dem 3:0 gegen Kamerun war es dann soweit. Aber dann kam die Knieverletzung. Mehr Pech kann man wohl nicht haben. Es ist sehr unglücklich gelaufen. Ich kann jedenfalls nichts gegen den Trainer sagen. Wirklich nicht. Er macht nichts falsch. Er behandelt jeden Spieler gleich. Ich habe keinen Grund, mich zu beschweren.
FR: Mourinho wirkt nach außen wie ein arroganter Angeber. Ist er so, wie er sich in der Öffentlichkeit gibt?
RH: Ich glaube nicht, dass er arrogant ist. Er weiß, was er kann, er hat eine gute Mannschaft. Jeder Trainer in Europa möchte so sein wie er. Jeder will seinen Job haben.
FR: Nun ja, Roman Abramowitsch, sorgt auch für sehr gute Arbeitsbedingungen. Wie eng ist der Kontakt des milliardenschweren Chelsea-Bosses mit Ihnen, den Spielern?
RH: Abramowitsch ist oft dabei. Er kommt nach dem Spiel immer in die Kabine und spricht mit den Spielern. Sein Englisch wird auch zusehends besser.
FR: Haben Sie sich auch schon mal länger mit ihm unterhalten?
RH: Nee, er sagt hallo, ich sage hallo. Er hat mich mal gefragt, gegen wen wir als nächstes mit Deutschland spielen. Ich glaube, er ist der größte Fan, den Chelsea hat. Er gibt nicht einfach nur das Geld. Er steht dahinter und begeistert sich für Chelsea.

Ich war im Basketball talentierter

Patrick Owomoyela mit Stefan Hermanns (Tsp 26.3.)
Tsp: Bei Ihnen ist es im vergangenen Jahr auch rasant nach vorne gegangen: von der Zweiten Liga in die Nationalmannschaft. Wo waren Sie eigentlich die 24 Jahre davor?
PO: Gute Frage. Bis ich 18, 19 war, habe ich nie ernsthaft das Ziel verfolgt, Profi zu werden. Natürlich habe ich mit Leidenschaft Fußball gespielt. Aber seitdem ich 12 war, habe ich auch Basketball gespielt. Das war Trendsport und eigentlich viel cooler. Auch bei den Mädels.
Tsp: Was konnten Sie besser: Fußball oder Basketball?
PO: Eigentlich war ich im Basketball talentierter. Nur hatte ich nicht diese Geradlinigkeit. Meine Mitspieler haben dreimal die Woche trainiert und sind noch jeden Tag in die Halle gegangen und haben auf die Körbe geworfen. Ich hatte dazu gar nicht die Zeit und auch nicht das Interesse, so extrem daran zu arbeiten.
Tsp: War das beim Fußball anders?
PO: Na ja, ich war nicht gerade das Riesentalent, das sich der HSV schon in der C-Jugend schnappen wollte. In der A-Jugend gab es mal leichten Kontakt, aber da hatte ich das Gefühl: Bei denen bist du nur eine kleine Nummer, und nachher wird da nichts draus. Als wir dann mit unserem kleinen Verein (Stellingen 88) in Hamburg und Norddeutschland recht erfolgreich waren, gab es Interesse aus der Oberliga. Um Gottes willen, habe ich gedacht, Oberliga. Das war mir zu heikel. Ich wollte Verbandsliga spielen, etwas Taschengeld neben der Ausbildung verdienen und nicht in der Oberliga auf der Bank sitzen. Den nötigen Ehrgeiz habe ich erst entwickelt, als ich ein Angebot aus der Regionalliga bekommen habe. Meine Mutter hat gesagt: Probier das!
Tsp: Sie haben also nicht das Gefühl, schon am Ende Ihrer Entwicklung zu sein?
PO: Nein, dazu sehe ich noch zu viele Punkte, die ich verbessern kann. Die Tests, die wir bei der Nationalmannschaft gemacht haben, waren sehr aufschlussreich. Man erkennt sofort: Wo hapert es noch?

Ich bin hier noch nicht zu hundert Prozent akzeptiert

Felix Magath mit Jörg Kramer & Michael Wulzinger (Spiegel 26.3.)
Spiegel: Im Kampf um die Meisterschaft liegt Ihr Team vor dem punktgleichen FC Schalke 04 knapp in Führung, und in der Champions League wurde Bayern Münchens Einzug ins Viertelfinale schon als Ihr „Ritterschlag“ gefeiert. Sehen Sie sich beim Rekordmeister nun angemessen respektiert?
FM: Die Skepsis hat abgenommen. Aber sie ist noch da. Ich sehe das realistisch. Der FC Bayern hatte, als ich letzten Sommer kam, eine ziemlich erfolgreiche Phase hinter sich. Nein, ich bin hier noch nicht zu hundert Prozent akzeptiert. Dazu brauche ich wenigstens einen Titel, das ist hier so.
Spiegel: Wäre es leichter, wenn Sie an einer Ihrer früheren Trainerstationen schon mal Meister geworden wären?
FM: Ja. In unserer Zeit zählen nur Titel. Früher war es der Doktor, heute sind es die Deutschen Meister. Zudem ist es besonders schwierig für einen Trainer, einem erfolgreichen Kollegen nachzufolgen. Das war schon so, als Ernst Happel den Hamburger SV verlassen hatte oder Otto Rehhagel Werder Bremen.
Spiegel: Ihr Vorgänger Ottmar Hitzfeld gewann in sechs Jahren bei Bayern vier Meisterschaften, zweimal den DFB-Pokal und einmal die Champions League. Sind Sie deshalb anfangs so devot aufgetreten, als betrachteten Sie aus großen Augen staunend Ihren Traumverein?
FM: Ich bin so, wie ich bin. Und mit 51 Jahren werde ich mich auch nicht mehr groß verändern. Aber Sie haben Recht: Es gab ein paar Dinge, die ich zwar gewusst, aber dann doch nicht richtig eingeordnet hatte. In mancher Hinsicht ist der FC Bayern nun mal eine andere Dimension. (…)
Spiegel: Ihre Mannschaft trat zuletzt in Spitzenspielen als kompakte Einheit auf. Attraktiv ist das jedoch nicht. Von dem offensiven Tempofußball, den Sie einst forderten, ist nichts zu sehen. Warum nicht?
FM: Nun mal langsam. Gegen Arsenal in London, das war für mich eine großartige Leistung. Unser Tempo war mindestens so hoch wie das im vielgerühmten Spiel unseres nächsten Gegners Chelsea gegen den FC Barcelona. Nur dass unsere Defensivleistung besser war. Man muss das richtige Verhältnis finden, die Balance zwischen Offensivkraft und Defensive. Ich hatte es ja zuvor anders versucht.
Spiegel: Mit dem schon zum Fehleinkauf abgestempelten Argentinier Martín Demichelis im Mittelfeld spielt Ihre Mannschaft seit Februar nicht schöner, aber effizienter. Warum dieser Stilwandel?
FM: Mit der Hereinnahme eines defensiven Mittelfeldakteurs wurde das spielerische Moment nun mal zurückgefahren. Die Sache lief so: Ich habe zunächst versucht, für diese Mannschaft eine Lösung ohne einen defensiven Mann im Mittelfeld zu finden. Eigentlich wider besseres Wissen, denn ich hatte vorher immer mit so einem Mann vor der Abwehr gearbeitet, der sehr wichtig ist – auch für die Spieleröffnung. Es war also unwahrscheinlich, dass es ohne diese Position gehen würde.
Spiegel: Warum haben Sie es dann überhaupt probiert?
FM: Aus atmosphärischen Gründen. Die Mannschaft ist hier so zusammengestellt, dass ich so viele offensive Mittelfeldspieler habe. Acht für eigentlich nur drei Plätze im Team. Solch ein Konkurrenzkampf ist für das Zusammenleben schwierig. Und zu viel Missstimmung drückt auf die Leistung. Also habe ich versucht, den Kampf zu entschärfen.

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