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Bundesliga

In Uli Hoeneß‘ Herzen sind ein paar Plätze frei geworden

Oliver Fritsch | Montag, 30. April 2007 Kommentare deaktiviert für In Uli Hoeneß‘ Herzen sind ein paar Plätze frei geworden

Pressestimmen zum 31. Spieltag: Spötteleien um Bayern München / Stuttgart träumt sich zum Sieg / Déja-vu in Schalke / Thomas Doll kriegt die Kurve

Peter Penders (FAZ) findet, daß der Mißerfolg den Bayern recht geschieht: „Die Bayern haben jeden Spott verdient. Kein anderer Verein hat die nationale Konkurrenz so oft wissen lassen, daß er sich für das Maß aller Dinge hält und sich die anderen gefälligst unterzuordnen hätten. Welche Intensität wohl die Röte im Gesicht von Uli Hoeneß besessen hätte, wenn die Vertreter von Werder Bremen zwei Tage vor einem Halbfinalspiel der Münchner in der Champions League gegen den FC Barcelona ein ‚Informationsgespräch‘ mit einem noch bis 2008 bei den Bayern unter Vertrag stehenden Spieler geführt hätten? Eine hübsche Vorstellung, die momentan in der Umsetzung aber schon daran scheitern würde, daß es keinen Bayern-Spieler gibt, für den sich Bremen interessieren müßte. Wahlweise kann man sich aber auch daran erinnern, wie groß das Theater vor einem Jahr war, als Jürgen Klinsmann seine Torwartentscheidung kurz vor dem Ligaspiel gegen Bremen bekanntgab.“

Christof Kneer (SZ) nimmt, nur mal so zum Spaß, Hoeneß beim Wort, der nach der Niederlage gegen den HSV ankündigt, seinen Spielern die Liebe zu entziehen: „Zumindest wird niemand behaupten können, daß Hoeneß geheuchelt habe am offenen Grab dieser Mannschaft, die er allerdings selber geboren hat. Es war ungefähr so, als würde ein Grabredner sagen, daß man den Toten zum Glück nie mehr zu sehen bekomme – wobei in diesem Fall ein paar Totgesagte noch quicklebendig unter Vertrag stehen. Im Grunde interessieren sich die Bayern inzwischen für alles, was nicht bei drei auf dem Weg nach Chelsea ist. (…) Es kann nicht mehr ausgeschlossen werden, daß die Liga in der neuen Saison nur noch mit siebzehn Klubs antritt, weil der FC Bayern aus Versehen seine ganze Mannschaft entlassen hat. Jeder weiß, daß Hoeneß im Grunde jeden seiner Spieler ganz tief im Herzen trägt, aber fürs Erste sind in Hoeneß‘ Herzen ein paar Plätze frei geworden.“

Stefan Osterhaus (Financial Times) befaßt sich nach dem (mutmaßlichen) Luca-Toni-Transfer mit der Münchner Zukunft: „Ein Italiener macht noch keinen Sommer. Deswegen werden sich die Bayern auf der Suche nach strahlenden Spitzenkräften ganz schön strecken müssen. Denn die Konkurrenz aus dem Norden, namentlich Bremen, zahlt inzwischen auch nicht so schlecht, spielt den besseren Fußball, ist international mindestens genauso mittelmäßig beleumundet wie die Bayern und hat inzwischen nicht mal mehr das schlechtere Wetter. Das harte Los des FC Bayern im Jahre 2007: allein gegen die Liga – und jetzt auch noch gegen den Klimawandel.“

Großer Verlierer

Sehr lesenswert! Michael Ashelm (FAS) blickt hinter bayerische Kulissen und legt dar, daß der Status Karl-Heinz Rummenigges deutlich geschwächt sei: „Seine Vorstöße in die hohe Fußballpolitik endeten schon öfters wie das Hornberger Schießen. Über die G 14 wollten sich die Münchner ursprünglich neben Klubs wie Real Madrid, Manchester United, AC Mailand oder Juventus Turin an der Spitze des Großkapitals positionieren und Druck machen auf die Uefa. Auch die Bundesliga sollte die bayerische Urkraft von einer noch härteren Seite kennenlernen. Gerne pries Rummenigge die Freiheit des Marktes, und gerne sprach er davon, daß ‚Solidarität‘ nicht eines seiner ‚Lieblingswörter‘ sei. Mehr Macht und mehr Geld für mehr Leistung galt als ultimatives Leitmotiv. Doch die Bayern und ihr Vorstandschef unterlagen der Fehleinschätzung, im freien Kräftespiel mit den ganz Großen des Geschäfts mithalten zu können. Der schwächelnde Heimatmarkt Bundesliga, exorbitant hohe Fernsehverträge für einzelne Großvereine und der Einstieg von Oligarchen in den Fußball führten schnell zur Ernüchterung. Heute singt Rummenigge das Lied der Kleinen. Er kritisiert die G 14, nörgelt, dort herrsche ‚purer Egoismus‘, und setzt sich als Präsident im sogenannten Klubforum der Uefa, der Gegenbewegung zum wuchernden Großkapital, für Gehaltsobergrenzen, zentrale Fernsehvermarktung und strengere Lizenzierungsverfahren ein – bislang erfolglos. Eine konsequente Geschäftsstrategie sieht anders aus. Der einstige Überflieger auf der Funktionärsumlaufbahn gibt derzeit alles andere als eine glückliche Figur ab. Rummenigge, vor allem bei den Spielern wegen seiner unnachsichtigen Art gefürchtet, gilt vielen als zu technokratisch, unterkühlt und wenig emotional. Der totale Gegensatz zum beliebten Manager Hoeneß. (…) Immer mehr Anzeichen deuten darauf hin, daß mit dem sportlichen Abschwung ein Konflikt entbrannt ist, aus dem Rummenigge als großer Verlierer hervorgehen könnte.“

Auf der Meisterlichtung

Daniel Theweleit (taz) erteilt den Stuttgartern nach dem schwerfälligen 1:0 in Mönchengladbach einen guten Rat: „Egal, was der Grund für die mäßige Leistung war, sie werden ihn bekämpfen müssen. Denn die Bürde des favorisierten Meisterschaftsanwärters werden sie in den abschießenden Partien gegen Mainz, in Bochum und gegen Cottbus nicht mehr los. Vielleicht überzeugt die Stuttgarter ja aber ein Blick in die Geschichte: Der letzte Deutsche Meister, der als Außenseiter plötzlich mit der Schale da stand, war 1992 der VfB Stuttgart.“ Roland Zorn (FAZ) hat Stuttgarter Ambitionen vernommen: „Hört, hört: Der VfB traut sich auf die Meisterlichtung. Dorthin, wo sonst nur der diesmal schwer getroffene Platzhirsch Bayern von exklusiven Titelansprüchen röhrt. So gut wie die Schalker und Bremer Mitbewerber um die Schale sind die Schwaben inzwischen auch. Niemand hat zuletzt so konstant wie der VfB Stuttgart Sieg an Sieg gereiht. Im Borussia-Park hatte der VfB dann auch noch das Glück, auf einen extrem harmlosen Gegner zu treffen, der beste Gelegenheiten teils grotesk versiebte.“

Nichts ist von Dauer

Richard Leipold (FAZ) deutet die Schalker Niederlage in Bochum vor historischem Hintergrund: „Ist ja alles schon mal da gewesen. Das meistgebrauchte Fremdwort am Schalker Markt lautet in diesen Tagen: Déjà-vu. Vor sechs Jahren drängte ein Unentschieden in Bochum den vermeintlichen Titelfavoriten ab ins Grenzgebiet zwischen Traum und Trauma. Diesmal war es so ähnlich, vielleicht schlimmer. Auf dem Platz setzte es sogar eine Niederlage. (…) Es gibt auch Unterschiede zum Titelkampf 2001: Meister der Herzen wird Schalke diesmal nicht. Im aktuellen Rennen wirken die Schalker eingangs der Zielgeraden nicht wie liebenswerte Unglücksraben, sondern wie selbstgefällige Möchtegernmeister. Ob sie diesen Trend noch einmal wenden können?“ Philipp Köster (Spiegel Online) entwarnt: „Es gab wohl kaum eine Saison, in der die Instrumente der Fußball-Analyse so versagt haben wie in der laufenden. Nahezu alle 18 Clubs – den VfL Wolfsburg einmal außen vor gelassen – sind in dieser Spielzeit schon hymnisch besprochen und schon bald darauf beerdigt worden. (…) Nichts ist in dieser Saison von Dauer. Und deshalb kann sich auch der FC Schalke mit der Erkenntnis trösten: Die Niederlage beim VfL Bochum ist nur eine Niederlage beim VfL Bochum, nicht mehr und nicht weniger. Keine Trendwende, keine Vorentscheidung und kein herbei geredetes Remake der Ereignisse von 2001. Verinnerlicht die Mannschaft das, kann sie nach wie vor Deutscher Meister werden. Oder Werder Bremen. Oder der VfB Stuttgart. Einer von den dreien wird es auf jeden Fall. Da leg ich mich mal fest.“

Versprechen gehalten

Leipold schildert auch die Erleichterung, die der Dortmunder Trainer nach dem Sieg gegen Frankfurt spüren muß: „Mit seinem Wechsel nach Dortmund war Thomas Doll ein hohes Risiko eingegangen. Beim HSV mit dem Abstiegskampf überfordert, nahm er sich nach einem kurzen Urlaub sogleich des nächsten Traditionsklubs an, der bedrohlich nah an den Abgrund geraten war. Der Sturz in die Tiefe hätte nicht zuletzt dem Trainer erhebliche Verletzungen zugefügt. Im Bewußtsein dieses Risikos hat Doll, ohne zu zögern, eine äußerst schwierige Aufgabe übernommen und eine gespaltene Mannschaft, deren Mitglieder mehrheitlich offenbar nicht wußten, wie sie der für sie unbekannten Herausforderung begegnen sollten. Doll aber schickt sich an, das zu halten, was die Verantwortlichen sich von ihm versprochen haben. Mit viel gutem Zureden, aber auch mit manch bösem Wort hat er die Handlungsstränge des Dortmunder Spiels ineinander verwoben.“

Verfehlt

Bernd Müllender (FR) liest den Aachenern die Leviten: „Aachens Mischung aus Lethargie und Verkrampfung löst erregte Debatten aus, ob das Team nicht mehr könne oder wolle – oder beides. Die Zusammensetzung der Elf scheint strategisch verfehlt: Manche spielen ohnehin ihre letzten Minuten in Aachen runter (Schlaudraff, Pinto, Dum, Sichone), anderen werden gute Angebote nachgesagt und eine Abschiedsklausel im Abstiegsfall (Rösler, Reghecampf, Leiwakabessy). Da gibt man statt der branchenüblichen 110 Prozent womöglich nur 100, wenn überhaupt.“

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