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Wiederauferstehung am Ostersonntag

Oliver Fritsch | Dienstag, 18. April 2006 Kommentare deaktiviert für Wiederauferstehung am Ostersonntag

Alemannia Aachens Aufstieg, ein Osterspiel, nicht ganz werktreu – Bernd Müllender (BLZ): „Seit zwei Wochen war der Aufstieg nur noch eine Frage der Zeit. Nur, wann genau würde es soweit sein? Ein Mitarbeiter der Geschäftsstelle empfand die Situation ‚wie bei einer Hochschwangeren‘, da wisse man ‚auch nie genau, wann die Wehen einsetzen‘. Wenig geübt im Ausrechnen der möglichen Niederkunft zeigten sich sowohl der Klub mit seiner Internetseite als auch die Lokalpresse: Beide überboten sich im meisterlich falschen Kalkulieren möglicher Wenn-Dann-Ergebnisvarianten. Da befürchtete man schon, dieser Klub steige am Ende auf – und merke es gar nicht. Kapitän Erik Meijer meldete sich zum Osterprogramm mit der Familie ab, blieb aber in Rufbereitschaft. Die Spiele am Gründonnerstag waren noch Fehlalarm, Cottbus gewann – also keine Frühgeburt. Am Sonntag aber half der 1. FC Saarbrücken als eine Art Fernhebamme: Die Saarländer besiegten Fürth 1:0, dadurch war, passend für eine Bischofsstadt, die Wiederauferstehung am heiligen Ostersonntag geschafft. Der Rest waren Frohlocken, Intensivsuff, Dankgebete, Autocorsi und Karneval. Bleibt die Frage trotz des Jubels: Wie will sich diese Elf in Liga eins halten? Eine nüchterne Antwort der Fans: Der FSV Mainz 05 hat es doch vorgemacht, mit Gemeinschaftsgefühl statt Ego.“

Skurriler Charme

Richard Leipold (FAZ) führt den Erfolg auf das Geschick der Vereinsführung zurück: „Obwohl der Erfolg sich seit langem abgezeichnet hatte, entfachte die Vollzugsmeldung aus dem Saarland einen Sturm der Begeisterung, wie er nur an wenigen Standorten des kickenden Gewerbes möglich erscheint. Daß Spieler und Fans gemeinsam in einer Kneipe feiern, kann man sich, außer vielleicht in Mainz, bei keinem anderen Bundesligaverein vorstellen. Aachen hat lange auf diesen Tag warten müssen. Zwischendurch gestürzt bis in die dritte Klasse, hat der Klub sich langsam wieder hochgearbeitet, am uralten Tivoli, dessen bauliche Begebenheiten Staunen darüber hervorrufen, daß dort Profispiele ausgerichtet werden. Im Zeitalter der Videowürfel zeigt dort noch immer eine alte Uhr, wie sie früher auf Bahnsteigen zu sehen war, den Fans wie den Spielern an, was die Stunde geschlagen hat. In einem Ambiente, das an das Millerntor erinnert, hat Jörg Schmadtke moderne Strukturen geschaffen. Daß der Manager sich vor Jahren auf eine Stellenanzeige im kicker beworben (und den Job bekommen) hat, beschreibt neben vielem anderen den skurrilen Charme der Alemannia. Inzwischen gilt Schmadtke ebenso wie Trainer Hecking als umworbener Fachmann mit einem Auge für Talente, die von anderen übersehen werden.“

Höhepunkt

Erik Meijer verspricht der Welt: „Wir bringen der Bundesliga den Fußball zurück, wie er früher einmal war und wie ihn sich viele wünschen. Die meisten Anhänger und auch die meisten Spieler mögen den englischen Fußball. Sie mögen, wie es dort zur Sache geht, die Nähe der Fans und die fantastische Stimmung in den Stadien. Der Tivoli ist ein englisches Stadion auf deutschem Boden. Man kann den Rasen riechen, die Spieler fast anfassen und bekommt für nur 8 Euro einen unüberdachten Stehplatz hinter dem Tor. Für jeden Fußballfan ist ein Spiel auf dem Tivoli ein Leckerbissen.“ In der taz blickt Meijer auf seine Karriere zurück: „In Eindhoven habe ich mit Ronaldo zusammen spielen dürfen, als der mit 17 zum PSV kam. Ich mach gerade eine DVD, da ist dabei: Flanke vom kleinen Ronaldo, Kopfballtor Erik Meijer, sehr schön. Mit Uerdingen hab ich noch Bundesliga gespielt – das können nicht mehr viele sagen heute. Danach Leverkusen: eine Superzeit, Champions League, Uefa-Cup, zweimal Zweiter. Ein Spiel für Oranje. Ungeschlagen. 6:0 gegen San Marino. Ich hätte die Zahl gern verdoppelt, aber ich komme aus einem Land mit vielen guten Mittelstürmern. Aber vor allem waren da noch als wirkliches Geschenk die eineinhalb Jahre Liverpool, mein Lieblingsverein. Da war vorne auch viel Konkurrenz: Robbie Fowler, Emile Heskey, Michael Owen. Ich war achtmal in der Startelf, wir haben nie verloren. Nicht schlecht, oder? Liverpool ist die Hölle, wunderbar. Wenn ich heute irgendwo You‘ll never walk alone höre, gehen mir immer noch die Haare hoch. Und dann kamen noch HSV drei Jahre. Hamburg ist nach Rom die schönste Stadt, die ich kenne. Und als absoluter Höhepunkt: drei Jahre Alemannia Aachen. Besondere Jahre.“

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