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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ascheplatz

Unsitte

Oliver Fritsch | Freitag, 28. April 2006 Kommentare deaktiviert für Unsitte

Die Online-Ausgabe der Zeit stimmt dem Urteil des Bundesgerichtshofs zu, der Fifa die Namensrechte an dem Begriff „Fußball-WM 2006“ zu verweigern: „Dass die Karlsruher Richter den Weltverband in die Schranken weisen, ist richtig. ‚Fußball WM 2006′ ist eine ganz normale sprachliche Bezeichnung für dieses Ereignis. Dadurch wird eine Unsitte erschwert, die sich in jüngster Zeit stark verbreitet hat: Der Versuch von Unternehmen, sich alltägliche Wortwendungen, Namen oder sogar Farbtöne rechtlich schützen zu lassen – um dann jene abzukassieren, die teils aus purer Unwissenheit den falschen Satz sagen. Die Fifa ist in ihrem Kontroll- und Vermarktungszwang jetzt erst einmal gebremst. Den Wirrwar von offiziellen Fördern, Sponsoren und Einfach-nur-auf-den-Zug-Aufspringern hat ohnehin wohl niemand mehr außerhalb der Fifa-Rechtsabteilung durchschaut. Pech nur für jene, die an die Fifa hohe Lizenzgebühren gezahlt haben. Andererseits können sie die Summen auch als Lehrgeld verbuchen. Denn dass die WM zum größten deutschen Marketingereignis werden würde, war abzusehen. Und jede Werbung funktioniert bekanntlich nur, wenn sie Aufmerksamkeit erzeugt. Wenn aber viele – oder gar alle – mit demselbem Ereignis werben, ist auch das schönste Alleinstellungsmerkmal irgendwann futsch.“

Kein Besitz

Die Financial Times Deutschland befaßt sich mit der Folge des Urteils für die Fifa: „Diese Niederlage ist ein schwerer Schlag für die Fifa. Das Urteil ist für den Fußballverband wie das entscheidende Gegentor in der 90. Minute des WM-Endspiels: Das Großereignis steht unmittelbar bevor, es bleibt keine Zeit mehr, das Spiel zu drehen. Das Anliegen der Fifa war verständlich: Ohne sie gäbe es die WM nicht, und so wollte sie sich die Markenrechte daran in großem Umfang schützen lassen. Aus ihrer Sicht musste sie den Schutz beantragen, weil er ein Argument war, um von den offiziellen WM-Sponsoren sehr viel Geld verlangen zu können. Das war für das Gericht nicht relevant. Zum Glück nicht. Die Entscheidung zeigt der Fifa klar, wie weit die Rechte an ‚ihrem‘ Sportereignis gehen – und dass sie nicht jede Bezeichnung, die sich darauf bezieht, als ihren Besitz reklamieren kann. (…) Der Richterspruch gilt freilich nur für Deutschland. Ein negativer Effekt mag daher sein, dass Veranstalter großer Sportevents diese künftig ungern nach Deutschland vergeben. Aber von solchen Erwägungen lassen sich Richter hier zu Lande nicht leiten. Zum Glück.“

SZ (Hintergrund): Herbe Niederlage für die Fifa – der Fußballverband hatte „Fußball WM 2006“ für Hunderte Waren und Dienstleistungen als Marke eintragen lassen; nun hat der Bundesgerichtshof der Fifa auf die Finger geklopft

Patient am Tropf

Johannes Röhrig (Stern) blickt in die Bilanzen der Fußballabteilung Bayer Leverkusens und stellt die Abhängigkeit vom Mutterkonzern fest: „Die sportlichen Erfolge – viermal Vizemeister – haben überdeckt, dass das Management unter Reiner Calmund und Wolfgang Holzhäuser den Verein finanziell fast ins Aus manövriert hatte. Teure Spielereinkäufe und eine sportliche Flaute, die 2003 fast den Abstieg bedeutet hätte – das reichte, um die Weiterführung des Spielbetriebs massiv zu gefährden. Um die Pleite zu verhindern, musste die Pharma-Mutter Bayer zuletzt zusätzlich mindestens 70 Millionen Euro in den Spielbetrieb stecken. In normalen Zeiten überweist die Marketingabteilung der Bayer AG pro Saison 25 Millionen an die Fußballabteilung, als Image-Geld für den Werbeeffekt. Mit den Einnahmen aus TV-Geldern und Stadioneintritt soll es der Klub finanziell schaffen und möglichst international mitspielen. Mitte 2003 brach dieses Gefüge zusammen. Damals ging es wegen wegbrechender TV-Einnahmen vielen Erstligavereinen schlecht, aber in kaum einem war die Situation so dramatisch wie in Leverkusen, wie sich nun zeigt. Die Fußball-GmbH schloss ihr Geschäftsjahr mit einem Minus von 42 Millionen Euro ab. Die kurzfristigen Bankschulden lagen bei 60 Millionen. (…) Zwar schreibt Bayer 04 immer noch Miese – 2005 waren es knapp 5 Millionen Euro. Doch spätestens 2008 soll die Rettung abgeschlossen sein. Dann wird der Patient vom Tropf der Pharma-Mutter abgeklemmt.“

taz: Bayer Leverkusen und seine anrüchigen Geldgeschäfte: Unter der Ägide des Managers Reiner Calmund sind fast zwölf Millionen Euro in dunkle Kanäle geflossen. Das Geld ist verschwunden
SZ: Die Affäre Calmund, Spurensuche in Brasilien – Wer hat wen für was bezahlt? Die Kölner Staatsanwaltschaft prüft Zahlungen über 11,8 Millionen Dollar

Psychologischer Garaus

Mirko Weber (StZ) hält den 11-Millionen-Kredit Bayern Münchens an seinen Stadionpartner 1860 München für eine fragliche Investition: „Es ist nicht so recht ersichtlich, wie sich der Münchner Traditionsverein aus der finanziellen Zwangsjacke befreien will. Geld für neue Spieler ist keines da, aber nur eine starke Mannschaft eröffnet die Chance, jene Business-Sitze und Logen zu verkaufen, die bei 1860 leer bleiben. Die Euphorie bezüglich der Allianz-Arena hat auch auf Seite der Bayern abgenommen. Bei einer Sitzung mit Edmund Stoiber und dem Münchner OB Christian Ude, der Aufsichtsratsmitglied bei den Sechzigern ist, hatte die Politik den Vereinen am Dienstag bedeutet, finanziell keinerlei Rucker tun zu können. Psychologisch kommt die Vereinbarung, die 1860 München gerade noch als Untermieter ausweist, dem Garaus für den Profiklub gleich: Die Blauen gehören nun praktisch den Roten. Zu allem Überfluss ist jetzt auch noch der Hauptsponsor der Sechziger ausgeschieden. 1860 München schlägt das Totenglöcklein.“

SZ: Letzte Chance – die Löwen müssen akzeptieren, was sie kriegen können, und wenn der Kredit von den Bayern kommt. Doch wie lange wird das Geld dieses Mal reichen?

FR: Telekom, Arena und die Fußball-Liga streiten sich immer noch darum, wer die TV-Rechte wie verwerten darf

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