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Internationaler Fußball

Hauptschuldiger am drohenden Desaster

Oliver Fritsch | Freitag, 19. Oktober 2007 Kommentare deaktiviert für Hauptschuldiger am drohenden Desaster

Wolfgang Hettfleisch (FR) berichtet über das 1:2 Englands in Russland und über einen sehr unangenehmen Abend für Trainer Steve McClaren: „Dass der spröde und nie populäre Nachfolger von Sven-Göran Eriksson gehen muss, sollte England tatsächlich erstmals seit 1984 bei einer EM-Endrunde zuschauen, ist so sicher wie das Amen in der Anglikanischen Kirche. Guus Hiddink, trotz aktueller Vertragsverlängerung mit dem russischen Verband, einer der vielen Kandidaten für McClarens Nachfolge, kannte in der Stunde des Triumphs keine Pietät. Er sprach taktische Fehler des Kollegen an. Der habe es versäumt, auf seine Umstellungen zur Pause zu reagieren, mit denen die Russen ihre rechte Angriffsseite stärkten. Weil der unerfahrene Linksverteidiger Joleon Lescott wegen des Übergewichts des russischen Fünfer-Mittelfelds ständig nach innen rückte, wurde die nominelle Offensivkraft Joe Cole quasi zum Außenverteidiger degradiert. Das Verteidigen aber zählt bekanntermaßen nicht zu den Stärken des torgefährlichen Dribblers vom FC Chelsea. Die englischen Zeitungen breiteten die Kritik des weltmännischen Hiddink am hausbackenen McClaren tags darauf genüsslich biss hämisch aus. Mochte der unglückliche englische Teammanager auch noch so oft wiederholen, dass der unberechtigte Elfmeter sein Team den sicheren Sieg und damit das vorzeitige Erreichen der EM-Endrunde gekostet habe: Für die Presse ist er der Hauptschuldige am drohenden Desaster.“

Vergangenheit hinter sich gelassen

Die NZZ befasst sich mit Russlands Blüten: „Die Demontage der Engländer wurde gefeiert, als hätte die Equipe Hiddinks soeben die Weltmeisterschaft und die Olympischen Spiele gleichzeitig gewonnen. Die Atmosphäre im ausverkauften Luschniki-Stadion muss selbst den lärmresistenten Briten unter die Haut gefahren sein. Und dennoch hatte sie auch etwas orchestriertes an sich. Die (angeblich) größte Nationalflagge der Welt, die vor dem Spiel im gewaltigen Oval ausgebreitet wurde, spiegelte ebenso ein gewisses Übermaß an Patriotismus wie der TV-Auftritt von Premierminister Viktor Zubkow. Der Politiker hatte in einer Ansprache an die Spieler den Fußballabend nämlich in einen größeren historischen Kontext gestellt: ‚Wir haben den Zweiten Weltkrieg gewonnen. Wir sind als erste ins All geflogen. Jetzt müsst ihr alles geben, um heute zu gewinnen.‘ Über etwas kann aber auch die leicht irritierende Propaganda nicht hinwegtäuschen: Die russischen Fußballer haben die Vergangenheit hinter sich gelassen. Vor allem profitieren sie von einem wirtschaftlich äußerst attraktiven Umfeld. Über Geld wird hier zwar erfahrungsgemäß nicht gesprochen, doch scheint der Rubel noch schneller zu rollen als der Ball. Damit lässt sich auch erklären, weshalb immer mehr ausländische Stars den russischen Winter als erwärmend empfinden. Von der wachsenden Kompetitivität der Meisterschaft profitiert nicht zuletzt die Nationalmannschaft. Hiddink stützt sich zur überwiegenden Mehrheit auf Personal aus der heimischen Liga. In Israel und Andorra muss er mit seiner Auswahl sechs Punkte gewinnen. Anderenfalls würde der Triumph gegen die Engländer quasi zu einer sportlichen Propagandalüge verkommen.“

FAZ: Hiddink siegt mit Russland 2:1 über England und belehrt seinen Kollegen McClaren

Das 0:1 durch Rrruniä …

… Ausgleich durch den umstrittenen Elfmeter

… und eine Robinsonade zum Schluss.

Selbstüberschätzung

Über den 1:0-Sieg der Griechen bei den Türken heißt es bei Tobias Schächter (Berliner Zeitung): „In Terim ist der Sündenbock für die scheinbar unaufhaltsame Selbstdemontage des türkischen Fußballs gefunden. Kommentatoren fordern den einst als Imperator gefeierten, selbstherrlichen Mann zum Rücktritt auf. Durch seine Arroganz gegenüber vermeintlich schwachen Gegnern wie Malta und Moldawien, gegen die am Ende aber zwei bittere Remis standen, seine wirren Personalrochaden und seine nationalistischen Parolen hat er seine Mannschaft völlig verunsichert. Die alte türkische Krankheit der Selbstüberschätzung stürzte die Nationalelf spätestens nach dem 4:1-Hinspielerfolg in Piräus wieder in einem Abwärtsstrudel, dem sie nun hilflos ausgeliefert zu sein scheint. (…) Zur Attraktion taugt diese Elf [die griechische] dort zwar auch diesmal nicht, aber wie schon vor drei Jahren in Portugal wird sie nicht leicht zu besiegen sein. Drei Hünen, Kyrgiakos, Dellas, Antzas, bilden eine zentrale Abwehrmauer wie aus Beton, und im Mittelfeld spielen die Veteranen Basinas und Karagounis immer noch klug und bissig.“

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