indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Interview

Solche Berichte zeichnen ein Bild, auf dem ich als völliger Idiot dastehe

Oliver Fritsch | Samstag, 24. Dezember 2005 Kommentare deaktiviert für Solche Berichte zeichnen ein Bild, auf dem ich als völliger Idiot dastehe

Giovanni Trapattoni mit Sven Flohr (Welt)
Welt: Ist der Umbruch in Stuttgart nun abgeschlossen?
Trapattoni: Teilweise. Sehen Sie, manche Fußballspieler sind wie Schüler. Dem einen fällt alles in den Schoß und er kann in der dritten Klasse schon Probleme lösen, die andere vielleicht erst in der fünften Klasse beherrschen. Ich wußte, daß die Zeit für meine Mannschaft spielt.
Welt: Zeit wollten Ihnen aber weder Fans, Medien noch Vereinsführung geben. Haben Sie in Ihrer Karriere schon einmal solch massive Kritik erlebt?
Trapattoni: Natürlich, in Italien geht es noch viel schlimmer zu. Ich habe gelernt, damit umzugehen, und kann zwischen berechtigter Kritik und oberflächlicher Polemik unterscheiden. In Stuttgart konnte ich die Kritik in Teilen der Medien oft nicht ernst nehmen, da sie sich nicht damit auseinandergesetzt hat, was auf dem Platz wirklich vor sich geht.
Welt: Gibt es Unterschiede zwischen schwäbischer und italienischer Kritik?
Trapattoni: In Deutschland gibt es Sachen, die einfach nicht gesehen werden. Das sind viele Kleinigkeiten, die wir Tag für Tag verbessern. Deutsche und italienische Fans haben dagegen viel gemein. Sie fühlen sich in oft übertriebener Weise als Teil der Mannschaft. Sie kritisieren schneller und heftiger.
Welt: Kann Kritik Ihnen noch weh tun?
Trapattoni: Normal nicht mehr. Es sei denn, es wird geschrieben, daß ich Hinkel im Training aus Versehen Klinsmann rufen würde. Solche Berichte zeichnen ein Bild von mir, auf dem ich als völliger Idiot dastehe. So etwas über mich zu behaupten, ist unverschämt und ungezogen.
Welt: In der Vorrunde wurden gleich acht Trainer entlassen. Ist dies ein deutsches Phänomen?
Trapattoni: Nein, ich glaube sogar, wir Italiener waren die Ersten, die sich die Gewohnheit des schnellen Trainerwechsels zu eigen gemacht haben. Mein Eindruck ist jedoch, daß man sich in Italien mehr an fachlichen Gründen ausrichtet, während in Deutschland eher äußerem Druck nachgegeben wird und das Sportliche in den Hintergrund tritt. Es ist berechtigt, den Trainer zu entlassen, wenn die Spieler ihm nicht mehr folgen. In meinem Fall war es aber so, daß die Spieler freistehend vor dem Tor gescheitert sind oder individuelle Fehler gemacht haben. Da kann der Trainer gehen, diese Dinge bleiben.
Welt: Neben Ihnen gibt es in Bert van Marwijk nur noch einen zweiten ausländischen Trainer in der Bundesliga. Würde mehr internationaler Einfluß guttun?
Trapattoni: Ja, weil der Fußball wie die ganze Welt immer mehr globalisiert wird. Es gibt doch in der Realität längst keinen deutschen, italienischen oder englischen Fußball mehr. In diesen Zeiten muß man sich öffnen und international denken.
Welt: Ist dies dem deutschen Vereinsfußball gelungen?
Trapattoni: Der deutsche Fußball hat sich seit meiner Bayern-Zeit sehr verändert und ist besser geworden. Zum Teil, weil sehr viele gute ausländische Spieler in die Liga gekommen sind, die ihre Erfahrungen und ihr Wissen mitgebracht haben. Aber auch, weil die Liga taktisch wieder auf Augenhöhe ist.
Welt: Inwiefern?
Trapattoni: In den 90er Jahren hatte Deutschland ein großes Problem. Nach dem Weltmeistertitel hat sich die Bundesliga ein paar Jahre lang kaum weiterentwickelt. Jetzt hat man endlich den Libero abgeschafft und diese Entwicklung aufgeholt. Es setzt sich auch die Idee durch, daß sich nicht nur die Außenverteidiger, sondern auch die beiden Spieler in der Mitte am Spielaufbau beteiligen. Mit diesem System hätten eigentlich alle aufwachsen müssen.
Welt: Wo steht die Liga im internationalen Vergleich?
Trapattoni: Sie steht besser da als viele meinen.
Welt: Wie Norbert Meier damit lebt, der Rüpel der Bundesliga zu sein

Dopium des Geistes

Philosophieprofessor und Ruder-Olympiasieger Hans Lenk im Spiegel-Interview

Spiegel: In wenigen Tagen beginnt das Mega-Sportjahr 2006 mit der Fußball-WM. Wissen Sie schon, wie und wo Sie das Eröffnungsspiel gegen Costa Rica erleben werden?
Lenk: Keine Ahnung, ich weiß nicht einmal, wann es ist. Ich habe keinen direkten Kontakt mehr zum Fußball. Diese ganze Angelegenheit ist ein Faszinationsspektakel, das für mich zu hoch gespielt wird. Fußball, Fußball über alles! Da sage ich: ‚Nein danke’, obwohl ich einst erfolgreicher Jugendfußballer war.
Spiegel: Für manche gilt Bundestrainer Klinsmann als Hoffnungsträger, der mittels einer erfolgreichen WM den Deutschen den Aufbruch bescheren kann.
Lenk: Mit dieser penetranten Selbststilisierung: ‚Wir werden Weltmeister’? Mit Sicherheit nicht! Wir sind Weltmeister im Jammern und im Ankündigen sowie im Recht-haben-Wollen. Aber diese Großsprecherei gehört in der Mediengesellschaft natürlich auch dazu.
Spiegel: Sie werden die WM also nicht ernsthaft verfolgen im Fernsehen?
Lenk: Natürlich werde ich sie verfolgen, aber nicht ernsthaft. Ich werde mich amüsieren, hoffe auf brasilianische Kabinettstückchen der Ball-Eleganz! Mal sehen, ob die Deutschen, die Großathleten des Fußballs, sich wieder einmal so blasiert hinstellen und den Ball hin- und herschieben, als ob sie nicht laufen könnten, weil sie nicht anständig trainiert sind. Denn was ein Fußballer an körperlicher Fitness vorweist, das ist selbst bei Profis noch heute geradezu lächerlich gegen jeden Skilangläufer oder Ruderer oder Marathonläufer.
Spiegel: Was bedeutet es für die Befindlichkeit der Bürger, die WM im eigenen Land zu erleben?
Lenk: Zunächst einmal ist es ein ökonomisches Großereignis, und das Bruttoinlandsprodukt wird natürlich davon profitieren. Und insofern kann es sein, dass eine Art von Aufschwung mitverursacht oder beeinflusst wird. Es ist ein weiteres Glied in der Kette von teleökonomischen Superspektakeln, diesmal auf deutschem Boden.
Spiegel: Einen gesellschaftlichen Nutzen – neben dem ökonomischen – trauen Sie dieser WM in Deutschland nicht zu?
Lenk: Eine Fußball-WM ist ein großes Panem et circenses, zweifellos eine Art Opium des Volkes, man könnte es auch Dopium des Geistes nennen. Aber gesellschaftlicher Nutzen? Wenn Sie Ehrgefühl meinen, ja, das wird es in gewissem Sinne geben, wobei der größte Nutzen wäre, wenn sich die Deutschen präsentieren könnten als glänzende, faire Gastgeber. Ich denke, dass das deutsche Publikum besser sein wird als das griechische in Athen oder das italienische. Das wird eine positive Wirkung haben – vorausgesetzt, es gibt keine Zwischenfälle wie terroristische Akte.
Spiegel: Kann eine WM heute noch zur Völkerverständigung beitragen? Immerhin sind Spieler aus 31 Nationen zu Gast.
Lenk: Ich glaube nicht, dass sie von diesen Hochprofis ausgehen kann, die doch abgehoben sind gegenüber dem Normalverständnis. Der eigentliche sportliche Verständigungsgeist ist heute weniger bei einer Fußball-WM oder bei Olympischen Spielen zu finden als vielmehr bei den World Games der nichtolympischen Sportarten. Wir hatten die ja in Deutschland vor einiger Zeit, das war wirklich begeisternd. Da gab es Fair Play im alten Sinne: Ich erinnere mich an einen Tauziehwettbewerb, wo einer wegen Verletzung ausfiel, und dann ist auf der anderen Seite ebenfalls einer aus der Mannschaft rausgegangen – obwohl es da auch um einiges ging, und obwohl die Gegenmannschaft, soweit ich weiß, dazu nicht verpflichtet war. Stellen Sie sich das mal bei olympischen Endkämpfen heutzutage vor! Oder in einem Fußballfinale! Wenn einer wegen Verletzung ausfällt und nicht mehr ersetzt werden kann, ob dann bei der anderen Mannschaft auch einer rausgeht. Im Gegenteil, die werden gerade das kaltschnäuzig ausnutzen.
Spiegel: Für den WM-Titel hat der DFB für jeden Spieler 300.000 Euro ausgelobt. Ist in so einer Leistungsgesellschaft Fair Play überhaupt möglich?
Lenk: Das Dilemma beginnt ja schon im Kleinen. Es gibt berühmte Ex-Nationalspieler, die verlangen als Trainer von ihren Jugendlichen, sie müssten lernen, foul zu spielen – wenn auch ein einigermaßen ‚faires Foul’, was immer das heißen mag. Das sind ja Grotesken – leider reale und verbreitete.

FAZ: Theologe Hans Küng: „Fußball macht der Religion Konkurrenz”

Tsp-Interview mit Georg Buschner, Nationaltrainer der DDR

Der Schweizer Bundespräsident Samuel Schmid im NZZ-Interview über die EM 2008: „Der Politiker verhält sich nicht wie ein Unternehmer“

Welt: Wie Norbert Meier damit lebt, der Rüpel der Bundesliga zu sein

Georg Kofler im FAZ-Interview: „Wir werden unsere Abonnentenzahl stabil halten”
SZ-Interview mit Kofler

Ein Kaufmann, der sein Gut nur einem Schiffe traut,
Ist hochgefährlich dran, indem es bald kann kommen,
Dass ihm auf einen Stoß sein Ganzes wird genommen.
Der fehlt, der allzu sehr allein auf ein Glück baut.
(Paul Fleming / 1609-1640)

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

111 queries. 0,466 seconds.