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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Einssein mit einer geliebten Gruppe

Oliver Fritsch | Donnerstag, 28. Juli 2005 Kommentare deaktiviert für Einssein mit einer geliebten Gruppe

Integration durch Sport, ein scheiterndes Konzept – Jochen Bittner (Zeit 28.7.) überrascht uns mit dieser Nachricht: „Zwei Tage nach den Terrorangriffen auf die USA war es, als die Polizei in Brüssel einen fest entschlossenen Selbstmordattentäter verhaftete, der wenige Jahre zuvor noch eine Karriere als Fußballprofi bei Fortuna Düsseldorf begonnen hatte. Doch er endete in einer Wohnung voller Azeton- und Schwefelkanister. In die Luft sprengen wollte er sich damit, wie er später zugab, vor dem US-Militärstützpunkt Kleine Brogel in Belgien. Es ist die Geschichte von Nizar Trabelsi, die zeigt, wie ein Einwanderer sich in Deutschland zu einem gnadenlosen Fanatiker entwickeln kann – und zwar ganz unabhängig davon, ob sein Land an einem Afghanistan- oder Irak-Krieg teilgenommen hätte. Ein Fußballheld wollte Trabelsi immer sein. Mit 19, als er in der Olympiamannschaft seiner Heimat Tunesien spielt, scheint es, als beginne sein Traum Wirklichkeit zu werden. Fortuna Düsseldorf will das junge Talent aus Nordafrika unter Vertrag nehmen. Europa winkt, Wohlstand und Ruhm dazu. 1989 kommt Trabelsi nach Deutschland. Doch statt der Karriere beginnt der Absturz des jungen Mannes. Trabelsi kommt mit dem Trainingsdrill und der Disziplin der deutschen Profis nicht klar. Er heult sich regelmäßig bei seinem Trainer aus, doch der kann ihm nicht helfen. Trabelsi fällt ab. SV Wuppertal, Zweite Liga. FC Wüllrath, Oberliga. Mit jeder Degradierung wird er bockiger, wütender. Trabelsi macht den Verlust dessen durch, was viele spätere Selbstmordattentäter radikalisiert wiederherstellen wollen – das Einssein mit einer geliebten Gruppe.“

Treppenwitz

Im Land von Don Camillo und Peppone – Birgit Schönau (Zeit 28.7.) über eine weitere Folge aus dem italienischen Stück „Lechts und Rinks“: „Dass ein Kommunist Torschützenkönig in der italienischen Profiliga werden kann, wirkt wie ein Treppenwitz der jüngeren Fußballgeschichte. Oder wie die Rache des reinen Fußballs an denjenigen, die geglaubt haben, sie könnten mit Geld alles kaufen, Trophäen, Spektakel und Tore. Cristiano Lucarelli, 24 Saisontreffer, ist in Italien zum Idol für alle geworden, die sich sehnlichst wünschen, dass die Wahrheit auch in ihrem Land wieder auf dem Platz liegt und nicht in politischem Kalkül, wirtschaftlichem Gewinnstreben und Dopingskandalen. Lucarelli ist auch ein Symbol für das andere Italien, das mit Silvio Berlusconi nichts zu tun haben will. Dass der 29-jährige Provinz-Matador den Superstar Andrej Schewtschenko überflügelte, Europas Fußballer des Jahres vom Berlusconi-Klub AC Mailand, hat auch außerhalb der Toskana viele diebisch gefreut. (…) Marcello Lippi, dessen eigene linke Vergangenheit schon sehr weit zurückliegt, hat Lucarelli ins Nationalteam berufen. Und der machte bei seinem Debüt gegen Serbien-Montenegro prompt ein Tor. Jetzt will der Revolutionär zur WM nach Deutschland – halb Italien drückt die Daumen.“

Uerdinger Wertschöpfung

Mehr als 33.000 Euro – Richard Leipold (FAZ 28.7.) belächelt die Versteigerung eines Platzes im Kader des KFC Uerdingen per Internet: „Ob die Uerdinger Wertschöpfung Schule macht? Die Bundesliga schaut viel zu sehr auf die klassischen Sponsoren – und läßt das Geld auf der Straße liegen. Der Platz der Geldgeber ist in der Kabine, auf der Bank, vielleicht gar auf dem Rasen. Am Spielfeldrand einen Geschäftsabschluß tätigen und dann im Kuranyi im Trikot des FC Schalke als erster zum Torerfolg gratulieren – wenn das kein Marketingerfolg wäre. Wer sich mit Lachshäppchen in der Loge abspeisen läßt, ist selbst schuld.“

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