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Bundesliga

Innere Werte

Oliver Fritsch | Montag, 28. November 2005 Kommentare deaktiviert für Innere Werte

Innere Werte

Die Autoren messen Schalkes Sieg an den beschränkten Leistungen der vergangenen Wochen und Monate. Ralf Rangnick wird dabei zugute gehalten, die Mannschaft wieder richtig ein- und gut aufgestellt zu haben: „Kevin, allein im Sturm“ (FTD), heißt die einzige Spitze; Kuranyi sei, glaubt man den Zeitungstexten, noch immer wenig beliebt in Schalke. Richard Leipold (FAZ) gibt den Schalkern wieder gute Kopfnoten: „Die Schalker Profis begreifen ihre Arbeit wieder als Gemeinschaftsauftrag. Rangnick hat mit seinem Systemwechsel einen Erfolg gelandet, der weit über die bloße Taktik hinaus wirken könnte. Die neue Formation scheint auch innere Werte wie Spielfreude, Aggressivität, Siegeswillen zu fördern. Sie haben wieder ein gemeinsames Ziel vor Augen, das die Einzelinteressen zusammenführt. (…) Was den gefühlten Abstand zu Bayern München angeht, gelten die Bremer als Herausforderer Nummer eins. Werder bleibt nur die große Verfolgerkoalition mit Hamburg und Schalke.“ Die Bremer Niederlage bedauern die meisten; Christoph Biermann (SZ) muntert die Verlierer auf: „Den Bremern merkte man an, dass sie über ein eingespieltes Team verfügen, in dem der richtige Ton längst gefunden ist. Sie zeigten die besseren Kombinationen, wenn auch nicht so häufig wie man das von ihnen kennt.“

Bayer Leverkusen – Hamburger SV 0:1

Den Bayern auf der Spur

Hamburg beeindruckt die Beobachter, die dem HSV einen Entwicklungssprung beglaubigen: gewinnen unter schwierigen Umständen. Der Tagesspiegel hält ihn für „ökonomisch, effizient, erfolgreich“, die SZ für „fc-bayernesk“. Daniel Theweleit (taz) durchleuchtet die Qualität der Hamburger: „Der Sieg wirkt wie das Werk einer Spitzenmannschaft. Das Misserfolgserlebnis der Niederlage in Monaco im Nacken spielten die Hamburger besonnen. Sie agierten ökonomisch, hatten eine gute Raumaufteilung, und sorgten mit wenigen, jedoch schnell vorgetragenen Angriffen für Gefahr. Und wie das so läuft bei Spitzenteams erhöhten sie den Druck, als sich die Partie dem Ende näherte.“ Roland Zorn (FAZ) befasst sich mit der Hamburger Zukunft: „Der HSV ist zumindest in puncto Erfolgsbesessenheit den Bayern auf der Spur. Aus diese3m Holz sind Meister von morgen geschnitzt, mögen auch hier und heute die Bayern den Hamburgern noch (tabellarisch um sechs Punkte) voraus sein.“

FR: Ein überarbeiteter HSV nimmt die Hürde Leverkusen und profiliert sich als potentieller Jäger des FC Bayern München
Welt: Bayern-Jäger wider Willen – HSV gewinnt, bleibt aber demütig

Bayern München – FSV Mainz 2:1

Der Meister betrachtet die Liga von oben herab

Und ewig grüßt… der knappe Sieger Bayern München. Doch wenn das Spiel keine neue Geschichte hergibt, die Äußerungen der Bayern tun es allemal. Siebter Heimsieg im siebten Spiel im neuen Stadion – Uwe Marx (FAZ) gähnt und erörtert die Worte der Sieger: „In der neuen Heimat der Bayern gibt es für die Gegner Lohn nur in kleiner Münze: Selbst zu einem Unentschieden kam hier noch niemand. Nun bleibt den Bayern zur eigenen Unterhaltung nicht viel mehr übrig, als den vermeintlich größten nationalen Konkurrenten auszudeuten. Uli Hoeneß setzt nach wie vor auf Werder Bremen als hartnäckigsten Verfolger, wenn man bei acht Punkten Rückstand noch von verfolgen sprechen kann. Felix Magath glaubt, der sechs Punkte zurückliegende Hamburger SV sei stärker einzuschätzen. Die netten Bayern: Sie gestatten den Mainzern immerhin ein Törchen und umrahmen die Mannschaften unmittelbar hinter ihnen mit einer Gefährlichkeit, die diese nicht haben. Wer die Tabelle lesen und klar denken kann, wird nicht übersehen: Der Meister betrachtet die Liga derzeit von oben herab.“ Gut verteidigt!, lobt Philipp Selldorf (SZ): „War das wirklich der FC Bayern, der amtierende Titelhalter und designierte Herbstmeister, der sich da mit der kompletten Belegschaft einschließlich des in der Not eingewechselten Jens Jeremies gegen die Belagerer stemmte, während die Mainzer ihrerseits alle Mann – einschließlich Schlussmann Dimo Wache – in den Sturm schickten? Geholfen hat’s nichts, und so entsprach die Rollenverteilung dem üblichen Schema, bekannt aus der Vorwoche (Bielefeld) und vielen Dutzend ähnlicher Aufführungen. Es gab Lob und Anerkennung für die mutigen Mainzer – und drei Punkte für die Münchner.“

FR: Mainz bekommt für sein eindrucksvolles Spiel Komplimente, doch die Punkte bleiben in München
BLZ: Der FC Bayern lernt das Leben ohne Michael Ballack

Hannover 96 – 1. FC Kaiserslautern 5:1

Ideen müssen nicht automatisch gut sein, weil sie phantasievoll sind

Das Duell der neuen Trainer steht im Zentrum der Aufmerksamkeit. Klarer Verlierer ist Wolfgang Wolf, dem die Journalisten vorhalten, die falsche Abwehr aufgestellt zu haben. Frank Heike (FAZ) bemängelt: „Wolfs Experiment mit Ervin Skela als Abwehr-Organisator mißlang. Auf dem Feld wirkten die Lauterer, als sei ihnen die Aufstellung fünf Minuten vor Beginn in der Kabine zugerufen worden – da hatte jeder nur mit sich zu tun, und die Zuordnung paßte gar nicht. Skela schien sich seine lauten Anweisungen vor allem selbst zuzurufen.“ Jan Christian Müller (FR) ergänzt und findet zwei Analogien: „Er ist in der Abwehr genauso eine Fehlbesetzung wie es im Herbst 2004 der – vom zusehends orientierungsloseren Klaus Toppmöller auf die Liberoposition abgestellte – Hamburger Sergej Barbarez war oder der von Erich Ribbeck gegen seinen Willen sinnfrei als Libero aufgebotene Bernd Schuster. Ideen müssen nicht automatisch gut sein, weil sie phantasievoll sind.“

Peter Neururer, der natürlich allen gerne und möglichst beiläufig erklärt hat, dass die siegbringenden Freistöße und Eckbälle auf sein Extratraining zurückzuführen seien, Neururer also wird in vielen Zeitungen mit einem bemerkenswerten Nachtreten gegen Wolf zitiert: „Die Aufstellung von Lautern habe ich nicht verstanden. Der einzige Spieler, vor dem wir in deren Offensive Respekt hatten, musste in die Defensive.“ Jörg Marwedel (SZ) verzeiht Neururer seine Koketterie: „Neururer flunkert gern, und manchmal ist es leicht, ihn dabei zu ertappen. Man konnte sehen, wie er sich im Geiste selbst auf die Schulter klopfte. Welchem Trainer widerfährt schon das Glück, dass eine seiner ersten Maßnahmen auf Anhieb von Erfolg gekrönt ist? Noch am Morgen hatte Neururer seine Profis zu einer kleinen Sonderschicht ins Stadion beordert. Er hatte Eckbälle und Freistöße üben lassen, er hatte Schützen festgelegt, Laufwege bestimmt und auch, wohin der Ball gespielt werden soll. Vier Standards Marke Neururer hatten das einseitige Spiel entschieden und die Mängel im Spiel der Hannoveraner listig verdeckt. Gibt es noch Zweifel, wer der Sieger war an diesem Tag?“

FR: Wolfs Einstand bei hilflosen Lauterern missrät vollends

1. FC Nürnberg – Borussia Dortmund 1:2

Vom unbezahlbaren Glück, kein Geld mehr zu haben

Dem jungen Dortmunder Team fliegen die Herzen zu. Allerdings verweisen die Kommentatoren darauf, dass der Erfolg aus der Not entstanden ist – und nicht einer Strategie der Vereinsführung zu verdanken. Andreas Lesch (BLZ) stellt den BVB als Musterschüler heraus: „Das Beispiel BVB kann der Bundesliga gut tun. Es widerlegt die These, die sich noch immer in den Köpfen mancher Trainer hält: Dass ein jugendliches Team in der ersten Klasse nicht bestehen kann (…) Die Dortmunder haben ihr früheres Geschäftsprinzip ins Gegenteil verkehrt.“ Oskar Beck (Welt) ergänzt: „Über Nacht wird Dortmund wieder bewundert, alles schwärmt vom neuen BVB-Jugendstil. (…) Den Dortmundern kann man zu ihrer Rasselbande um Nuri Sahin nur gratulieren – also zu ihrem unbezahlbaren Glück, kein Geld mehr zu haben.“ Andreas Burkert (SZ) warnt vor Versuchungen und Rückfall: „In Dortmund hat sich die zurzeit erstaunlichste Mannschaft der Liga in der oberen Tabellenhälfte eingerichtet. (…) Doch bald schon werden sie mit Begehrlichkeiten zu ringen haben und mit dem eigenen Ehrgeiz zum großen Wurf. Schon wird über einen teuren Söldner wie Ailton diskutiert und über die Bewegungsfreiheit, welche die anstehende Umschuldung ermögliche. Die Ära Niebaum bescherte der Borussia das zweifelhafte Vergnügen der ersten Meisterschaft überhaupt, die mit Geld gewonnen wurde – ein Ziel seiner Nachfolger sollte einstweilen der Gewinn der Deutschen Sanierungsmeisterschaft sein.“ Christoph Kneer (SZ) vergleicht die zwei Mannschaften: „Die Nürnberger brüllten: Überfall!, um sich sofort zu ergeben. (…) Es war ein Spiel, in dem sich die Befindlichkeiten beider Teams perfekt spiegelten: Hier quälte sich eine Elf, die sich selbst misstraut; dort führte eine Mannschaft einen Fußball vor, der sich wie selbstverständlich ereignete. Die Dortmunder sind dabei, ihre Automatismen neu zu entdecken, sie sind eine Art Oranje light.“ Ob sich die Dortmunder dieses Etikett gerne anheften lassen?

FR: bittere Lektion für Hans Meyer

VfL Wolfsburg – Arminia Bielefeld 0:0

Kredit ausgeschöpft

Achim Lierchert (FAZ) kommentiert die Wolfsburger Zuschauerrektionen: „Schon nach kurzer Zeit mußten Holger Fach und seine Spieler vernehmen, daß der Kreditrahmen bei den eigenen Fans weitgehend ausgeschöpft ist. Gellende Pfiffe und Schmährufe begleiteten bereits in der ersten Halbzeit die völlig planlosen und seltsam uninspirierten Darbietungen des VfL, bei dem sich die schlechten Ergebnisse und Erlebnisse bedrohlich häufen.“

Bildstrecke 14. Spieltag, sueddeutsche.de

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