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Am Grünen Tisch

Sauerei ja, Betrug eher nein

Oliver Fritsch | Donnerstag, 30. November 2006 Kommentare deaktiviert für Sauerei ja, Betrug eher nein

Zwei Beiträge aus der SZ unterstützen die Forderung der Bundesanwaltschaft nach Freispruch

Zwei Beiträge aus der SZ unterstützen die Forderung der Bundesanwaltschaft (siehe unten), Robert Hoyzer und Co vom Vorwurf des Betrugs freizusprechen – und zwar mit formaljuristischen Argumenten. Hans Holzhaider (SZ) legt nahe, daß der Bestand der Vermögensschädigung anderer und damit ein notwendiges Kriterium für einen Betrugsdelikt nicht gegeben sei: „Wessen Vermögen soll durch die Spielmanipulation geschädigt worden sein? Mit Sicherheit nicht das der Firma Oddset. Denn der Wettanbieter gewinnt immer, unabhängig davon, wie ein Spiel ausgeht, weil immer nur ein bestimmter Prozentsatz der Einsätze als Gewinn ausbezahlt wird. Es spricht im Gegenteil viel dafür, daß Oddset durch die Spielmanipulationen sogar finanziell besser gefahren ist. Zum Beispiel das berüchtigte Pokalspiel SC Paderborn gegen den HSV. Der HSV war hoher Favorit. Mit Sicherheit haben wesentlich mehr Wetter auf einen Hamburger Sieg gesetzt als umgekehrt. Hätte der HSV erwartungsgemäß gewonnen, hätte Oddset also weit mehr an Gewinnen auszahlen müssen als nach den zwei falsch gepfiffenen Elfmetern für Paderborn. Wer könnte noch geschädigt sein? Die Wetter, die auf einen HSV-Sieg gesetzt haben? Abgesehen davon, daß das ein unbekannter Personenkreis ist und der denkbare Schaden deshalb nicht zu beziffern wäre, eine höchst fragwürdige These: Es handelte sich ja um ein fiktives Vermögen, die bloße Chance eines Vermögenszuwachses. Alles in allem eine juristisch höchst knifflige Angelegenheit. Mit falsch pfeifenden Schiedsrichtern, diese Folgerung liegt nahe, muß der Sport eben doch mit seinen eigenen Mitteln zurechtkommen.“

Heribert Prantl (SZ) billigt die moralische Empörung über Hoyzer, zweifelt aber auch an der rechtlichen Belangbarkeit: „Falsch-Pfeiferei ist zwar eine Sauerei, weil sie gegen die Fußballregeln, die Standesregeln der Schiedsrichter und den Dienstvertrag mit dem DFB verstößt. Aber der Straftatbestand heißt nun einmal nicht ‚Sauerei‘, sondern ‚Betrug‘ – und die erforderlichen Merkmale (bis hin zum klar feststellbaren Vermögensschaden bei den getäuschten Menschen) können nicht einfach durch den Volkszorn ersetzt werden. (…) Schwer darzustellen ist der Vermögensschaden der Getäuschten (auch Trainer oder Vereinsvorstände kommen hier in Betracht). Das ist komplizierte Juristerei. Zur juristischen Kunst gehört freilich auch, von den Höhen der Rechtsauslegung herabzusteigen und das Ergebnis – Betrug ja oder nein – plausibel zu erklären.“

FAZ: Theo Zwanzigers Empörung über das Plädoyer der Bundesanwaltschaft

29. November 2006

Nicht einleuchtend

Der Bundesanwalt fordert einen Freispruch für Robert Hoyzer und die Sapinas, und die Presse glaubt, nicht richtig gehört zu haben

Peter Riesbeck (BLZ) zeigt auf die logischen Schwachstellen des Gesetzes: „Die Bundesstaatsanwaltschaft fordert einen Freispruch für die Angeklagten. Das mag überraschen. Schließlich wird Insiderhandel an der Börse auch strafrechtlich verfolgt. Hoyzer und der Insider Sapina könnten aber dennoch straffrei ausgehen. Nicht, weil ihnen das Verschieben der Spiele nicht nachzuweisen wäre. Sondern, weil schlicht die entsprechenden rechtlichen Grundlagen fehlen, um die Manipulationen zu bestrafen. Damit rächt sich, daß Deutschlands Politiker seit Jahren das Recht rund um das Glücksspiel vernachlässigen. Die Juristen unterscheiden nämlich fein zwischen Wetten und Glücksspiel. Zu Letzterem zählt etwa Lotto: Ob eine 13 oder eine 38 gezogen werde, sei reine Glückssache, argumentieren die Juristen. Bei der Wette aber verhalte sich das anders. Wer wettet, verfüge über spezielles Wissen und sei von seinem möglichen Sieg überzeugt. Einleuchtend ist dies nicht, es hat aber erhebliche rechtliche Konsequenzen: So sind Pferdewetten in Deutschland erlaubt (der Tipper mag ahnen, daß Pferd A besser in Form ist als Pferd B). Fußballwetten hingegen unterliegen dem staatlichen Wettmonopol. Das verwundert. Private Wettanbieter kämpfen deshalb seit Jahren darum, das Monopol zu knacken. Doch die Bundesländer schützen ihre staatlichen Lottogesellschaften, schließlich fließen deren Erlöse auch in die klammen Länderkassen.“

Matti Lieske (BLZ) versucht, aus dem Plädoyer schlau zu werden: „Der betroffene Wettanbieter Oddset sei, wenn wir das richtig verstanden haben, quasi selbst schuld, weil er nicht nachdrücklich genug deutlich gemacht habe, daß er Schummelei ganz und gar nicht billige. Das wollen wir doch erstmal sehen, meinte der Richter und vertagte die Verhandlung, um in Ruhe in sich gehen zu können. Verblüffend für den rechtsgläubigen, aber nicht rechtskundigen Bürger ist, daß beim Hoyzer-Prozeß ausgerechnet die Staatsanwälte den Angeklagten ständig glimpflich davonkommen lassen wollen. Gestoppt werden sie jeweils von den Richtern. Das war schon beim ersten Verfahren in Berlin so.“ Stefan Osterhaus (FTD) schließt Wichtigtuerei bei der Rechtsfindung nicht aus: „Offenkundig rächt sich nun, daß das Berliner Verfahren im Galopp durchgezogen wurde. Doch Bundesanwalt Hartmut Schneider vermittelt ein bißchen auch den Eindruck, daß wieder einmal ein Jurist von einem der spektakulärsten Prozesse, die Deutschland während der letzten Jahre erlebte, profitieren will – und das Medienaufkommen genießt. Der Ausgang des Verfahrens ist ungewiß. Ein BGH-Richter machte bereits deutlich, daß die Einigkeit von Staatsanwaltschaft und Verteidigung noch lange kein Grund ist, dem auch bei der Urteilsfindung zu folgen: Vielmehr ließe sich davon ausgehen, daß ein Betrugsfall vorliege, erklärte einer der Richter, was der Auffassung Schneiders widerspricht. Dauerhafte Verwahrung im Gefängnis war den Betroffenen nicht beschieden gewesen. Bei der WM wurden die Sapina-Brüder im ICE auf dem Weg zum Halbfinale Deutschland–Italien gesehen. Sie trugen azurblaue Trikots – und hatten also mal wieder den richtigen Riecher.“

FAZ/Hintergrund: Freispruch für „böse Gaunerei“?
BLZ/Hintergrund: Nur eine kleine Gaunerei – die Bundesanwaltschaft hält den Betrug im Wettskandal um Robert Hoyzer nicht für Betrug und für nicht strafbar

Tsp: Rußlands Fußball im Sumpf der Manipulation

BLZ: Hertha BSC hat ein arges Kommunikationsproblem, weshalb der Aufsichtsrat Gegenbauer dem Geschäftsführer Schiller das Reden abnimmt
Tsp: Hertha BSC verbucht ein Rekordminus von 55,4 Millionen Euro – und leistet späte Aufklärungsarbeit
SZ: Posse um Herthas Schuldenstand
FR: Die Schulden von Hamburg, Schalke, Berlin und Dortmund

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