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Bundesliga

Odonkor, die Chiffre des WM-Märchens

Oliver Fritsch | Dienstag, 29. August 2006 Kommentare deaktiviert für Odonkor, die Chiffre des WM-Märchens

Pressestimmen über David Odonkors Wechsel nach Sevilla, das gebremste Wachsen Hamburgs und und den Übermut der Berliner Zeitungen

David Odonkor wechselt nach Sevilla – ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht? Zumindest ist es eine bedeutende Nachricht, auch wenn in deutschen Zeitungen wenig darüber zu lesen ist. Es ist ja zunächst ein gutes Zeichen, wenn deutsche Spieler im Ausland, zumal in Spanien, Italien oder England, beliebt sind; ihrer Entwicklung tut es gut; und mehr als sechs Millionen Euro sind ein schöner Preis. Aber wieso hört man fast niemanden, der einen großen Verlust für Borussia Dortmund und für die Bundesliga empfindet? Sicher, Odonkor hat Mängel in der Ballbehandlung, etwa beim Dribbling. Aber wenn mich jemand nach der Chiffre des WM-Märchens fragen würde, so antwortete ich: Odonkor. Seine Einwechslung und seine Torvorlage im Polen-Spiel haben das Land verzaubert. Gab es ein unvorhergeseheneres Fußballereignis als Odonkors Flügelstürme an der WM?

Eine der Ausnahmen: Freddie Röckenhaus (SZ) sorgt sich angesichts der vielen Spielerwechsel mit den Fans um Borussia Dortmund und entmummt die Dortmunder Liebe zur Jugend als vergänglich: „Dortmunds Fans sind zwiegespalten. In Fan-Foren im Internet beschwört mancher eine Entwicklung herauf wie einst beim VfB Stuttgart. Dort wurde eine ganze Generation von ‚jungen Wilden‘ leichtfertig verkauft und durch vermeintlich stärkere Söldner ersetzt. Mit bekanntem Resultat. Dortmunds teure Neue – Valdez, Frei, Pienaar und Tinga – haben die Nachwuchsleute des BVB bereits verdrängt. Selbst Supertalent Nuri Sahin ist in seiner Entwicklung stehengeblieben und inzwischen völlig abgemeldet. Auch WM-Spieler Metzelder gehört zu den Spielern, die bei van Marwijk wenig Kredit genießen. Wer neu ist und viele Ablöse-Millionen gekostet hat, hat derzeit Vorrang. Erste Zweifel, etwa an den Qualitäten des gesetzten neuen Spielmacher Steven Pienaar, machen sich allerdings breit. Eine Erkenntnis aber untermauert der Verkauf des Nationalspielers Odonkor in jedem Falle: Dortmunds im vergangenen Jahr zelebrierter und hochgelobter ‚Jugendstil‘ war aus der Not geboren und kein Konzept.“

„Oliver Neuville does it again for Germany“ – Schauen Sie auf myvideo noch einmal Neuvilles Tor nach Odonkors Flanke, begleitet vom stimmungsvollen englischen und schottischen (?) Fernsehkommentar (Steffen Simons O-Ton ist leider nicht zu finden).

Drehtür für Stars

Jörg Marwedel (SZ) erläutert nach dem 1:1 gegen Berlin den schleppenden Gang des HSV: „Der Hamburger Wachstumsprozeß ist ein wenig ins Stocken geraten, daran hat auch der glückliche Einzug in die Champions League nichts geändert. Und womöglich werden selbst die damit verbundenen zusätzlichen Millionen die Wachstumsstörung nicht sofort beseitigen, obwohl das Geld zu einem großen Teil in weiteres Spitzenpersonal investiert werden soll.“ Wie in Dortmund, ist es auch in Hamburg die Transferpolitik, die den Beobachtern die Stirn in Falten legt. Marwedel kommentiert den anvisierten Kauf des treulosen Juan Pablo Sorin mit Argwohn: „Das derzeitige Problem könnte durch diesen Transfer sogar noch verschärft werden. Sorin gilt nicht nur als exzellenter Fußballer, sondern auch als schwieriger und vor allem sprunghafter Wandergeselle. In zwölf Profijahren hat er schon für acht Klubs gespielt. Wie Daniel van Buyten und Khalid Boulahrouz, die sich jüngst wegen besser dotierter Angebote verabschiedeten, und Thimothee Atouba, der gerade mit seinem Weggang droht, weil der Klub den bis 2009 datierten Vertrag nicht aufstocken will, ist auch Sorin offenbar einer dieser globalen Söldner, die sich bei Bedarf wieder davonmachen. Der HSV muß also trotz geschickter Ein- und Verkaufspolitik aufpassen, daß er nicht zu einer Art Drehtür für Stars verkommt und der dauerhafte Aufbau eines Topteams unmöglich wird.“

Bleibt ein fragiles Gebilde

Ronny Blaschke (BLZ) warnt davor, das Bild der gestern noch beargwöhnten Hertha heute in allzu rosigen und bunten Farben zu malen: „Inzwischen ändert sich das Stimmungsbild wieder, drei passable Darbietungen sind für die Berliner ausreichend, um zu ihrer Lieblingsbeschäftigung zurückzukehren. Sie schwelgen nicht in Erinnerungen – sondern in der Zukunft. In den Internetforen schwärmen Fans vom neuen Zusammenhalt. Jene Boulevardzeitungen, für die es keinen Mittelweg gibt, preisen Emporkömmlinge, die sie vor Monaten noch für untauglich befunden hatten. So manifestiert sich dank der offensiven Ausrichtung der Eindruck, daß sich das häßliche Entlein Hertha BSC innerhalb eines Sommers verwandelt hat. Doch in diesem Fall handelt es sich wie so oft um einen künstlichen Trend, der bald wieder ins Gegenteil umschlagen kann. Hertha ist, den Umständen entsprechend, gut gestartet, nicht mehr und nicht weniger. Sie wird noch eine Weile bleiben, was es jahrelang war und in dieser Saison ist: ein fragiles Gebilde.“

NZZ: Marcel Koller steht im VfL Bochum eine harte Zeit bevor

SZ: Mark van Bommel, das Fünf-Minuten-Schnäppchen

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