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Scheinheilige, Heuchler

Oliver Fritsch | Montag, 28. August 2006 Kommentare deaktiviert für Scheinheilige, Heuchler

Die hohe Moral des FC Bayern

Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge sind durch eine äußerst unangenehme Charaktereigenschaft vereint: Alles, was sie tun und lassen, begründen sie mit höchster Moral. Daß Bayern München keine Spieler von Juventus Turin verpflichtet hat, liegt nicht etwa daran, daß es sich schlicht keine leisten kann und auch nicht an der Mutlosigkeit, die Personalplanung – trotz WM – bereits lange vor Saisonende abzuschließen. Nein, man verpflichtet keine Stars aus der Turiner Konkursmasse, weil man keine „Leichen fleddern“ wolle – was nun die anderen, Real Madrid, FC Barcelona und Inter Mailand, getan haben sollen. Verträge seien heilig, verkündet Erzengel Uli, der Schutzpatron der ehrvollen Kaufmannsleute. Wie sähe der Bayern-Kader aus, wenn er sich beim Wort nehmen würde? Und welcher Ethikkanon schreibt eigentlich vor, sich über die Angelegenheiten anderer zu äußern, so wie Tugendkalle, der letztlich dem Konkurrenten aus Hamburg eine Lektion im Transferwesen erteilen wollte: „Wir sind hier nicht beim HSV!“, sagte er auf den Boulahrouz-Transfer anspielend, als er danach gefragt wurde, ob die Bayern den wechselwilligen Owen Hargreaves nach Manchester ziehen lassen würden.

Die Welt stößt sich in zwei Kommentaren der letzten Tage an den bayerischen Heiligenscheinen. Florian Haupt stöhnt über den Pharisäer Uli Hoeneß: „Sie tricksen sich durch die Transferperiode, wie es all jene tun, die sie so gern kritisieren: Die bösen Italiener und Spanier zum Beispiel. Oder die Engländer, die Hargreaves aus seinem Vertrag kaufen wollen. Nichts anderes machen die Münchner seit Jahren in der Bundesliga. Das ist in Ordnung, so ist das Geschäft. Nur haben all die Italiener, Spanier und Engländer den unschätzbaren Vorteil, daß sie der Öffentlichkeit nicht dauernd mit erhobenem Zeigefinger auf die Nerven gehen.“ Jörg Winterfeldt fügt an: „Die Mächtigen der Bundesliga machen sich Gedanken um die Geschäftsethik. Und plötzlich tauchen im Scheinwerferlicht die wahren Charaktere auf: eine Horde Scheinheiliger. Allen Ernstes schimpft Uli Hoeneß über die ‚gesunkene Hemmschwelle, geltende Verträge zu brechen‘, nachdem er mangels internationalen Verhandlungsgeschicks und Scoutingfähigkeiten exklusiv bei der deutschen Konkurrenz einkaufen war: Valerien Ismael hat er Werder Bremen abgeschachert, Lucio Bayer Leverkusen, Daniel van Buyten dem Hamburger SV. Alle – deswegen waren sie ja so teuer – besaßen gültige Verträge. Nun, da ihm Manchester United für 25 Millionen Euro Hargreaves abjagen will, entdeckt Hoeneß, ein Vertrag sei ‚ein heiliges Instrument und sakrosankt, wenn er einmal unterschrieben ist‘. Ein de facto gesetzloser Markt genehmigt sich auch Heuchler.“

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