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Strafstoss

Strafstoß #23 – 13. März 2006 Reine Nervensache 8 – Es regnet nie im südlichen Kalifornien

Oliver Fritsch | Montag, 13. März 2006 Kommentare deaktiviert für Strafstoß #23 – 13. März 2006 Reine Nervensache 8 – Es regnet nie im südlichen Kalifornien

von Herrn Bieber und Herrn Mertens

Mathias Mertens: Lieber Bieber, was meinen Sie dazu, dass sich der Teamchef am Pazifik sonnt, während sich Trainer und Manager im hiesigen Dauerherbst um die Schadensbegrenzung bemühen müssen? Als Angehöriger der Universitätsdozentenklasse müssten Sie doch mit DiMiDo-Existenzen vertraut sein.

Christoph Bieber: Ach, Herr Mertens, möchten Sie nun wirklich über die leidige Wohnsitzdebatte reden? Dazu hat doch nun wirklich fast jeder auch beinahe alles gesagt. Und wenn Guus Hiddink gleichzeitig den PSV Eindhoven durch die holländische Ehrendivision führen und mit Australien zur WM fahren kann – wie wollen wir dann noch über Klinsmanns Luxus-Pendelei reden?

MM: Indem wir es mal auf andere gesellschaftliche Bereiche beziehen und daraus unsere Schlüsse ziehen. Und zwar nicht auf die unvermeidliche Wirtschaft, in der die Chefs ja angeblich inzwischen weltweit spielen müssen, das hinkt ja ebenso wie es abgelutscht ist. Nein, mehr auf der Herberger-Linie des Freundeseins, vielleicht noch einen Schritt weiter. Wenn die Nationalmannschaft eine große Familie darstellte, wäre dann Klinsmann Papa oder Mama, und was würde das für seine Anwesenheit bedeuten?

CB: Oh, sie meinen, wir sollten eine Art „Familienaufstellung“ für die Nationalmannschaft vornehmen? Wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee, möglicherweise hätte man auf diese Weise sogar die Italiener etwas besser in Schach halten können. Zu ihrer Frage: Ich glaube, die Nationalmannschaftsfamilie ist so groß, da müssen wir den Blick noch über Klinsmann hinaus werfen: Über allen thronen doch die Old School-Patriarchen Mayer-Vorfelder und Zwanziger, die sich allerdings mit der von keiner gängigen Struktur fassbaren Lichtgestalt Franz Beckenbauer auseinander setzen müssen. So gesehen können Jürgen Klinsmann, Jogi Löw und Oliver Bierhoff maximal als noch drei Männer mit elf bis dreiundzwanzig Babies gelten, oder?

MM: Ja, aber da sind sie doch, die Probleme! Wer wickelt? Wer steht nachts auf, wenn die Babies schreien? Wer weiß, welches Kuscheltier zu welcher Tageszeit welches Wehwehchen löst? Wer darf außer Haus sein, weil er das Geld ranschaffen muss, und wer darf ab und zu übers Müttergenesungswerk zur Regeneration in die Sonne fliegen?

CB: Mhm, so gesehen ist die Angelegenheit wohl eher für etwas für das Famlienministerium und nicht für den Sportausschuss. Aber von Frau von der Leyen haben wir bisher noch kein Statement gehört. Angesichts der vielen Fragen, die unsere kleine WM-Familie zu lösen hat, geht Klinsmann aber doch eigentlich den einzig richtigen Weg – für fast jedes Spezialproblem einen Spezialisten mit Spezialkompetenz. Anders läuft´s in der Politik ja auch nicht, Komplexitätsreduktion durch Differenzierung. Nur: Das Rollenbild „Super-Nanny“ ist in Fußballerkreisen wohl kaum mehrheitsfähig.

MM: Dabei habe ich Frau von der Leyen gestern in den Tagesthemen einen Fußball signieren sehen. Außerdem hat sie auch diese Mischung aus Domina-Aura bei gleichzeitiger Audrey-Hepburn-Statur. Und sie hat doch mit ihrem Mann fast eine komplette Fußballmannschaft gestiftet und großgezogen, als uneingeschränkte Teamchefin. Je länger ich über sie nachdenke, desto besser scheint sie mir in die – Verzeihung – das Bild zu passen, das in der Debatte um Klinsmann implizit ist. Natürlich ist das in den drei- und vierbuchstabigen Institutionen nicht mehrheitsfähig, aber wie bei allen Pantoffelhelden ist es das, was sie sich abseits der Beobachtung wünschen und dem sie sich willfährig ergeben würden.

CB: Und zu welchem Ende führt uns das nun in der Debatte um Klinsmanns Flugmeilen und den Segen im hohen Haus des deutschen Fußballs? Braucht der Bundestrainer eine Ministererlaubnis für seine Amtsführung? Werden die Subventionen für den Fußballkonzern gestrichen oder wird er vollends verstaatlicht? Folgt auf die Föderalismus- nun auch noch die Fußballreform?

MM: Das ist mit einer popeligen Großen Koalition aber nicht zu machen. Solange der FC Bayern nicht an der Regierungsbildung beteiligt ist, wird sich in diesem Land doch nichts ändern.

CB: Sie meinen also, wenn Edmund Stoiber (falls es Ihnen entgangen ist: immerhin Chef des FCB-Verwaltungsbeirats) sein Ministeramt ordnungsgemäß angetreten hätte, wäre alles anders gekommen? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

MM: Doch, dann hätte sich nämlich die Wohnortdebatte erübrigt. Denn warum soll es besser sein, in Deutschland und nicht in Kalifornien zu wohnen, wenn man noch nicht einmal vom Münchner Hauptbahnhof zum Franz-Josef-Strauß-Flughafen kommen kann? Wie hätte man dann überhaupt von Stuttgart zum Fifa-Workshop nach Düsseldorf fahren können?

CB: Da, äh, äh, haben Sie wohl, äh, äh, rechts. Äh, Recht.

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