indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

WM 2006

Lautloser Chef

Oliver Fritsch | Freitag, 7. Juli 2006 Kommentare deaktiviert für Lautloser Chef

Richard Leipold (FAZ) stellt Andrea Pirlo als intovertierten Spielmacher vor: „Francesco Totti mag der mediale Frontmann sein, Pirlo füllt die Rolle des Hintermanns so tatkräftig aus, daß frühere Koryphäen ihn zum Ritter schlagen. Pirlo vereinigt brasilianische Ballbeherrschung mit der seit Generationen geübten Philosophie, wonach die Grundlagen des Fußballspiels in der eigenen Hälfte liegen. Aber auch weit vorn weiß Pirlo, worauf es ankommt. (…) Pirlo steht längst im Wettbewerb mit großen Figuren der Fußballgeschichte. Aber er scheint weit davon entfernt, sich deshalb zu ändern und seinen Stammplatz vor der Abwehr zu verlassen. Dazu hatten italienische Medien ihn nach einer schwachen Rückrunde aufgefordert. Doch Lippi gewährte ihm einen üppigen Vertrauensvorschuß und bekommt den Kredit bei der WM mit Zinsen zurückgezahlt, von einem Pirlo, der in Bestform spielt. Der Regisseur fühlt sich wohl im Hintergrund, nicht nur auf dem Fußballplatz; das weite Feld der bunten Blätter überläßt er anderen. Statt ein Model nach dem anderen als Schmuckstück zu präsentieren, widmet er sich Frau und Kind. Als Mann von außergewöhnlicher Klasse hat Pirlo das zentrale Mittelfeld lautlos in Besitz genommen. Längst ist er dort der heimliche Chef – den Gegnern wird er allmählich unheimlich.“

Der schottische Italiener

Ronny Blaschke (BLZ) porträtiert Gennaro Gattuso, den Ex-Profi der Glasgow Rangers: „Der klassische Catenaccio ist ein Fall fürs Museum, es gibt ihn nicht mehr. Die Italiener sind verdient ins WM-Finale vorgedrungen, sie haben sich gesteigert von Spiel zu Spiel. Gegen Deutschland erreichten sie die vorerst höchste Stufe. Trainer Marcello Lippi plante den Erfolg bis ins Detail, sein Team lieferte eine taktische Meisterleistung. Mit rustikalem Abwehrhandwerk hatte das nichts zu tun. Und so illustriert Gattuso doch die Entwicklung der italienischen Mannschaft. Sie spielt nicht schöner und filigraner als früher, sie spielt kontrollierter und reifer. Die entscheidenden Fortschritte: Effizienz und Erfolg. Er gehört zu den besten Spielern der WM trotz einer Muskelverletzung vor Beginn des Turniers. Sein Stellungsspiel und seine Technik haben sich stark verbessert. Im italienischen Team erfüllt er eine der wichtigsten Aufgaben: Er schließt die Räume im defensiven Mittelfeld und hält den kreativen Geistern der Mannschaft, Francesco Totti und Andrea Pirlo, den Rücken frei. Gattuso hat die Kondition eines Rennpferdes, brutale Grätschen sind von ihm kaum noch zu sehen. (…) So möchte er sein, Gennaro Gattuso, der Knurrer: hart, kritisch und gerecht. Das hat ihn der schottische Fußball gelehrt, am liebsten würde er seine Ideale dem italienischen Fußball überstülpen.“

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