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Champions League

Da hat einer die drei besten Trainertugenden eingebüßt: Glück, Glück, Glück

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. Oktober 2007 Kommentare deaktiviert für Da hat einer die drei besten Trainertugenden eingebüßt: Glück, Glück, Glück

Nach dem 0:2 gegen Olympique Lyon sagt die Presse dem VfB Stuttgart schwere Zweiten voraus und bereitet sich auf Krokodilstränen für Armin Veh vor, über dessen Entlassung sie unkt

Christof Kneer (SZ) rechnet damit, dass die Stuttgarter Vereinsführung in ihrer Not bald den letzten Nagel in die Wand schlagen wird: „Das Dramatische an der Situation ist ja, dass es im Grunde gar nicht mehr um die Qualitäten der sportlichen Leitung geht. Es geht nicht mehr darum, ob Heldt die Saison seriös geplant hat (das hat er); es geht auch nicht mehr darum, ob Armin Veh ein guter Trainer ist (das ist er); es geht darum, eine Lawine aufzuhalten, der mit fachlichen Mitteln schwer beizukommen ist. Neben dem Selbstvertrauen und den fußballerischen Automatismen ist die Lawine gerade dabei, auch die Sekundärtugenden dieser bemitleidenswerten Elf unter sich zu begraben. Für eine Krisenelf hat der VfB gegen Lyon dreißig Minuten sehr ordentlich Fußball gespielt, es haben nur ein paar letzte oder auch vorletzte Pässe gefehlt, aber sobald der Gegner es wagt, ein Tor zu schießen, löst sich diese Elf auf wie eine Brausetablette. Die Spieler winken dann ab, spielen provozierend lässig wie Ewerthon oder demonstrativ genervt wie Mario Gomez. (…) Wer die Stuttgarter Hauspolitik zuletzt verfolgt hat, kann davon ausgehen, dass die hohen Herren ihrem verdienten Trainer eine öffentliche Trainerdiskussion ersparen wollen. Im Stillen aber werden sie sich wappnen für den Fall, dass die Mannschaft auch gegen Leverkusen und im DFB-Pokal gegen den Zweitligisten Paderborn verliert.“

Elke Rutschmann (Financial Times Deutschland) bedauert Veh: „Noch vor fünf Monaten hatte Veh die Champions League freudig herbeigesehnt. Nach der dritten Niederlage in Folge ist sie für die Stuttgarter zu einer Trauerveranstaltung geworden. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte er zusammen mit Heldt aus den Trümmern der Trapattoni-Ära den neuen VfB gebaut. Eine Mannschaft, die nach dem Meisterstück mit so viel Potenzial und Charakter gesegnet war. Jetzt funktioniert das Immunsystem des Ensembles nicht mehr. Die Körper und die Köpfe sind müde von der vielen vergeblichen Glaubensarbeit. (…) Man hatte nie das Gefühl, dass der Deutsche Meister gegen den französischen Titelträger gewinnen könnte.“

Wie eine Marionette aus der Augsburger Puppenkiste

Oliver Trust (taz) fügt hinzu: „Wie lange noch darf Veh auf die Geduld der Vereinsführung bauen? Zu dramatisch der Niedergang, zu groß inzwischen die Zweifel. In solch rasantem Tempo ging es selten für einen Titelträger bergab. Im Stadion war die Lethargie mit Händen zu greifen. Irgendwann pfiffen selbst die Zuschauer nicht mehr. Man ertrug nur noch.“

Oskar Beck (Stuttgarter Zeitung) tröstet Veh mit der Irrationalität des Fußballs: „Der Fußball ist gaga. Wie sehr der Fußball spinnt, vor allem in Trainerfragen, sieht man an der VfB-Chronologie seit Don Giovanni. Ganz Stuttgart hat den erfolgreichsten Trainer der Gegenwart als Messias empfangen und als Sargnagel wieder fortgejagt. Aus unerfindlichen Gründen hat der VfB dann den in der Dritten Liga entlassenen Veh geholt, aus noch unerfindlicheren Gründen hat er aus Wasser Wein gemacht – und aus den unerfindlichsten aller Gründe baumelt der Trainer des Jahres nun kurz danach als Untrainer des Jahres an einem dünnen Faden wie eine Marionette aus der Augsburger Puppenkiste. Da hat einer die drei besten Trainertugenden eingebüßt: Glück, Glück, Glück.“

Stuttgart in der Champions League, Tiervergleich I – Thomas Klemm (FAZ): „Das Duell mit Lyon geriet für die Schwaben zu einem Abend der bitteren Wahrheiten. In seiner aktuellen Verfassung ist der deutsche Überraschungsmeister in der europäischen ‚Königsklasse‘ so fehl am Platze wie ein Karpfen im Hechtteich.“ Stuttgart in der Champions League, Tiervergleich II – Frank Ketterer (Berliner Zeitung): „Sobald ein Ball auch nur in die Nähe ihres Strafraums kam, wirkten die VfB-Abwehrspieler so hektisch wie Hühner, in deren Stall der Fuchs eingebrochen ist. So sind die Stuttgarter am Ende eines Abends, der ihnen eigentlich Hoffnung hatte spenden sollen, noch tiefer in die Krise gerutscht.“

Von Karpfen und Hühnern, von Hechten und Füchsen

Beautiful game

Felix Reidhaar (NZZ) erklärt die heilende Wirkung des 7:0 Arsenals für England: „Vergessen die Niederlage im Rugby-WM-Final, überwunden der Sturz des Formel-1-Leaders im letzten Moment, verdrängt die latente Gefahr einer Nichtteilnahme an der Fußball-EM, die dem englischen Nationalteam aus dem Mutterland des Sports einen dunklen Winter androht. Seit Mittwoch ist die während der letzten sieben Tage schwer verwundete Seele vieler stolzer Engländer am Genesen. Sie und die veröffentlichte Meinung im Land schwelgen in typischer Übereinstimmung über einen Fußballabend, wie es ihn in der Tat nicht alle Tage gibt. Was Arsenal gegen Slavia Prag ohne Verschnaufpause an spielerischen Leckerbissen feilbot, kann besser nicht umschrieben werden als mit beautiful game. Entsprechend lasen sich am folgenden Morgen die Echos in den Printmedien des Landes, entsprechend der ’schwarzen Woche‘ suchten die Journalisten primär und ausnahmslos das positive Element britischen Ursprungs – und fanden es: Theo Walcott heißt der junge Mann dieser Sehnsüchte.“

Arsenals sieben Streiche

FAZ-Portrait Sergej Barbarez

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