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Ball und Buchstabe

Beifall ist kein Kriterium für gelungene Rechtsprechung

Oliver Fritsch | Samstag, 16. Dezember 2006 Kommentare deaktiviert für Beifall ist kein Kriterium für gelungene Rechtsprechung

Auf die hohe Gefängnisstrafe für Robert Hoyzer reagiert die Presse mit gemischten Meinungen – das Gericht muß mit dem Verdacht kämpfen, populistisch geurteilt zu haben

Wolfgang Hettfleisch (FR) teilt seine Skepsis über das Strafmaß mit: „Daß Hoyzer und Sapina nun lange sitzen müssen, wurde in der Fußballbranche mit Wohlwollen aufgenommen. Doch Beifall ist kein Kriterium für gelungene Rechtsprechung. Hoyzers Fehlverhalten wiegt nicht schwerer als das eines geschmierten Beamten, der Ausschreibungen frisiert. Doch moralische und juristische Kategorien purzeln in der Beurteilung der Affäre bis heute wild durcheinander. Der Schieber-Schiri ist nicht mehr als ein kleiner Gauner. Erst die Bedeutung, die der Fußball hierzulande besitzt, und der mythische Glaube an die Integrität des Spiels machten ihn zur größten Kanaille der Republik. (…) Sapina und Hoyzer müssen einen politischen Preis zahlen.“

Christian Gottschalk (StZ) billigt den Spruch: „Die Leipziger Strafrichter dürfen für sich in Anspruch nehmen, dem Rechtsempfinden der Bevölkerung Genüge getan zu haben. Sie haben im Namen des Volkes gesprochen.“ Michael Horeni (FAZ) stimmt ein: „Manipulierende Zocker und bestochene Schiedsrichter agieren nicht im rechtsfreien Raum. Sie sind Betrüger, die nicht nur Enttäuschung und Empörung auslösen, sondern zu Recht auch Strafverfolgung. Das [Urteil] klingt, als hätten Sport und Politik schon erreicht, worum zu kämpfen sie gerade erst angetreten sind: dem Sport und seinen Werten als schützenswertes Gut Verfassungsrang zu geben.“

Sabine Deckwerth (BLZ) hält das Urteil für undifferenziert: „Trotz aller Lobeshymnen: Am Ende waren die Richter nicht mutig. Mit einem Schlag haben sie mit ihrem Urteil sämtliche rechtliche Bedenken vom Tisch gewischt. Es waren nicht nur die Bedenken von Verteidigung und Bundesanwaltschaft. Viele Rechtswissenschaftler hatten sich in letzter Zeit in zahlreichen Veröffentlichungen darüber gestritten, inwieweit der im Strafgesetz enthaltene Betrugsparagraph auch Manipulationen wie die im Fußball erfaßt. Allein schon wegen all der strittigen Rechtsfragen wäre es wünschenswert gewesen, wenn der Wettskandal noch einmal eingehend juristisch geprüft worden wäre. Dazu kann es nun aber nicht mehr kommen. Revision verworfen, Diskussion beendet. Die Richter haben ein sehr populäres Urteil gesprochen, ein Urteil im Interesse der Fußballnation.“

Die deutsche Justiz hat gezeigt, daß sie Vertrauen verdient

Auch Heribert Prantl (SZ) zweifelt an der Eindeutigkeit des Delikts: „Was als selbstverständlich erscheint, war so selbstverständlich nicht: Die höchsten Strafrichter mußten bei der Frage, wo bei der Falschpfeiferei eigentlich der Vermögensschaden liegt, komplizierte Überlegungen anstellen: Betrug ist schließlich, und zwar auch dann, wenn es um Fußball geht, kein Empörungs- sondern ein Vermögensdelikt, also muß nicht nur eine Täuschungshandlung festgestellt werden, sondern auch ein Vermögensschaden. Die Bundesrichter haben zu diesem Zweck den klassischen Begriff des Vermögensschadens ausgeweitet: Ein solcher Schaden liege auch dann vor, wenn sich einer eine bessere Wettchance erschleicht – unabhängig davon, ob die sich dann auch realisiert und unabhängig davon, ob der Schaden in Heller und Pfennig berechnet werden kann. Das Urteil wird in Fachzeitschriften herauf- und herunterdiskutiert und zum gefürchteten Prüfungsgegenstand im Examen werden. Die Fußballwelt hat es vorerst wieder ins Lot gebracht.“

Sven Goldmann (Tsp) rügt die Fußballfunktionäre, die nach dem Plädoyer des Staatsanwalts (also vor dem Urteil) durch Kritik Druck auf das Gericht ausgeübt hätten: „Es spricht nicht für das Rechtsverständnis vieler Kritiker, daß sie in dem Antrag auf Freispruch eine Vorwegnahme des Urteils sahen. Die Entscheidung fiel denn auch anders aus, als empörte Kritiker hatten suggerieren wollen. Und doch sahen sich die Richter in eine schwer erträgliche Situation gebracht: Der 5. Strafsenat mußte in seiner Begründung auf die Selbstverständlichkeit hinweisen, keinesfalls auf Druck der Öffentlichkeit gehandelt und deswegen ein populäres Urteil gefällt zu haben. Im Hoyzer-Prozeß hat die deutsche Justiz gezeigt, daß sie mehr Vertrauen verdient.“

Tsp: Hintergrund des Urteils
FAZ/Hintergrund: Hoyzer muß doch ins Gefängnis
welt.de: Interview mit Theo Zwanziger über das Urteil

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