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Bundesliga

Rhetorik aus der Volkshochschule

Oliver Fritsch | Samstag, 25. März 2006 Kommentare deaktiviert für Rhetorik aus der Volkshochschule

Richard Leipold (FAZ) will Jürgen Kohler die Maske entreißen: „Kohler gehört nicht zu den Fußball-Lehrern, die das Publikum aufgrund ihres Charismas faszinieren. Aber zwei Stilmittel hält der Cheftrainer des MSV, der sportlich bisher wenig bewegt hat, konsequent durch, wenn er vor die Medien tritt: ein je nach Situation zum Grinsen steigerbares Lächeln, das Freude am Leben ausdrückt; dazu ein paar verbale Versatzstücke, die einstudiert klingen – als hätte er sie in einem Rhetorikkurs an der Volkshochschule gelernt. ‚Das ist das leichteste Spiel der Saison‘, behauptet Kohler vor dem Heimspiel gegen den FC Bayern München. Aus seinen Worten spricht eine humoristisch anmutende und in Teilen vielleicht auch so gemeinte Sicht auf den von Woche zu Woche ernster werdenden Ernst des Fußball-Lebens. Gegen den deutschen Rekordmeister könne seine Elf nur gewinnen. Fragt sich nur, wie. Diese Frage bleibt unbeantwortet, soviel sei schon verraten. Vermutlich könnte sie nicht einmal ein rhetorisches Naturtalent beantworten.“ Ulrich Hartmann (SZ) gibt die Schwierigkeit zu bedenken, die Kohlers Arbeit enthält: „Auf der Suche nach einem womöglich nervösen Trainer begegnete man in dieser Woche einem blendend gelaunten Animateur aus dem Ferienklub. ‚Mensch, traumhaftes Wetter!‘, flötete Kohler mit der Überschwänglichkeit des seligen Dauerurlaubers. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, da genießt einer sein junges Trainerleben wie den Frühling nach einem langen Winter. Doch Kohlers sonniges Gemüt versucht nur die Melancholie zu kaschieren, in die der Duisburger Fußball wieder mal geraten ist. (…) Kohler hat im Januar mit aufgekrempelten Ärmeln erstmals eine Klubmannschaft übernommen, der er unter Zuhilfenahme eines Psychologen und eines Ernährungsberaters die Erstligatauglichkeit beizubringen gedachte. Doch die Probleme saßen tiefer. Kohlers Vorgänger Norbert Meier hatte eine Mannschaft zusammengestellt, in der allenfalls der Torwart Georg Koch und der Stürmer Klemen Lavric Bundesliganiveau besaßen. Im Winter durfte Kohler vier Spieler zukaufen, von denen Marco Caligiuri und Mihai Tararache das Niveau steigerten, während über den südkoreanischen Stürmer Jung-Hwan Ahn ein Leserbriefschreiber schimpfte, von diesem Geld hätte man dem Duisburger Zoo besser eine Überdachung spendiert.“

Intern schonungslos

Tobias Schächter (BLZ) räumt mit der Mär auf, in Mainz ginge es stets lustig zu: „Die Macher des selbsternannten Karnevalsvereins sind viel ehrgeiziger und zielstrebiger als landläufig angenommen. Natürlich könnte man die Geschichte, die seitdem passiert ist, auch so schreiben: In Mainz fahren sie in der Krise einfach ein paar Tage in den Hunsrück und erklären danach, die Saison beginne noch einmal bei Null. So einfach ist das. Es folgt ein Unentschieden in Dortmund, ein Kantersieg gegen Gladbach und ein verdienter Auswärtstriumph in Leverkusen. Stimmt zwar alles. Aber: Die Stunde Null hat es weder in Deutschland 1945 gegeben noch beim FSV Mainz 05 im Februar 2006. In Mainz berufen sie sich in Krisenzeiten auf die gemeinsamen Erfahrungen der letzten Jahre. Immer wieder gelang es der Mannschaft und ihrem Trainer, sich selbst aus kniffligen Situationen zu befreien. Und Jürgen Klopp, der Obertrotzkopf, ist zudem kein Zauberer und auch kein Scharlatan. Er ist entgegen dem gern vom Boulevard verbreiteten Bild des sympathischen Hausfrauenlieblings mit den lockeren Sprüchen zuvorderst ein harter Arbeiter, der viel von sich und seinen Spielern verlangt. Klopp ist intern schonungslos in der Analyse, seine Ansprache mitunter laut und manchmal hart an der Grenze des Verletzenden. Aber der fußballverrückte Klopp ist auch selbstkritisch.“

Großer Verlust für die Branche

Über die Stimmung in Köln lesen wir von Gregor Derichs (FAZ): „Hanspeter Latour baut auf das ungebrochene Interesse der bemitleidenswerten Fans. Seinen Spielern erklärte er, daß der Massenandrang ’symbolisiert, daß man uns noch etwas zutraut‘. Für ein Spektakel wie beim 3:4 gegen Nürnberg sind die Kölner immer gut. Auch das Hinspiel gegen Frankfurt bot mit einem 3:6 höchsten Unterhaltungswert, gilt aber als eine der schwächsten Leistungen des FC-Teams. Gelingt gegen die Hessen wieder kein Sieg, dürfte die letzte Hoffnung auf eine Rettung sterben. Der vierte Abstieg nach 1998, 2002 und 2004 wäre auch ein großer Verlust für die gesamte Branche, denn Köln mit einem schönen Stadion und sehr begeisterungsfähigen Fans gehört zu den stimmungsvollsten Standorten der Bundesliga.“

FR: Das Heidelberger Fußballmärchen – mit der Wahl des Standorts für die geplante Arena konkretisiert sich die Vision Dietmar Hopps, seiner Heimat einen Bundesligisten zu schenken

taz: Die Torwartfrage ist international, auch in Frankreich streiten sich zwei um den Posten im Kasten: Fabien Barthez oder Grégory Coupet – das ist die Frage, die Frankreich bewegt

NZZ: Der knochenharte Verteidiger am Dirigentenpult – Der argentinische ‚Caudillo‘ Diego Simeone tauscht den Spielerdress mit dem Trainerstuhl von Racing de Avellaneda

Welt: Sönke Wortmann hat seine erste TV-Serie gedreht und soll nun die WM dokumentieren

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