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Bundesliga

Kaiserslautrig

Oliver Fritsch | Dienstag, 28. März 2006 Kommentare deaktiviert für Kaiserslautrig

Nach dem 0:3 in Kaiserslautern – Tobias Schächter (SZ) fällt der arge Mißmut der Gladbach-Fans auf: „Wie alarmierend die Situation mittlerweile ist, bewies die Reaktion der Anhänger nach dem Abpfiff der Tortur. Bierbecher flogen den Profis entgegen, und bittere Hohngesänge wurden angestimmt. Bei einer Mannschaft, die in der Tabelle nur drei Punkte von Platz 5 entfernt platziert ist, sind derlei Unmutsbekundungen der Anhängerschaft nicht gerade üblich. In Gladbach aber sitzt der Frust tief. In Kaiserslautern feierte derweil Wolfgang Wolf ‚den wichtigsten Sieg‘ seiner Amtszeit. Zum Fürchten gab die engagierte Leistung der Lauterer aber keinen Anlass. Der Erfolg kam vor allem zustande, weil Gladbach noch kaiserslautriger spielte als Kaiserslautern im bisherigen Saisonverlauf.“

Überzeugungstäter

Peter Heß (FAS) porträtiert Hans Meyer, der sich Lob trotz seiner Erfolgsbilanz verbittet: „Wie geht das? Solch eine Blüte, wo zuvor nur Wüste war, und das in so einer kurzen Zeit? Es gibt für Fußballjournalisten kaum angenehmere Berufssituationen, als diese Frage an die Person zu richten, die dieses Naturwunder geschaffen hat. 99,9 Prozent der Fußballtrainer werden mehr oder weniger stolz, aber auf jeden Fall bereitwillig über ihre Arbeit berichten. Das gilt nicht für Hans Meyer. Schmeichelnde Fragen nach dem Erfolgsgeheimnis kontert er im besten Falle mit Selbstironie, oft mit Sarkasmus und meistens mit dem Hinweis, daß es im Fußball keine Geheimnisse gibt. Sie sind ihm zuwider, die Claqueure und Schulterklopfer in den Medien, die seine Maßnahmen als genial darstellen, seine Persönlichkeit als vorbildlich, seinen Humor als köstlich und sein psychologisches Geschick als immens. (…) Einer dieser bescheidenen Typen, sozialisiert in der DDR, das Kollektiv ist alles, das Individuum nichts. Doch die Furcht vor einem langweiligen Gespräch ist unbegründet. Meyer kommt nicht mit falscher Bescheidenheit daher, sondern hat die schlechten Erfahrungen, die er in fast 33 Trainerjahren machte, zu einer ehrlichen Selbsteinschätzung destilliert: ‚Ich kann die Taktik noch so geschickt wählen, die Spieler noch so gut motivieren, noch so perfekt trainieren: Wenn wir viermal nacheinander verloren haben, wenn dich der Vorstand nicht mehr grüßt, wenn die Mannschaft in Grüppchen zerfällt, wenn im Umfeld das Hauen und Stechen beginnt, wenn alle sich gegenseitig nur noch Schuld zuweisen, dann hilft dem Trainer keine seiner Fähigkeiten, sondern nur noch ein Sieg.‘ Diese Hilflosigkeit hat Meyer in Mönchengladbach erlebt – und so ist es auch seinem Vorgänger Wolfgang Wolf ergangen. Das bedeutet aber nicht, daß Meyer deswegen an seiner Kompetenz oder an der Kompetenz des Kollegen zweifeln würde. (…) Was den Umgang mit Meyer bei all seinen Schrulligkeiten, seiner Bärbeißigkeit und seinem schrägen Humor leicht macht, ist dessen Ausstrahlung. Wie er auch tobt, nörgelt, spottet oder auch schreit, alles wirkt, als stünde in Klammern ein Augenzwinkern dahinter. Mit 63 ist Meyer kein Getriebener mit flackerndem Blick und messianischem Eifer, keiner, der sich und anderen etwas beweisen muß, er ist Überzeugungstäter, und er ist ein Genießer mit Leidenschaft. Meyer liebt den Fußball – aber ungeschminkt.“

Poster von Ulf Kirsten oder Carsten Ramelow

Dämmert es in Leverkusen? Peter Ahrens (SpOn) sagt allen Zweiflern und Lästerern seiner Generation eine Leverkusen-Romantik voraus: „Die üblichen Bayer-Hasser, die sich mit dem gängigen Wortarsenal Plastikclub, Konzernfiliale, Betriebssportgruppe ausgerüstet haben, mögen sich am VfL Wolfsburg abarbeiten. Die Ära des Größenwahns, der in der Figur Reiner Calmund die optische Entsprechung hatte, ist in Leverkusen glücklicherweise vorbei. Ein guter Moment anzuerkennen, was rund um den Verein geleistet wird. Ich kenne in meinem Dunstkreis der Enddreißiger niemanden, der sich eine emotionale Nähe zu Bayer Leverkusen nachsagen ließe. In dieser Altersgruppe war sympathiemäßig das Fell zwischen Gladbach, HSV, Schalke, meinetwegen auch Bayern bereits auf ewig verteilt, bevor Leverkusen die Bundesliga-Bühne betrat, und für die sportliche Abteilung eines Konzerns war Naserümpfen die einzig adäquate Reaktion. Eine Haltung, die die meisten von uns bis heute konsequent durchgehalten haben. Aber unter den Kindern meiner Bekannten sieht das vollkommen anders aus: Bei den Sechs- bis Zwölfjährigen grassiert Leverkusen-Fanfreundschaft. Für diejenigen, die erst in den vergangenen zehn Jahren ihre Fußballsozialisation erhalten haben, ist Bayer ein Verein fast wie Bayern oder Gladbach in den Siebzigern. Leicht befremdet haben Eltern Poster von Ulf Kirsten oder Carsten Ramelow in den Zimmern ihrer Kinder zu dulden, so wie wir früher in unserer kindlichen Arglosigkeit Rainer Bonhof plakatiert haben. In fünfzehn bis zwanzig Jahren werden sich postpubertäre Fußballpop-Journalisten feuchten Auges an Hans-Peter Lehnhoff und Jan Heintze erinnern, wie wir es heute mit Calle del‘ Haye und Christian Kulik tun. Letztens hat mir ein holländischer Freund, ohne mit der Wimper zu zucken, kundgetan, das beste deutsche Vereinsteam, das er in den vergangenen zwanzig Jahren gesehen habe, sei die Bayer-Elf des Jahres 2002 unter Trainer Toppmöller mit Ballack, Lucio et cetera gewesen. Ich weiß nicht, ob das nur eine holländische Gemeinheit gegenüber allen FC Bayern-Fans sein sollte. Aber er klang sehr ernsthaft dabei. Vergleiche mit dem VW-Club aus Wolfsburg verbieten sich daher.“

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