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Interview

Man hat Angst, dass der FC Bayern München davon rennt

Oliver Fritsch | Mittwoch, 27. Juli 2005 Kommentare deaktiviert für Man hat Angst, dass der FC Bayern München davon rennt

Karl-Heinz Rummenigge mit Wolfgang Hirn (manager magazin)
KHR: Einem Spieler wie Beckham dürfte man eine Umgebung, in der die Neiddebatte immer wieder eine große Rolle spielt, nicht zumuten. Unabhängig von seiner sportlichen Qualifikation ist Beckham auch eine Gesellschaftsikone. Es gibt andere Länder und Gesellschaften, die mit dieser Ikone anders – und ich fürchte, aus seiner Sicht besser – umgehen, als es in Deutschland der Fall wäre.
mm: Trotzdem geht es Ihnen darum, den Verein international stärker ins Rampenlicht zu rücken. Für welche Regionen gilt das – neben Asien?
KHR: Osteuropa ist für uns sehr wichtig. Wir haben in Umfragen festgestellt, dass Bayern München in Osteuropa mit Abstand der populärste Verein ist, populärer als Real Madrid und Manchester. Das zweite Argument: Wir können hier in München mittags abfliegen, in Budapest spielen und sind am Abend wieder da. Ein Auftritt in Japan kostet dagegen vier Tage. Der Stress für die Mannschaft ist deutlich höher.
mm: Bei Manchester United regiert dagegen der milliardenschwere US-Amerikaner Malcolm Glazer. Ein Vorteil?
KHR: Manchester wird Probleme bekommen. Das Modell von Roman Abramowitsch, der den FC Chelsea gekauft hat, wird für Manchester nicht funktionieren. Chelsea war eine finanziell bescheidene Veranstaltung. Abramowitsch hat den Transfermarkt geschickt genutzt und wird die Mannschaft weiterhin über Zukäufe aufbauen. Chelsea ist ein Club, der langfristig Erfolg haben wird, weil der Aufbau der Mannschaft geschickt gestaltet wird. (…)
mm: Bei den TV-Einnahmen scheint noch deutlich mehr Spielraum zu sein als bei der Stadionvermarktung …
KHR: Da sind wir nicht nur schlecht, da ist es eine Katastrophe. Im Schnitt bekommt jeder Bundesligaverein 13 Millionen Euro aus der zentralen TV-Vermarktung. Ein Club wie der FC Bayern bekommt 15 Millionen Euro und der Tabellenletzte 11 Millionen Euro. Milan erzielte dagegen vergangene Saison 134 Millionen Euro aus TV-Einnahmen, Juventus Turin 130 Millionen Euro. Das ist ein immenser Wettbewerbsnachteil für uns. Wenn wir in die neue Saison starten, haben wir ein Minus von zum Teil rund 100 Millionen Euro gegenüber den Kollegen in Italien und Spanien, die die TV-Rechte im Gegensatz zu uns dezentral vermarkten. Und dann müssen wir mit denen um neue Spieler bieten. (…)
mm: Hat der FC Bayern die Möglichkeit, aus der zentralen TV-Vermarktung auszusteigen?
KHR: Im Prinzip nicht. Wenn wir aussteigen, würde es einen Erdrutsch geben. Ich glaube, dass Clubs wie Bochum, wie Freiburg, die ich sympathisch finde, ohne einen FC Bayern in dieser Fußballwelt in Deutschland nicht überleben könnten. Aber das liegt nicht an der Frage der TV-Vermarktung: Wenn man auf dezentrale TV-Vermarktung umsteigen würde, müsste man über einen Solidaritätsschlüssel nachdenken, um den kleineren Vereinen zu helfen. Aber das hat man bislang nicht getan, weil man es nicht wollte. Weil man Angst davor hat, dass ein Club wie der FC Bayern München dann davon rennt. Deshalb versucht man, die dezentrale Vermarktung aus politischen Gründen zu verhindern.

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