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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Champions League

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Oliver Fritsch | Mittwoch, 25. Mai 2005 Kommentare deaktiviert für Populär

Felix Reidhaar (NZZ 25.5.) resümiert 50 Jahre Europapokal: „Neulich wurden in einer Umfrage von France Foot unter zwei Dutzend Trainern, Managern und Profis schöne alte Zeiten heraufbeschwört. Für sie gelten noch heute das Glasgower Endspiel 1960 zwischen Real und Eintracht Frankfurt (7:3) und der Amsterdamer Final 1962 Real – Benfica Lissabon (3:5) als mit Abstand atemraubendste Entscheidungen in Europa. Fast völlig einig sind sich die Experten auch darin, dass Di Stefano bis dato die denkwürdigste Spielerpersönlichkeit geblieben ist. Jüngere Generationen orientieren sich seit Anfang der neunziger Jahre an einer Kompetition, die Namen, Modus und vielfältige Wahrnehmung des Wettbewerbs verändert und inzwischen die meisten Skeptiker überzeugt hat. Die AC Milan ist mit fünf Finalteilnahmen in mittlerweile vierzehn Spielzeiten der erfolgreichste Verein der „Sternen“- oder Königsklasse und nimmt zu Recht das Verdienst am bisher brillantesten Champions-League-Triumph in Anspruch (4:0 vor elf Jahren gegen Barcelona). Am Mittwoch versucht er, mit Real Madrid an Erfolgen (drei) gleichzuziehen; kommerziell hat das Team des italienischen Premiers am meisten profitiert. Dieser Aspekt hat in diesem letzten Viertel eines ungemein populären Sportwettbewerbs an Interesse gewonnen.“

NZZ: Milan gegen Liverpool, der erste Gipfel am Bosporus – Moderne fussballerische Multikulturalität an der Brücke zwischen Europa und Asien

Wann wieder ein normaler Fußballklub?

Birgit Schönau (SZ 25.5.) hat einen Traum: „Wenn dereinst Italien ein normales Land sein wird, ist nicht auszuschließen, dass auch der AC Mailand wieder wird, was er die längste Zeit seiner mehr als 100-jährigen Geschichte war: ein normaler Fußballklub. Im Moment laufen die Dinge aber noch so, dass am Nachmittag vor der Abreise nach Istanbul ein Hubschrauber auf dem Trainingsgelände Milanello einschwebt, dem Helikopter ein älterer Herr entsteigt und von einem Angestellten begrüßt wird, der im Klub den Statthalter gibt. Jeden Spieler begrüßt der Hubschrauber-Passagier und richtet an sein Bodenpersonal wenige, wohlgesetzte Worte. Es folgt ein Auftritt im Klubfernsehen Milan Channel, damit jeder der acht Millionen Tifosi in der Welt erfahren kann, was geschah: „Als alter Trainer habe ich Ancelotti ein paar Vorschläge für das Mittelfeld und den Sturm unterbreitet“, sagt Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi. (…) Wenn Milan, irgendwann, wieder ein normaler Fußballklub sein wird, werden seine Spieler sich auf das konzentrieren können, was von normalen Profis erwartet wird. Fußball eben. Ohne politrhetorischen Ballast. Die Sportjournalisten werden über die Leistungen auf dem Spielfeld schreiben können, und die Fans werden nicht mehr sagen müssen: Ich bin für Milan, mit dem Rest will ich aber nichts zu tun haben.“

Großes Portemonnaie

Über das Verhältnis Berlusconis zum AC Mailand lesen wir von Dirk Schümer (FAZ 25.5.): „Politisch ist Berlusconi ein Mann der eisenharten Marktwirtschaft, doch kennt er bei seiner sentimentalen Leidenschaft für den Fußball keine Bilanzen: Regelmäßig gleicht der steinreiche Mogul am Saisonende die Verluste seines Spielzeugs aus, zuweilen mehr als hundert Millionen Euro. In einer Branche, in der sich sogar Juventus Turin von der Dominanz der Agnelli-Familie gelöst hat und einigermaßen kostendeckend operiert, ist Berlusconi zum letzten klassischen Fußballpräsidenten mit großem Portemonnaie geworden – jedenfalls zum letzten erfolgreichen. Wie die sprichwörtlichen zehn kleinen Negerlein warfen Berlusconis Konkurrenten in den vergangenenen Jahren das Handtuch, weil sie mit der mörderischen Geldspirale, die der Milan-Boß mit den von ihm kontrollierten Fernsehgeldern aufgedreht hatte, nicht mehr Schritt halten konnten.“

Leerlauf

Peter Hartmann (NZZ 25.5.) lenkt die Aufmerksamkeit auf das Spielfeld: „Die Stärke Milans ist ein traumhaft variantenreiches Kombinationsspiel, das die Gegner aus der Puste bringt. Doch manchmal, wenn ein Zacken Tempo fehlt und sich Routine einschleicht, kippen dieses Ballstafetten in den Leerlauf. Dann versucht Gattuso, der Motivator auf dem Feld, seine Kollegen anzutreiben wie ein Hirtenhund. Boban, der kroatische Mittelfeldmann der Milan-Meistermannschaft der neunziger Jahre, der mittlerweile seinen Doktor in Literatur machte, hat die Spieler wegen dieser unterschwelligen Überheblichkeit harsch kritisiert.“

BLZ: Kaka prägt das Spiel beim AC Mailand

Tsp: Clarence Seedorf will heute mit dem AC Mailand zum vierten Mal die Champions League gewinnen

Eines der erstaunlichsten Comebacks in dieser Saison

Michael Horeni (FAZ 25.5.) blickt auf Dietmar Hamann: „An diesem Mittwoch könnte eines der erstaunlichsten Comebacks in dieser Saison seinen vorläufigen Höhepunkt erfahren. Erstmals nach dem Sieg der Bayern vor vier Jahren hat wieder ein deutscher Spieler die Chance, den wichtigsten Klubwettbewerb in Europa zu gewinnen. Die erste Belohnung für die Teilnahme am Endspiel hat Hamann jedoch schon vor dem Anpfiff erhalten. In der vergangenen Woche nominierte ihn der Bundestrainer vollkommen überraschend doch noch für den Confederations Cup.“

taz-Interview mit Hamann

FAS-Interview mit Hamann

SpOn: Rafael Benitez, Mythos-Macher mit Manieren

Eine Niederlage würde man automatisch ihm ankreiden

Seit seinem Flirt mit Chelsea entziehen Liverpool-Fans Steven Gerrard ihre Liebe – Raphael Honigstein (FTD 25.5.) befasst sich mit Gerrards Zukunft: „Mehr als die Hälfte der Fans hat im Herzen keinen Platz mehr für ihn, obwohl er heute den 20 Jahre alten Traum vom fünften Europacup wahr machen kann. Soll. Muss. Eigentlich müsste der 24-jährige Schlaks längst eine Anfield-Legende wie Ian Rush oder Kenny Dalglish sein. Bis vor kurzem war er das auch. Gerrard hatte ja alles, was man zum englischen Fußball-Helden braucht: Talent in rauen Mengen, unbedingten Siegeswillen, die richtige Herkunft. Er wuchs in einem Sozialwohnungsbau in Huyton auf, einem von vielen ungemütlichen Vierteln in der von der Dienstleistungsgesellschaft vergessenen Hafenstadt. Auf einem winzigen Flecken Grün zwischen schmutzigen Häusern lernte er als Kind, den Ball hart zu treten und die Knochen hinzuhalten. (…) Es ist ein persönliches Schlüsselspiel für ihn, denn nach dem Finale will er über seine Zukunft entscheiden. Allein der Pokal könnte ihm einen einigermaßen friedlichen Abgang bescheren, eine Niederlage würde man automatisch ihm ankreiden. „Wenn wir ihn nicht mit nach Hause bringen, wäre es ein Desaster“, weiß Gerrard. Ganz besonders für ihn.“

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