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Internationaler Fußball

Es war das Chelsea 2006

Oliver Fritsch | Dienstag, 22. Mai 2007 Kommentare deaktiviert für Es war das Chelsea 2006

Pressestimmen aus England und Deutschland zum Pokalsieg Chelseas

Nick Townsend (Independent) macht sich Sorgen um die Freizeitgestaltung des englischen Fußballnachwuchses: „Vielleicht war es ein Spiel zu viel in dieser Saison, für zwei Mannschaften, die sich so gut kennen wie verfeindete Familienangehörige. Als die Sieger die 107 Stufen zur Siegerehrung hochstiegen, waren es vor allem die Innenverteidiger, die Applaus verdienten – damit ist eigentlich alles gesagt. Die zwei besten Mannschaften Englands sorgten dafür, daß die Einweihungsfeier des neuen Wembley-Stadions eine trostlose Veranstaltung wurde. (…) Die erste Halbzeit war zum Heulen. Sicher nicht die Art Fußball, die Kinder dazu bringt, im Garten herumzutollen und ihre Vorbilder zu imitieren. Eher schon dürften sie sich in ihre Kinderzimmer verzogen haben, um Playstation zu spielen.”

Auch für Joe Lovejoy (Times) gab es zu wenig guten Fußball zu sehen – und zu viel Brimborium: „Dieses Finale war alles andere als ein Klassiker, und es war ziemlich schnell klar, daß der, der zuerst ein Tor schießt, als Sieger vom Platz gehen würde. Das endlose Vorgeplänkel, der Rummel und das ganze Gedöns erinnerten an die amerikanische Super Bowl. Und nachdem Prinz William das Stadion für eröffnet erklärt hatte und die Opernsänger mit ihrem Auftritt fertig waren, war es für diejenigen, die gekommen waren, um ein Fußballspiel zu sehen, eine Erleichterung als es endlich los ging. (…) Chelsea und ManU mögen die zwei besten Teams des Landes sein, aber keine der beiden Mannschaften konnte gestern ihr gesamtes Können abrufen. Es war eines der schwächsten FA-Cup-Endspiele der jüngeren Geschichte.”

Kraft, Kondition, Kontrolle statt Glanz und Glamour

Gary Lineker macht sich im Daily Telegraph Gedanken über Jose Mourinhos Wesen und Zukunft: “Es ist schwer zu schätzen, ob dieser Sieg Einfluß auf Mourinhos Verbleib bei Chelsea hat. Nur wenige Eingeweihte wissen wirklich, was an der Stamford Bridge in dieser Saison vorgefallen ist, und letztlich hängt die Entscheidung allein von einem Mann ab: Roman Abramowitsch. Ganz offensichtlich gab es Mitte der Saison erheblichen Krach zwischen dem Trainer und dem Besitzer des Clubs, so viel steht fest. Was wir jedoch nicht wissen ist, wie tief der Bruch zwischen den beiden ist. Die Fans des Vereins wollen Mourinho auf jeden Fall behalten. Man konnte hören, wie laut sie jubelten, als er die Trophäe in die Höhe reckte. Sie wissen, daß man Titel nicht mit Geld allein gewinnt, sonst hätte Real Madrid in den letzten fünf Jahren alles abgeräumt. Nein, Mourinho ist eine Klasse für sich.”

Christian Eichler (FAZ) schließt aus der Tatsache, daß Chelsea ohne seine Neuen, in erster Linie Ballack und Schewtschenko, gewonnen hat: „Chelsea als Pokalsieger 2007, es war das Chelsea von 2006; es war der Triumph eines Vorjahresrenners, den man wieder aus der Garage geholt hat, weil beim Nachfolgemodell der Motor stotterte. Kraft, Kondition, Kontrolle statt Glanz und Glamour. Der erste Sieger im neuen Wembley waren die ältesten aller Fußballtugenden.“

Englische Presse bearbeitet und übersetzt von Alexander Neumann (London)

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