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Bundesliga

Die Bayern holen den Ersatzspieler des FC Barcelona

Oliver Fritsch | Sonntag, 27. August 2006 Kommentare deaktiviert für Die Bayern holen den Ersatzspieler des FC Barcelona

Bayern kauft Mark van Bommel, und die Journalisten rufen ihnen ein „Sieh an!“ entgegen. Im Gedächtnis ist noch die großspurige Ankündigung Uli Hoeneß‘ und Karl-Heinz Rummenigges die Lücke Ballack mit eigenen Kräften zu schließen (ein Zeit lang hieß es sogar trotzig: „Welche Lücke?“). Heinz-Wilhelm Bertram (BLZ) zieht die Lehre aus dem 0:0 gegen Nürnberg: „Mit van Bommels Einkauf ist das blauäugige Experiment des FC Bayern, einen dominierenden Mittelfeldchef binnen eines Jahres aus den eigenen Reihen zu rekrutieren, schnell eingestampft worden. Daß der Über-Nacht-Transfer die Folge einer verfehlten Personalpolitik war, ist ein Tabuthema beim FC Bayern – auch wenn es nochmals überdeutlich sichtbar geworden ist: In den ersten 45 Minuten brachten die Bayern nichts Fruchtbares zu Wege, erst mit der Einwechslung des fast schon 36-jährigen Mehmet Scholl kam Schwung ins Geschehen.“ Klaus Hoeltzenbein (SZ) fügt an: „Der Transfer ist auch ein Mißtrauensvotum gegen den aktuellen Kader.“

Die Qualität des Holländers bewerten die Experten uneinheitlich. „Die Bayern holen den Ersatzspieler des FC Barcelona“, wirft Horeni (FAS) süffisant ein: „van Bommel war schon länger der Wunschkandidat der Münchner, die nach den ersten Saisonwochen erkennen mußten, daß das Ballack-Vakuum weit größer war, als sie lange glauben machen wollten. Man wird van Bommel und den Bayern jedoch kaum zu nahe treten, wenn man feststellt, daß die besten Zeiten hinter dem holländischen Spielmacher liegen.“ Hoeltzenbein jedoch hält große Dinge auf van Bommel: „Was in Barcelona nicht paßt und auch bei Nationaltrainer Marco van Basten nicht in Mode ist, könnte für den FC Bayern eine gute Lösung sein. Der Neue ist eine typische Nummer 8, ein Treibauf im Mittelfeld, einer, der die langen Pässe schlägt, hinterher geht, und sie am liebsten selbst per Kopfball ins Netz stößt.“

Gelegentlich flogen ein paar Federn

Schalke siegt gegen Bremen 2:0 – Richard Leipold (TspaS) revidiert die Formtrends: „Werder wurde schon nach zwei Etappen als selbstbewußte Mannschaft gefeiert, die auf ihrer Tour durch die Liga immer und überall für mindestens ein Tor gut sei; das Personal des FC Schalke geriet sofort wieder in den Ruf, mit den Titelambitionen seiner Vorgesetzten überfordert zu sein. Vieles sprach für Bremen, wenig für Schalke. Selten hat der Schein vor einem bedeutenden Fußballspiel so getrogen.“ Philipp Selldorf (SZ) erklärt Lincoln zum eindeutigen Sieger im Duell der brasilianischen Spielmacher: „Ausgerufen war ein Hahnenkampf der beiden stolzesten Spielfiguren. Lincoln auf der einen und Diego auf der anderen Seite, zwei Fußballer, die mit der Nummer 10 auf dem Rücken zur Welt gekommen sind. Tatsächlich flogen gelegentlich ein paar Federn, wenn sich die Wege der beiden brasilianischen Virtuosen kreuzten. Ihre Zweikämpfe hatten dann diese Spur zusätzlicher Heftigkeit, die sich aus der Eitelkeit der Künstler und einem gewissen männlichen Behauptungsdrang ableitet, aber es handelte sich nur um Momente am Rande der Partie. Wirksam bekämpft, verschwand der neue Werder-Star zunehmend von der Bildfläche. Es war eine Art Entmaterialisierung – im letzten Drittel hätte man ein Kopfgeld auf ihn aussetzen können und ihn wegen Unsichtbarkeit trotzdem nicht gefaßt. Lincoln hingegen verließ den Platz nicht nur als Sieger, sondern als dominante Erscheinung des Spiels.“

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Vertrauensverlust bei den Fans

Christoph Biermann (SZ) erklärt die Pfiffe der Bochumer Fans beim 0:1 gegen Cottbus: „In einem Zwischenreich zwischen der ersten und zweiten Bundesliga hat sich der VfL eingerichtet. Und daß der Klub drei Spieltage nach dem fünften direkten Wiederaufstieg in die höchste Spielklasse schon wieder punktlos auf einem Abstiegsplatz steht, rief größtmögliche Frustration bei den Zuschauern hervor. Zumal Gegner Cottbus auch noch einer der wenigen Konkurrenten der Liga ist, die mit noch weniger Geld auskommen müssen.“ Daniel Theweleit (BLZ) bedauert den Trainer, den die Fans ins Visier nehmen: „In Bochum war man nach der Niederlage ziemlich irritiert angesichts der Geschwindigkeit, in der die Aufstiegsfreude sich in eine vergiftete Atmosphäre gewandelt hat. Größere Teile des Bochumer Fanblocks brüllten nach dem Abpfiff erbost ‚Koller raus‘. Der Schweizer Trainer, der noch vor wenigen Wochen für den souveränen Aufstieg gefeiert worden war, hat seinen Kredit in einem Tempo verloren, daß einem der Atem stockt. Marcel Koller wirkte geschockt. Nach drei Spielen geht bereits ein Riß durch den Klub und sein Umfeld. Das hört sich nach unruhigen Wochen an in Bochum, wo sie eigentlich mit dem Ziel in die Saison gestartet waren, sich inmitten der zu Hysterie und Chaos neigenden Großklubs aus Dortmund und Gelsenkirchen als gelassenes Gegenmodell zu profilieren.“ Leipold (FAZ) ergänzt: „Was die Aufgabe für Koller, unabhängig von der fachlichen Seite, so unglaublich schwer macht, hat er nicht zu verantworten: Seit 1993 ist Bochum fünfmal aus der Bundesliga abgestiegen und jedesmal sogleich dorthin zurückgekehrt. Eines hat der Klub aber nicht verhindern können: den schleichenden Vertrauensverlust bei den Fans.“ Doch Leipold vermißt auch Mut bei Koller: „Manche Reaktion fiel wohl auch deshalb so heftig aus, weil die Grundordnung nicht gerade von großem Mut zeugte. Mit einem Stürmer daheim gegen Cottbus anzutreten war das falsche Signal.“

Stuttgarter Defizit

Tobias Schächter (SZ) findet wenig Gutes in Stuttgart beim 1:3 gegen Dortmund, urteilt aber maßvoll: „Wer sich auf die Suche nach einer Stütze im VfB-Kader macht, hat Probleme, eine zu finden. Dennoch hat der VfB nicht so schlecht gespielt gegen eine ebenfalls noch um eine neue Identität ringende BVB-Mannschaft. Hätte Dortmunds Torhüter Weidenfeller nicht mehrfach Chancen der Stuttgarter verhindert, vornehmlich in der ersten Halbzeit – die Dortmunder hätten einen Fehlstart diskutieren müssen. Den hat nun der VfB hingelegt.“ Oliver Trust (FAZ) bringt das Stuttgarter Defizit auf den Punkt: „Was den Stuttgartern nach wie vor fehlt, ist ein Stürmer, der verläßlich trifft.“

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