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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Triumph des modernen Catenaccios

Oliver Fritsch | Freitag, 7. Juli 2006 Kommentare deaktiviert für Triumph des modernen Catenaccios

Thomas Kistner (SZ) resümiert den Taktik-Trend der WM: „Traumwetter, Dauerparty, die neue Freude an der flächendeckenden Zurschaustellung nationaler Symbole sowie eine subtile Politisierung des Sportmassenevents, in dessen Schatten ein hübscher Strauß unpopulärer Reformen gewickelt wurde – das sind die Eckpunkte des Ereignisses. Der Fußball selbst ist dabei keinen Zentimeter vorwärts gerollt, weshalb im Finale fast ein halbes Dutzend Akteure stehen, die man dort schon 1998 bewundern durfte. Sogar einen wie den stets zu Kapriolen neigenden Barthez im Tor kann sich ein potentieller Weltmeister heute leisten, weil Gegners Teams sowieso nur darauf hoffen, dass ihnen vorne der Schiedsrichter hilft, ein Fehler der anderen oder das Elfmeterschießen. Die deutsche Elf darf man hier ausnehmen. Sie war stets bemüht, Tore zu schießen. Sie wollte Fußball spielen, musste es auch, und gewiss fällt vieles leichter, wenn einen das Vaterland auf allen Kanälen vorantreibt. Der Rest hat Beton angerührt. Die Null musste stehen. Das war der Grundgedanke, der sich wie ein Virus ins Turnier geschlichen hat. Diese WM ist der Triumph des modernen Catenaccios, und ein ironisches Schicksal hat es gewollt, dass am Ende just Italien um den Titel spielt. Die Elf, die gegen Deutschland spektakulär zeigte, was rasantes Angriffsspiel bewirken kann. Am Sonntag bleibt eine letzte Chance, dass sie auf die stürmische Art alles vorherige ad absurdum führt und so die große Trendumkehr vorbereitet.“

FAZ: WM-Analyse Taktik – Dürre vor dem Tor

Ein Waldi wäscht den anderen

Oskar Beck (StZ) ärgert sich über Fußballfernsehen: „Kerner hat neulich brühwarm darauf hingewiesen, dass man die Geschichte mit Lehmanns Elfmeterspickzettel nachlesen kann, ‚die BamS macht das auch‘. So wird eine ZDF-Fußballsendung zur Verkaufsveranstaltung für die Bild am Sonntag – und flankierend hat dieser Tage in ‚Waldis WM-Club‘ auch noch der ARD-Sportskamerad Hartmann den BamS-Chefredakteur eingeladen und unter tatkräftiger Erwähnung seiner Zeitung so lange geduzt, dass der fast nicht mehr anders kann, als Waldi demnächst als besten Fernsehjournalisten dieser Weltmeisterschaft zu loben. So wäscht ein Waldi den anderen. Wobei wir Johannes B. Kerner an dieser Stelle in einem Punkt gratulieren wollen: Sein Experte Klopp war klasse – ein Schwabe halt, zeitgemäß und auf Ballhöhe. Was der vier Wochen lang gesagt hat, hatte mehr Hand und Fuß als so manches, was man sonst von den Heerscharen von TV-Sachverständigen vernahm, bis hin zum Vollblutexperten Peter Neururer, der angedeutet hat, dass er das eine oder andere von dem, wofür Jürgen Klinsmann jetzt gelobt wird, schon vor Jahren wieder in seine Schublade der alten Hüte gesteckt hat. Kommt das Wort Fachsimpelei eigentlich von Simpel?“

Lebenslanges Studioverbot

Auch Marcus Jauer (SZ) wendet sich ab: „Ingolf Lück betreibt für das ZDF ein Studio, in dem Nachgetreten wird. Bei den Gästen hat Lück sich darum für eine Stammformation übler Bolzer entschieden, so kommen Mike Krüger, Hans Werner Olm und Lou Richter doch noch zu einem Einsatz. Sie sind Vertreter einer Zunft humoristischer Tagelöhner, die sich jedem Sender andienen, der ihnen einen halbrunden Tisch anbietet, an dem sie schlechte Witze vorlesen können, die ihnen noch nicht einmal selbst eingefallen sind. Keiner wird dem ZDF vorwerfen, dass nach dem Kauf der Fußballübertragungsrechte das Geld für ein anständiges Programm knapp wird, bevor man aber nach den besten Spielern der Welt die schlechtesten Komiker des Landes auftreten lässt, macht man vielleicht besser gar kein Programm. Nach den Leistungen, die Lück und seine Luschen hier geliefert haben, müsste es jedenfalls lebenslanges Studioverbot geben, aber mit so etwas beschäftigt sich die Fifa ja nicht.“

BLZ: Gunter Gebauer über weinende Fußballer

SZ: eine kleine Schuhkunde

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