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Ball und Buchstabe

Seht her, so sind wir

Oliver Fritsch | Donnerstag, 6. Juli 2006 Kommentare deaktiviert für Seht her, so sind wir

Christof Siemes (Zeit) schreibt zufrieden über die Selbstdarstellung der Deutschen während der letzten Wochen: „Mitunter gab es ja im Vorfeld die Befürchtung, die Fifa-Fußballweltmeisterschaft sei nur noch eine seelenlose Geldmaschine, in der große Gefühle allein als Schmierstoffe des Kommerzes noch gefragt seien. Aber selbst wenn der Überschwang von den Fahnen-, Ticket-, Bier-, Fernsehgeräte- und Panini-Bildchenverkäufern ausgebeutet wird – der Rausch war echt. Das Spiel ist zum Katalysator geworden für eine Sehnsucht nach fröhlichem Miteinander, das keinen Zwecken dient. Das ist ja die große Bewegung dieses Sommers: In der Welt der Ich-AGs und der an Kinderarmut zugrunde gehenden Nation von Ego-Shootern sehnen sich alle nach dem großen Ganzen, der Geborgenheit inmitten der Großfamilie auf der Fanmeile. Die Fernsehquoten zeigen, wie das in Dutzende von Kanälen zerfallene Medium noch einmal zum Lagerfeuer wird, um das sich die Nation schart. Wieso diese in ihren Dimensionen letztlich ungeahnte Wirkung? So wie der Sieg bei der WM 1954 den Deutschen das zwiespältige Gefühl vermittelte, wieder wer zu sein, klatscht nun das Ausland durchweg wohlwollend, geradezu erleichtert Beifall: Endlich habt ihr euren Frieden mit euch gemacht! Das ist der diplomatische Triumph nicht des Organisationskomitees, sondern jedes einzelnen Bürgers, der sich und sein Auto beflaggt hat und der nichts anderes sein will als ein netter, mitunter selbstironischer, jedenfalls entspannter Gastgeber. Die Botschaft ist angekommen, denn die Welt verständigt sich in der Sprache des Fußballs. Sie ist die einzige, die wirklich überall auf dem Globus gesprochen und verstanden wird; nicht zufällig hat die Fifa mehr Mitgliedsländer als die Vereinten Nationen. Seht her, so sind wir, sagen die Mannschaften auf dem Platz sowie die Fans auf den Rängen und beim public viewing. Auch dieses Turnier war wieder der globale Stammtisch, an dem nationale Mentalitäten spielerisch ins Gespräch kommen.“

Die Welt tankt bei Freunden

Sehr schön! Oskar Beck (StZ) erlebt auf der Rückfahrt von Dortmund das Motto der WM: „Deutsche und italienische Fans standen in endlosen Warteschlangen an den Zapfsäulen. Man geht sich leicht auf die Nerven in solchen Fällen, wenn die einen sich als Weltmeister fühlen und die anderen nur noch die Leere des Frusts. Um eine Tankstelle in die Luft fliegen zu lassen, genügt da als Zündholz ein einziges Wort. Doch harmonischer als in dieser heißen Dortmunder Nacht ist an keiner Autobahn je getankt worden. Kein Italiener hat sich als kommender Weltmeister an der Zapfsäule vorgedrängt und kein Deutscher im Volkszorn um sich geschlagen. Die Welt tankt bei Freunden.“

taz: Der Deutschland-Taumel ist vorbei, jetzt streiten wir wieder über Krankenkassenbeiträge

BLZ: Gute Verlierer im ZDF

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