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Champions League

Gute Fußballer allesamt, doch noch längst keine Mannschaft

Oliver Fritsch | Donnerstag, 28. September 2006 Kommentare deaktiviert für Gute Fußballer allesamt, doch noch längst keine Mannschaft

Die 0:1-Niederlage des Hamburger SV bei ZSKA Moskau kommentieren die Journalisten mit Pessimismus und Resignation. Als Ursache der Hamburger Schwäche in dieser Saison werden die vielen Spielerwechsel ausgemacht; die Hauptschuldigen sind der Presse zufolge Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer und der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann, denen sie vorwirft, das Hamburger Humankapital veräußert zu haben.

Carsten Harms (Welt) macht dem Hamburger Vorstand Vorhaltungen: „Fußballspieler kann man nicht in einem Handstreich wechseln wie die Reifen bei einem Formel-1-Rennwagen. Das interne Gefüge im Team des HSV ist in diesem Sommer zerstört worden. Ein neues konnte sich noch gar nicht bilden angesichts dessen, daß drei der neuen Spieler erst unmittelbar vor Ende der Transferfrist eintrafen. Erschwert wird die Teambildung zudem durch die inzwischen eklatanten Gehaltsunterschiede selbst unter den Stammspielern. Es spricht für Thomas Doll, daß er sich aus Loyalität zu seinem Arbeitgeber nicht über die sportlich verheerende Personalpolitik seiner Vorgesetzten Hoffmann und Beiersdorfer öffentlich beklagt, obwohl er allen Grund dazu hätte. Die Folgen muß er ohnehin ausbaden.“ Boris Herrmann (BLZ) malt schwarz: „Der Verein muß sich fragen lassen, warum er einen radikalen Umsturz erwirkte, obwohl nur eines nötig gewesen wäre: so weiterzumachen. Nun steht der HSV mit Personal da, das alles mitbringt, was man für Niederlagen braucht.“

Wie geht’s weiter mit dem HSV? Sascha Zettler (FAZ) räumt dem Vorstand ein, daß er immerhin seinem Trainer vertraue: „Die Verantwortlichen Hoffmann und Beiersdorfer realisieren, daß ihre Transferpolitik weiter reichende Folgen hat, als sie sich das zunächst eingestehen wollten. Das heißt mit anderen Worten: Sie haben Doll in diese Lage manövriert. Jetzt lassen sie ihm die Zeit, eine Mannschaft, die noch immer keine ist, wieder aus der Krise zu führen. Ob und wann das gelingt, scheint völlig offen.“ Unter der Schlagzeile „Wo früher eine Mannschaft war“ trauert Jörg Marwedel (SZ) der Hamburger Stärke der letzten Saison nach: „Im ungünstigsten Fall könnte am Ende die fatale Erkenntnis stehen, daß der radikal veränderte und immer teurere Kader mit seinen dreizehn Nationalitäten zwar über immer bessere Fußballer verfügt, aber nicht mehr über ein Team mit der richtigen Mentalität und echtem Zusammenhalt. (…) Gute Fußballer allesamt, doch noch längst keine Mannschaft.“ Zettler nimmt sich auch Doll vor: „Vieles deutet darauf hin, daß das Team einen vorläufigen Tiefpunkt, aber noch längst nicht das Ende seiner Schaffenskrise erreicht hat. Die Gründe dafür sind vielschichtig: Auch der Coach kann sich nicht ausklammern bei der Fehlersuche. In Moskau war er von seiner Taktik und seinen Prinzipien abgewichen. Weg von der Raute im Mittelfeld und der Maßgabe, mit Überzeugung das eigene Spiel durchzudrücken, hin zu einer zaghaften Ausrichtung mit einem ‚Doppelsechser‘.“

Hat der Verein leichtfertig seine Spieler verkauft? Die Schelte ist leicht gesagt. Doch wie hätte der HSV Daniel van Buyten und Khalid Boulahrouz halten sollen, wenn Chelsea und Bayern mit Scheinen wedeln? Sollte der Fußballfreund nicht überhaupt froh sein, daß der Söldner und Treter Boulahrouz weg ist aus Deutschland? Und daß die Hamburger Verantwortlichen so vernünftig gewesen sind, die Qualifikation zur Champions League abzuwarten, bevor sie noch ein paar teure Spieler kaufen, könnten zumindest diejenigen Redaktionen als Kaufmannsvernunft auslegen, die zum Beispiel Schalke vorhalten, zu riskant zu wirtschaften.

Tsp: Der HSV steckt tief in der Krise, aber der Trainer steht nicht zur Debatte

NZZ-Bericht Werder–Barca (1:1)

NZZ-Bericht Inter–Bayern (0:2)

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