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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Bundesliga

Dank Ribéry Erlebnis- statt Ergebnisfußball

Oliver Fritsch | Montag, 27. August 2007 Kommentare deaktiviert für Dank Ribéry Erlebnis- statt Ergebnisfußball

Pressestimmen zum 3. Spieltag: Die Journalisten pflücken den Bayern und ihrem französischen Star Blumen / Sieh an, Bielefeld und Bochum / Dortmund wendet die höchste Gefahr ab / Bremen und Stuttgart mogeln sich zu ersten Siegen / Leverkusens Rückkehr zum Spielwitz

Klaus Hoeltzenbein (SZ) fürchtet angesichts der Stärke der Bayern um den Spannungsbogen der Liga: „Am vierten Spieltag ist der HSV dran, am fünften müssen die Schalker nach München, und wer die Bayern zuletzt wirbeln sah, wird vom Gefühl beschlichen, dass diese beiden Duelle bereits die dramaturgische Hürde sein könnten für die komplette Handlung der Saison. (…) Sollten die Bayern auch die Hürde HSV/Schalke nehmen, ließe sich die Meisterschaft vielleicht so fortsetzen: Der FC Bayern wird früh zum Meister 1a ernannt, die übrigen siebzehn ermitteln einen Meister 1b. Die Münchner gehen außer Konkurrenz auf eine lange Ehrenrunde, und alle schauen zu, was sie im Kurzpasswirbel lernen können. Ein Albtraum? Nun gut, noch ist die Saison nicht verloren. Und wenn doch? Zuschauen und genießen, bislang spielen diese Ribéryaner einfach sehr, sehr guten Fußball.“

Diese Bayern müsse jeder lieben, meint Hans-Joachim Leyenberg (FAZ): „Der Gigant der Saison 2007/2008 kommt so wunderbar schwerelos daher, dass alle über die Jahre wie in Stein gemeißelten Einschätzungen über den Fußball à la Bayern nicht mehr mit der heutigen Wirklichkeit in Einklang zu bringen sind. Die Boy-Group spielt einen so attraktiven Ball, dass sie selbst jene aus der Reserve lockt, die sich grundsätzlich nicht für den hiesigen Marktführer erwärmen möchten. So wie es halt Leute gibt, die aus Prinzip nicht auf den guten Stern aus Untertürkheim blicken wollen, wenn sie sich ans Steuer ihres Autos setzen. Aber dann kommen sie doch ins Schwanken, wenn es an eine Neuanschaffung geht und die Autobauer ein pfiffiges Gefährt mit allen nur erdenkbaren Vorzügen in die Welt setzen. So ertappt sich jetzt mancher Fußballfreund dabei, voller Vorfreude dem nächsten Auftritt der Artisten aus dem Süden der Republik entgegenzusehen. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verlieren, dass es irgendwo einen Gegenpol oder kleine revolutionäre Zellen geben möge, die dem Establishment in die Parade fahren mögen. Nein, und dreimal nein! Weil die Bayern Erlebnis- und nicht Ergebnisfußball praktizieren, sich nicht durchmogeln wie in ihren schlechteren Jahren. Plötzlich gibt es sogar so etwas wie Solidarität mit den Bayern, wenn da ein paar Grobiane versuchen, dem Spielfluss ein abruptes Ende zu bereiten.“

Ribéry ist mal wieder nur durch ein Foul zu bremsen. Hoeneß und Hitzfeld reagieren entsprechend mit wütenden Protestrufen.

Elisabeth Schlammerl (FAZ) schreibt über die Magie Franck Ribérys: „Die Allianz-Arena ist in dieser Saison endlich eine Erlebniswelt, ein Vergnügungspark, und die Hauptattraktion heißt Ribéry. Der kleine Franzose hat den Bayern die pure Lust am Fußball eingehaucht – und den Hang zum Ergebnisfußball ausgetrieben. Ribéry ist jede Tempoverschleppung zuwider, und er reißt die Kollegen einfach mit. (…) Die Bayern haben im Moment genau die richtige Mischung gefunden in ihrer Mannschaft zwischen künstlerischer Vielfalt und schnörkelloser Fußball-Arbeit.“

Gepumptes Glück

Jan Christian Müller (FR) verneigt sich vor den zwei derzeit besten Münchner Verfolgern: „In neun der elf Jahre seit 1996 spielte Bochum in der ersten Liga, Bielefeld brachte es im selben Zeitraum auf stolze acht. Diese Leistung beider Klubs ist nicht weniger hoch einzustufen als etwa das doppelte Double der Bayern 2005 und 2006, ach was, sogar höher – und viel, viel höher als der auf Pump erkaufte Titel von Borussia Dortmund 2002.“

Oskar Beck (Welt) streicht die Nüchternheit der Bochumer und Bielefelder heraus: „Die Saison befindet sich in einem Stadium, wo man sie noch nicht sonderlich ernst nehmen darf – zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr galten beispielweise die Stuttgarter wie sichere Absteiger, und in den Wettbüros hat die Fachwelt Haus und Hof darauf gesetzt, dass der VfB rasend schnell gezwungen sein würde, Armin Veh wegen erwiesener Unfähigkeit, Erfolglosigkeit und Gebrechlichkeit zu feuern. Mit Propheten, hat ein kluger Kopf einmal gesagt, unterhält man sich am besten drei Jahre später – bei Bochum und Bielefeld wissen wir vermutlich schon in drei Wochen mehr. Auf Dauer schießt nun einmal nicht die Gunst des Terminplans oder das Glück die Tore, sondern wieder das Geld. Deshalb hat Ernst Middendorp den nahenden Ernst des Lebens nicht aus den Augen verloren und tut alles, um jetzt nicht den großen Zampano und Hexer zu mimen. Statt mit seinen Arminen genüsslich auf Wolke sieben davonzuschweben, erzählt er ihnen, dass sie ihr gepumptes Glück, bittschön, richtig einordnen sollen – und sie ihre sieben tollen Punkte nur gewonnen haben, um am Ende nicht abzusteigen. Auch Koller erstickt jeden Koller im Keim. Wo der Gockel Peter Neururer früher schon gekräht und gegackert hat, noch ehe seine Bochumer Hühner ihr erstes Ei legten, lässt sich der Schweizer im Hochgefühl nicht von der tiefstehenden Sonne blenden, sondern weiß: Zu Beginn der Saison findet halt auch ein blindes Huhn mal ein Korn.“

Roland Zorn (FAZ) hält dem Hamburger Trainer nach dem 1:2 in Bochum einen Fehler vor: „Der HSV kann aus der Niederlage Lehren ziehen: Wie man zum Beispiel eine Mannschaft, aus der acht Profis zwei Tage zuvor bei Länderspielen ihrer Verbände gefordert waren, sinnvoll aufstellt. So, wie es der gewohnt bärbeißige Huub Stevens machte, führt der Weg nicht zwangsläufig zum Erfolg. Der HSV wirkte, kein Wunder, müde. So waren einige Hamburger erst am Tag des Bundesligaspiels von ihren internationalen Einsätzen eingetroffen. Marcel Koller agierte da schon schlauer. Auch der VfL hatte seine Nationalspieler von diversen Länderspielreisen in Empfang genommen. Koller aber reagierte prophylaktisch, stellte drei neue Spieler erstmals von Beginn an auf – und sah sich für seine kleine Rotation belohnt. Der HSV wird, sollte er sich für den Uefa-Cup qualifizieren, häufiger donnerstags international und samstags national spielen. Bochum war da nur ein Probelauf auf die eigene Belastbarkeit, aus dem Stevens Rückschlüsse ziehen konnte. Mehr Rotation, mehr Frische – das dürfte die Faustformel für eine unter schwierigen Umständen erfolgreichere Zukunft sein.“

Überzogene Hast

3:0 gegen Cottbus, Gefahr abgewendet – Richard Leipold (FAZ) erklärt, was für die Dortmunder auf dem Spiel stand: „Thomas Doll hatte sich nach einem Vertrauensbeweis gesehnt – und ihn bekommen. Die Fußballprofis von Borussia Dortmund beantworteten die Vertrauensfrage ihres Cheftrainers eindrucksvoll mit den Füßen. Sie spielten so, wie es Doll und vor allem die Fans sich von Anfang an gewünscht hätten: mutig, zielstrebig, schnell und vor allem erfolgreich. Die deutlichen Niederlagen an den ersten beiden Spieltagen hatten in Teilen der Medien schon Grundsatzfragen und Systemdiskussionen hervorgerufen. Der BVB lief früh Gefahr, nicht nur in ein sportliches, sondern auch in ein Stimmungstief zu geraten. Die Borussen begannen unverzüglich damit, mit hohem Einsatz die Spiel-Schulden abzutragen, die sie gegen Duisburg und Schalke angehäuft hatten.“

Freddie Röckenhaus (SZ) fand den Stil der Dortmunder „übertourig“: „Bei dem von Doll immer wider apostrophierten ‚Hochgeschwindigkeitsfußball‘ gibt es nach wie vor allzu viele Entgleisungen. Vor allem in der zweiten Halbzeit wirkte das Tempo bisweilen hektisch und ein wenig überdreht. Schnell zu spielen ist als Programm ja nicht schlecht, Dortmunds ICE-Tempo allerdings schien allzu oft die eigenen Möglichkeiten zu übersteigen. So präsentiert sich Dortmunds Fußball bisher zwischen pomadiger Überheblichkeit wie in den ersten beiden Spielen und überzogener Hast wie jetzt gegen Cottbus.“

Eigenlob zu dick aufgetragen

Daniel Theweleit (Financial Times Deutschland) entdeckt beim 3:0 gegen Karlsruhe das Rückgrat der spielfreudigen Leverkusener: „Da hatte sich einiges aufgestaut bei den ambitionierten Rheinländern, denen zum Start kein Tor und nur ein Punkt gelungen war. All dies entlud sich nun in einem sommerlichen Feuerwerk. Bernd Schneider glückte jeder noch so gewagte Trick, Kießling und Gekas waren immer schneller als ihre Gegenspieler, und Ramelow ergänzte das Spiel der Künstler durch die Schlichtheit seiner Aktionen. Vielleicht war Ramelows nüchterner Beitrag ein entscheidender Aspekt gegenüber den vorigen Partien, in denen er gefehlt hatte. (…) Den Karlsruhern erschien die Leverkusener Mischung als Übermacht. Für den KSC war dieses Spiel wie eine Nacht in der Ausnüchterungszelle. Samt unsanftem Erwachen.“

Gregor Derichs (Stuttgarter Zeitung) mahnt Bayer zu Demut: „Wenn es bei Bayer Leverkusen rund und störungsfrei läuft, bietet die Mannschaft attraktiven Angriffsfußball. Das ist bekannt in der Bundesliga. Schön anzuschauen ist das Offensivspektakel, das sie an guten Tagen entfachen können. Michael Skibbe kam richtig ins Schwärmen. Es war zweifellos eine Lektion, die die Rheinländer den Badenern erteilten. Der KSC war den Leverkusenern nicht gewachsen. Aber so berauschend, wie sie sich selbst fanden, waren die Leverkusener eigentlich nicht. Das Eigenlob war zu dick aufgetragen. Eine Reaktion bei Bayer war gar arrogant. Am 18. März 2000 hatte der Werksklub einen Rekordsieg in der Bundesliga gefeiert, mit einem 9:1 beim SSV Ulm. ‚Im Heimspiel gegen den Karlsruher SC hätte die Bestmarke fallen können‘, hieß es im Presseservice des Vereins. Das war wirklich deutlich zu hoch gegriffen.“

Ersatzgeschwächtes Durcheinander

Christof Kneer (SZ) erschrickt vor Bremen, 1:0-Sieger in Nürnberg: „Es war ein Spiel, das die DFL stutzig machen müsste, weil sich hier offenbar eine Mannschaft die Bundesliga-Lizenz erschlichen hat, bei der es sich keinesfalls um Werder Bremen handeln konnte. Was da vor sich hin spielte, war ein dramatisch ersatzgeschwächtes Durcheinander.“ Christoph Ruf (taz) fügt an: „Ein unsägliches Spiel, das in einem veritablen Skandal gipfelte: Dem, dass es nicht 0:0 endete.“

Bernd Dörries (SZ) schreibt über das 1:0 des Meisters gegen Duisburg: „Der VfB Stuttgart hat in den ersten beiden Begegnungen recht gut gespielt, aber nur einen Punkt geholt. Am Samstag war die Mannschaft nicht besonders gut, holte aber erstmals drei Punkte.“

NZZ: Juves bescheidene Rückkehr in die Serie A

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