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Deutsche Elf

Fußballer sind nicht offen für Neues

Oliver Fritsch | Mittwoch, 8. Februar 2006 Kommentare deaktiviert für Fußballer sind nicht offen für Neues

Heute ist Endspiel: Wer wird wann Technischer Direktor beim DFB? Matthias Sammer oder der „Hockey-Trainer“, wie Bernhard Peters verächtlich von der Knallpresse genannt wird. Erstaunlich, dass Peters und Sammer nach all dem Gezeter noch immer bereit sind. „Die Hoffnung der Nationalmannschaftsführung, daß im DFB-Präsidium über Konzepte statt über Köpfe gestritten wird, ist nicht mehr allzu groß“, seufzt die (FAZ). Ein schönes Interview lesen wir heute in der FAZ. Christian Schulte, Unternehmensberater und Nationaltorhüter im Hockey nennt die Stärke Peters‘ und schreibt den Fuballern hinter die Ohren: „Das Sichtungssystem aufzubauen, ein strukturiertes Förderungskonzept zu entwickeln, das hat Peters schon beim Hockey sehr, sehr erfolgreich geschafft. Das hat er vor schätzungsweise zwanzig Jahren mit Cheftrainer Paul Lissek etabliert. Von den Früchten leben wir heute noch. Als Unternehmensberater versuchen wir, Strukturen in Vertriebssysteme zu etablieren, und da sagt auch jeder: Ja, aber es ist doch ein ganz anderes Aufgabenfeld, ob wir nun Chemikalien verkaufen oder Pizza. In bestimmtem Maß ist das richtig; aber wenn die Strukturen stimmen, die man hinter diese Aktivität legt, und diese ständig überprüft werden, dann ist die Wahrscheinlichkeit, Erfolg zu haben, deutlich größer, als wenn man nur sagt: Wir wollen Weltmeister werden, und jetzt schau‘n wir mal. Daher halte ich Peters für einen sehr guten Mann, und ich kann den DFB sehr gut verstehen, wenn er ihn nimmt. Wir können aus vielen Sportarten etwas abschauen. Nehmen wir das Beispiel Leichtathletik: Alle Fußballtrainer werden nicht so vermessen sein zu sagen: Leichtathleten können uns nichts beibringen, die laufen ja nur hundert Meter geradeaus. Ähnlich sehe ich das mit unserem Sport. Da gibt es Systeme, Überlegungen, wie wir Angriffe nach vorne bringen, es gibt bei uns Ideen, wie wir mit Standardvarianten, mit Standardsituationen umgehen. Die sehe ich beim Fußball überhaupt nicht. Entweder wird das Ding vom 16er direkt aufs Tor geschossen, oder es gibt eine Flanke vors Tor und dann halt einen Kopfball. Die Variantenvielfalt kann man vom Hockey lernen, dann die Analysekonzepte wie Spielnachbetrachtung, einzelne Spieler zu beurteilen oder das gruppentaktische Verhalten, all das macht Bernhard vorbildlich. (…) Ich habe recht unterschiedliche Eindrücke von Fußballern – ich kenne Darius Kampa von Borussia Mönchengladbach, der ist ein pfiffiges, aufgeschlossenes Kerlchen, ein netter Typ, der auf mich nicht den Eindruck macht, als wüßte er nicht, daß es neben dem Fußball auch etwas anderes gibt. Ich weiß aber auch aus Erzählungen von Pele Wollitz, der mittlerweile den VfL Osnabrück trainiert, von der völligen Verschlossenheit von Fußballern allem Neuen gegenüber. Es gibt da ein schönes Beispiel: Als er seinen Leuten sagte, wir spielen heute mal auf drei Tore, damit wir lernen, auf Außen zu spielen und Angriffe zu fahren, kamen Kommentare wie diese: Trainer, spielen wir am Wochenende auch auf drei Tore? Fußballer sind noch nicht open minded, nicht offen für Neues.“

Stefan Hermanns (Tsp) nimmt Notiz: „Wenn es nach dem Deutschen Hockey-Bund geht, dürfte sich die Entscheidung beim DFB ruhig hinziehen. So prominent wie zuletzt wurde selten über die Sportart berichtet. Dank Peters hat inzwischen auch eine breite Öffentlichkeit mitbekommen, dass der DHB trotz beschränkter Mittel höchst innovativ arbeitet. Die positive Resonanz macht es ein bisschen erträglicher, dass der DFB in Sachen Peters bis heute keinen Kontakt zum Hockey-Bund aufgenommen hat.“

Beleidigt

Jan Christian Müller (FR) empfiehlt der sportlichen Führung, auf die Präsidiumsmitglieder zuzugehen: „Klinsmann und Bierhoff werden zu Recht dem Vorwurf ausgesetzt sein, auf vertrauensbildende Maßnahmen im Vorfeld ihrer geplanten Inthronisierung eines zweifellos hoch qualifizierten, aber in der Szene erwartungsgemäß mit Argwohn beäugten Hockeytrainers verzichtet zu haben. Dass sie bei den Ehrenamtlichen im Verband in dieser Frage auf Widerstände stoßen würden, muss beiden klar gewesen sein. Derlei Widerstände, die möglicherweise ja vor allem emotional begründet sind und viel weniger fachlich, können einfühlsam mit den Händen aus dem Weg geräumt werden oder – Versuch gescheitert! – barsch mit den Füßen. Es ist deshalb gut, dass Bierhoff sich die Mühe macht, seinen Urlaub am anderen Ende der Welt zu unterbrechen, um die notwendige Überzeugung persönlich zu leisten. Denn dass die – wegen der (von wem auch immer zu verantwortenden) merkwürdigen Informationspolitik über die Medien spürbar beleidigten – Präsidiumsmitglieder lieber überzeugt als vom berechtigten Reformeifer Klinsmanns und Bierhoffs überfallen werden wollen, ist nachvollziehbar.“

FR: Möglicherweise haben Peters und Sammer bald Seite an Seite einen neuen Job im deutschen Fußball

Faule Tricks

Was sagt eigentlich der Emotionsjournalist dazu? Die Sport Bild findet das „fiese Spiel von Klinsmann“ ganz gemein. „Wie der Bundestrainer Matthias Sammer austricksen wollte“, verspricht sie uns auf Seite 1 Aufklärung. Bei der Lektüre stellt sich jedoch heraus, dass Klinsmann nur, was ja interessant genug ist, seine Idee mit den Bayern abgesprochen hat. Wie er’s macht, macht er’s falsch. Genau das wurde von den gleichen Autoren doch immer verlangt: dass er den Kontakt zur Liga hält. Genau deswegen wurde nach etlichen Kampagnen ein „Arbeitskreis Nationalmannschaft“ eingeführt, dessen Sprecher, na wer wohl?, der Bayern-Manager Uli Hoeneß ist. Nun lautet die Anklage: „Mit Bayern unter einer Decke“. Auch im Editorial der Sport Bild gibt’s heute Kraut und Rüben. Es heißt, Klinsmann mache kein Geheimnis daraus, warum er Sammer ablehne, nämlich aus Angst vor einem Konkurrenten; das wirft ihm die Sport Bild vor: „Seinen Torhütern mutet Klinsmann Konkurrenz zu, in eigener Sache möchte er jeden Leistungsdruck vermeiden.“ Das ist aus vier Gründen Unsinn: 1. Ein Trainer, besonders der deutsche Nationaltrainer, besonders Klinsmann, steht immer unter Beobachtung; Klinsmann weiß das und macht zum Beispiel die Verlängerung seines Vertrags vom Erfolg abhängig. 2. Spieler und Trainer sind zwei verschiedene Jobs. Spieler haben vor allem Konkurrenz von innen, Trainer ausschließlich von außen. Wie sollen wir uns das Szenario denn bitte schön vorstellen, wie es sich die Sport Bild wünscht? Zwei konkurrierende Trainer in einer Mannschaft? Das kann doch nicht ernst gemeint sein. 3. Klinsmann hat gar nicht gesagt, wie ihm unterstellt wird, dass er die Konkurrenzsituation mit Sammer scheue. Zumindest ist uns nichts bekannt, und auch die Sport Bild kann nur indirekte Zitate liefern. 4. Selbst wenn er es gesagt hätte, selbst wenn er Angst vor Sammers scharrenden Hufen hätte – na und, was wäre daran verwerflich?

Also nichts mit faulen Tricks – jedenfalls, was Klinsmann betrifft. Wie sehr die Diskrepanz zwischen Titel und Text bei der Sport Bild Methode hat, zeigt ein Bericht über die Arbeit Bernhard Peters‘, worin sehr genau darstellt wird, wie professionell er vorgehe und dass er übers Wasser gehen könne und so weiter. Doch die Überschrift lautet: „Das blüht dem DFB“. Welche Blüten treibt das Silikon-Fachblatt Bild heute? „Klinsi droht Klatsche“, reibt man sich die Hände und berechnet die Erfolgswahrscheinlichkeit von Klinsmanns Wunschmodell Peters auf ein Prozent. Was noch? Bild zeigt ein Foto des Konferenzsaals, in dem die Entscheidung heute getroffen wird (gähn), und den tiefen Ausschnit von Sarah Connor. Ach ja, Sport-Bild-Kolumnist Lothar Matthäus schreibt auch dies und das dazu.

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