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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Düstere Lage

Oliver Fritsch | Dienstag, 21. November 2006 Kommentare deaktiviert für Düstere Lage

Gregor Derichs (FAZ) hält den Gladbachern und ihrem Trainer nach dem 0:1 gegen Hannover den Vergleich mit der letzten Saison vor, nach der man Trainer Horst Köppel entlassen hat: „Im Vorjahr lag das Team nach dreizehn Spieltagen mit 20 Punkten, 7 mehr als momentan, auf Platz 6. Gladbach erlebte unter der Regie von Horst Köppel die erste Saison frei von Sorgen nach dem Wiederaufstieg 2001. Doch damals beklagte die Vereinsführung, der Fußball sei nicht schön genug. Am Saisonende mußte Köppel gehen. Sein Nachfolger trat an, um ein Team zu formen, das mit behutsamer Integration der Talente eine attraktive Spielweise pflegen sollte. (…) Hilfreich wäre wahrscheinlich, wenn Jupp Heynckes seine offenbar anhaltend schlechte Laune, über die das Umfeld klagt, beseitigen könnte.“

„Wir haben im Moment keine funktionierende Mannschaft“, zitiert Ulrich Hartmann (SZ) Heynckes und schreibt: „Das läßt die Lage noch düsterer erscheinen.“ Zur Stimmung in beiden Lagern heißt es: „Hannover und Mönchengladbach stehen seit Sonntag punktgleich am Rand der Klippe. Doch die Befindlichkeiten in beiden Klubs unterscheiden sich erheblich. Das liegt daran, daß sie aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Gladbach von oben, Hannover von unten.“

Farbtupfer im Wolfsburger Grau

0:0 in Bielefeld – Richard Leipold (FAZ) sucht nach dem Grund für die Wolfsburger Abwehrstärke und findet ihn im Tor: „Der vielleicht wichtigste Baustein des Augenthalerschen Bollwerks ist der Torwart. Zwischen den Pfosten wird das Phlegma, das ihm sonst nachgesagt wird, zur Ruhe im besten Sinne. Seine auffälligste Stärke brauchte er in Bielefeld nicht einmal zu zeigen. Jentzsch versteht sich darauf, Elfmeter zu halten. Seine Erfolgsquote in dieser Torhüter-Disziplin ist sagenhaft: Von 22 Strafstößen fanden nur 12 den Weg ins Ziel. Das große persönliche Ziel, das er einst ansteuerte, hat Jentzsch aus den Augen verloren. Vor fünf Jahren [gemeint sind wohl sieben, of] hätte der damalige Karlsruher Profi beinahe als dritter Torhüter der Nationalmannschaft am Konföderationenpokal teilgenommen. Doch kurz vor dem Meldeschluß verfügte die Fifa, daß jede Mannschaft nur zwei Torhüter nominieren darf. Danach geriet Jentzsch, der nicht immer so konstant spielte wie in Wolfsburg, allmählich aus dem Blickfeld. Also fügt er sich in die Rolle des soliden Schlußmanns, der ein wenig Farbe in das Wolfsburger Grau tupft.“

Ohne Vision

Markus Lotter (WamS) will einen Riß in der Beziehung der Münchner Vereinsführung zu ihrem Trainer ausgemacht haben: „Es ist einfach zu spüren, daß die Liebe zwischen dem FC Bayern München und seinem Trainer erkaltet ist. Glücklichsein sieht anders aus und hört sich anders an. Und es wird immer unwahrscheinlicher, daß Felix Magath wie Ottmar Hitzfeld bei den Münchnern eine Ära schaffen kann oder sich wenigstens daran versuchen darf. Es gibt einen Verdacht: Er ist nicht mehr der Wunschtrainer des FC Bayern.“ Karl-Heinz Rummenigges Ankündigung, viel Geld in einen einzigen Spieler zu investieren, sei über Magaths Kopf hinweg entschieden worden: „Die Abläufe erinnern an die bei Real Madrid, wo bis zur Ankunft Fabio Capellos der jeweilige Trainer die Personalpolitik des Vorstandes eben mitzutragen und mit ihr klarzukommen hatte. Der Übungsleiter wird zum Erfüllungsgehilfen degradiert – wenn er es zuläßt. Felix Magath macht mit, bewegt sich mit einer Mischung aus Selbstvertrauen, einem Schuß Ohnmacht und einer gehörigen Portion Fatalismus durch die Bayern-Welt. Macht hat er in München nicht. Anders als beim VfB Stuttgart, wo er als Manager und Cheftrainer in Personalunion freie Hand hatte, hat er hier nicht nur drei vor Fachkompetenz strotzende Machtmenschen an seiner Seite, nein, er hat sie mittlerweile über sich.“ Das 1:4 von Mailand sei nicht verkraftet und Magath nicht verziehen worden: „Eingesetzt hat das Mißtrauen vor neun Monaten, als die Bayern vom AC Mailand gedemütigt wurden. Und Hoeneß, der noch am häufigsten die Augen schließt, Rummenigge und Beckenbauer haben seitdem jede Menge Schwachpunkte ausgemacht. Ihnen mißfällt, daß Magath viele Dinge einfach laufen läßt, nur Erklärungen von sich gibt und keine Visionen. Sie fürchten, daß er für die Entwicklung einer jungen Spielergeneration nicht der geeignete Mann ist. Und sie vermissen eine Handschrift des Trainers mit internationalem Wiedererkennungswert.“

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Trend oder Zustand?

Nachtrag von letzter Woche: Christian Zaschke (SZ) treibt Empirie und geht dem erstaunlichen Befund nach, daß Auswärtssiege in den letzten Jahren (nicht nur) in Deutschland in Mode gekommen sind, besonders in dieser Saison: „Seit der ersten Bundesliga-Saison 1963/64 gab es lediglich acht Fälle, in denen eine Mannschaft am Ende der Saison mehr Auswärts- als Heimpunkte gesammelt hatte; fünf dieser Fälle datieren aus diesem Jahrtausend. Die Frage ist, ob es sich um eine statistische Anomalie handelt. Vieles deutet jedoch darauf hin, daß ein Trend vorliegt. (…) Im Fußball kommen derzeit mehrere Faktoren zusammen: Erstens: defensive Ausrichtung. Zweitens: Unfähigkeit, diese zu überwinden, auch, weil Individualismus abtrainiert wird. Drittens: Druck durchs unruhige Heimpublikum – das zudem in den letzten zwanzig Jahren ein anderes geworden ist und häufig mit der Erwartungshaltung eines Theaterpublikums ins Stadion kommt (es hat gezahlt, nun soll etwas geboten werden). Zu fragen wäre auch, ob in den neuen Arenen mit den Sponsorennamen eine zunehmende Entfremdung stattfindet, also nicht der Fan sein Team in der Heimat unterstützt, sondern das Publikum der Mannschaft in der Arena zusieht.“ Zaschkes vorsichtiges Fazit: „Einstweilen ist die Heimschwäche eine Auffälligkeit, ein Trend. Es ist zu früh, sie einen Zustand zu nennen.“

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