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Bundesliga

Die Mechanismen der Branche

Oliver Fritsch | Donnerstag, 26. Oktober 2006 Kommentare deaktiviert für Die Mechanismen der Branche

Dortmund und Schalke scheiden im DFB-Pokal aus; nun leben und arbeiten die Trainer des Bundesliga-Siebten und Bundesliga-Zweiten im ungewissen

Die Niederlagen Dortmunds und Schalkes im DFB-Pokal haben zur Folge, daß den Trainern Bert van Marwijk und Mirko Slomka das Wasser bis zum Hals zu stehen scheint. Was anderes sollte man von Fußballdeutschland erwarten? Können Fernsehjournalisten andere Fragen stellen, als die nach der Zukunft des Trainers? Gegenüber Slomka ist das unfair, denn zu dem tollen Spiel in Köln haben seine (am Ende) zehn Schalker ihren großen Teil beigetragen. Roland Zorn (FAZ) schnalzt mit der Zunge: „Sollte irgendwann ein Werbefilm zur Illustration des besonderen Reizes von Pokalspielen in Auftrag gegeben werden, wäre der Rückgriff auf bewegte Szenen aus dem Pokalkampf zwischen dem 1. FC Köln und dem FC Schalke 04 dringend zu empfehlen. Wieder einmal war ebendas passiert, was den Pokal oft genug sehens- und staunenswert macht: Von einem Klassenunterschied konnte keine Rede mehr sein, die Alles-oder-nichts-Situation zauberte eine Auseinandersetzung von seltener Leidenschaft herbei.“ Volk ohne Raumdeckung sieht das genauso: „Die Schalker Niederlage war so würdig, daß sogar der CdüK (Chor der üblichen Kritiker) ganz still ist. Schalke hat toll gespielt.“

Zorn ist aber entgeistert von dem, was die Branche „die Mechanismen der Branche“ nennt: „Danach war wieder Alltag, wurden den Verlierern aufs neue die Fragen gestellt, die so gar nicht zu passen schienen: Geht es weiter mit Slomka? Was nun nach der ‚Blamage‘ von Köln? In Wirklichkeit hatten sich die Westfalen gar nicht blamiert, sondern, solange die Kräfte in Unterzahl reichten, gefightet. Es spricht für die Schalker Vorständler, daß sie sich seit Wochen gegen den immer wieder spürbaren Wunsch des Boulevards stemmen, den jungen Trainer Mirko Slomka durch den Starcoach Christoph Daum zu ersetzen. Nur zur Erinnerung: Momentan ist Schalke in der Bundesliga Zweiter, punktgleich mit dem umjubelten Tabellenführer Werder Bremen. Wo ist da der Ansatz, alles in Frage zu stellen?“ Für Bild ist eine Niederlage eine Niederlage, sie zählt in der Tat Slomka an (außerdem heute in Bild: viele nackte Weiber und telefonische Bumskontakte).

Prinzip Faulheit

In Dortmund sieht die Lage anders aus, Zweifel am Trainer dringen dort aus dem Vereinsinneren ans Tageslicht. Freddie Röckenhaus (SZ), ein exzellenter Dortmund-Kenner, schreibt heute zwei Texte über van Marwijks Lage, aus denen Unentschlossenheit spricht. Zum einen erneuert er einen Vorwurf, der eigentlich ungeheuerlich ist: „Bert van Marwijk, der Vorzeigetrainer, gab in der Regel mittwochs trainingsfrei, um noch häufiger ins heimische Holland pendeln zu können. Wer könnte Spielern da übelnehmen, daß auch sie sich gedanklich immer weiter entfernten?“ Zudem habe sich seine Liebe zum BVB-Nachwuchs, für den man ihn in der letzten Saison huldigte, als kurzlebig erwiesen: „Was all die 17-, 18-Jährigen anging: Van Marwijk forderte von seinen Bossen beim BVB ganz schnell eine Reihe gestandener Stars. Für die Weiterentwicklung der Teenies hätte man wesentlich mehr Zeit und Aufwand investieren müssen. Und alles, was von der holländischen Supertaktik des 4-3-3 abweicht, ist auch nicht unbedingt van Marwijks Sache.“

Röckenhaus schließt ein Happy-End aus: „Dortmunds Chefetage hat diesem Prinzip Faulheit lange zugeschaut. Sie wird nun verdientermaßen die Sache auslöffeln müssen: Entweder mit van Marwijk bis zum Saisonende weiterwurschteln und dabei noch mehr Fans mit Gruselfußball aus dem Stadion treiben. Oder mit irgendeinem Mann aus der B-Kategorie die Saison zu Ende spielen. Beides wird vermutlich zum selben Ergebnis führen: Es wird den Fans der Borussia stinken. (…) Der Zuschauer weiß, alle Beteiligten ahnen: Es wird kein gutes Ende mehr nehmen. Die Dinge werden wohl über ihn kommen, scheinbar unabwendbar, wie im klassischen Drama.“

Zum andern verweist Röckenhaus auf den Verdienst des Trainers: „Was hat Bert van Marwijk eigentlich verbrochen? Bei den Spielern sammelte er zunächst Pluspunkte, als er im Sommer 2004 von Feyenoord Rotterdam kam. Im Vergleich zum öden Training bei Matthias Sammer kam van Marwijks Stil gut an. Immerhin gelang es dem Holländer in den beiden wirtschaftlich schwierigsten Jahren der Borussia, den Klub auf einem gehobenen Mittelplatz zu halten.“ Er gibt jedoch zu bedenken: „Inzwischen allerdings hat van Marwijk die Mannschaft offenbar gespalten.“ Auch Felix Meininghaus (FTD) stellt den Status- und Sympathieverlust van Marwijks fest: „Seit sich der Sanierungsfall Borussia Dortmund in sicherem Fahrwasser befindet und sich das Interesse der Öffentlichkeit wieder auf sportliche Ambitionen fokussiert, hat van Marwijks Reputation merklich gelitten. Die von ihm betreute Mannschaft spielt schlecht, und die verpflichteten Spieler sind bislang alle hinter den Erwartungen geblieben. Die Unruhe wird weiter geschürt, indem mehr übereinander geredet als miteinander gearbeitet wird.“

Man will wieder zu den Großen gehören

Wolfgang Hettfleisch (FR) schaut auf Dortmunds Tabellenplatz (7.), der alles andere als eine Schande ist, wundert sich über das Mißtrauen und rät zu Bescheidenheit: „Wahlweise wird angeführt, er nehme die Profis nicht hart genug ran, oder aber, er ziehe einige Spieler anderen vor. Solche Geschichten tauchen immer dort auf, wo verschiedene Klubinstanzen ihr eigenes Süppchen kochen. Und das ist allemal alarmierender als die sportliche Lage der Borussia. Offenkundig tut sich mancher beim BVB schwer mit der neuen Bescheidenheit, die einzog, nachdem die an Ruhm und Titeln reiche Ära Niebaum mit einer finanziellen Notlandung geendet hatte. Als die Dortmunder in diesem Sommer auf dem Transfermarkt ihre im Jahr zuvor geübte Zurückhaltung ein wenig abgelegt hatten, wuchsen die Erwartungen überproportional. Man will wieder mitmischen, zu den Großen gehören. Die atmosphärischen Störungen im schwarz-gelben Mikrokosmos sind auch eine Art Niebaumscher Phantomschmerz. Damit kann der stocknüchterne van Marwijk nichts anfangen. Und genau das läßt befürchten, daß er das erste Opfer sein wird, wenn beim BVB wieder jene die Oberhand gewinnen, die auf den schnellen Erfolg setzen.“

Richard Leipold (FAZ) hingegen führt die farblosen Leistungen der Dortmunder Elf ins Feld: „Der Fußball, den Dortmund bietet, ist, trotz beachtlicher Investitionen in neues Personal, schon länger frei von Höhepunkten. Falls van Marwijk das richtige Konzept hat, vermögen die Spieler es derzeit nicht in die Tat umzusetzen, ob nun Unvermögen der Grund ist oder mangelnde Gefolgschaft, wie sie Teilen der Mannschaft von Insidern unterstellt wird. Auch deshalb ist die Lage des Trainers Lage so heikel.“

Welt: Neue Argumente gegen Slomka und van Marwijk

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