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Bundesliga

Hat der VfB aus Fehlern der Vergangenheit gelernt?

Oliver Fritsch | Montag, 29. Oktober 2007 Kommentare deaktiviert für Hat der VfB aus Fehlern der Vergangenheit gelernt?

Pressestimmen zum 11. Spieltag: Intensives Remis zwischen Schalke und Bremen; Manuel Neuer wird mit Lupen bewertet; Stuttgart hält sich den größten Ärger durch einen Sieg gegen Leverkusen mit unbekannten und unverbrauchten Spielern vom Leib; Dortmunds Quasi-Sieg gegen Bayern

Zwei Gewinner

Ein Fast-Sieg gegen die Bayern – Peter Heß (FAZ) teilt das Lob des Dortmunder Publikums an seine Mannschaft: „Zur Pause zollten die Fans ihren Borussen-Profis schon freundlichen Applaus. Da stand es 0:0, und die Borussia hatte den Bayern aggressiv und hoch konzentriert hartnäckigen Widerstand geleistet. Das reichte schon für die Beifallskundgebung, eine Führung gegen die in diesen Wochen übermächtig erscheinenden Bayern erwartet schon niemand mehr. 45 Minuten später verabschiedete das ganze Stadion den BVB mit Ovationen. Da stand es zwar immer noch 0:0, aber manchmal zählt nicht nur das Resultat. Mit einer begeisternden Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit hatten die Dortmunder den Favoriten in einem hochklassigen Bundesligaspiel an den Rand einer Niederlage gedrängt. (…) Dortmund schwang sich zu in dieser Spielzeit unbekannter Klasse auf, am Ende gab es keinen Verlierer. Die Dortmunder hatten neues Selbstbewusstsein geschöpft, die Bayern ein schweres Auswärtsspiel nicht verloren.“

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Geladen, intensiv, kunstlos

Philipp Selldorf (SZ) beschwert sich beim Schiedsrichter, dass dieser das 1:1 zwischen Schalke und Bremen zehn Sekunden vor Ablauf der regulären Spielzeit abgepfiffen hat: „Warum Herbert Fandel die Partie so zeitig beendete, dieses Geheimnis nahm er mit auf den Heimweg nach Kyllburg in der Eifel. Überdruss am Geschehen konnte es nicht sein, denn er hatte ein sehr gutes, mit 1.000.000 Volt geladenes Fußballspiel leiten dürfen, und polizeilicher Notstand hatte auf dem Spielfeld auch nicht geherrscht: Obwohl es hart zuging und die Teams sich die sieben Gelben Karten redlich verdienten, blieben alle fair. Schalke und Werder hatten für den Sieg viel riskiert und den Zuschauern kribbelige Unterhaltung geboten.“

Roland Zorn (FAZ) hingegen will sich Härte nicht für Qualität vormachen lassen: „Die Intensität dieser Begegnung, ihre manchmal brutale Härte, die Vielzahl von vielversprechenden Torgelegenheiten konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier ein eher physisches Kräftemessen als Ersatz für den Mangel an Phantasie, Finesse und Spielkunst herhalten musste. Das Zusammenspiel der Bremer war einen Tick schöner anzuschauen, der zähe Zusammenhalt der Schalker wog das ästhetische Plus der Norddeutschen allemal auf. Schließlich waren sich die Verantwortlichen beider Mannschaften einig, dieses kraftraubende Duell mit hohen Noten zu verzieren – schon, um von der leisen Enttäuschung, nicht bei den Siegern des Tages gewesen zu sein, abzulenken.“

Obsession zum Drama

Matti Lieske (Berliner Zeitung) bremst den Fall Manuel Neuers, des in die Kritik geratenen Schalker Torhüters: „Er wurde schon nach einem leicht missratenen Abwurf in Rostock, an dem zur Hälfte Verteidiger Rafinha die Schuld trug, in Grund und Boden verdammt. Nach einem wirklich groben Patzer in Chelsea, der fast zwangsläufig war, nahm die Angelegenheit vollends Kampagnencharakter an. ‚Flutschfinger‘ wurde der kürzlich noch zum Jahrhunderttalent stilisierte Jüngling nun genannt, was aber nichts macht, weil Neuer eigenen Aussagen zufolge keine Zeitungen liest. Zu hoffen ist, dass er auch nicht fernsieht, sonst würde er nämlich feststellen, dass ihm inzwischen jedes Schalker Gegentor zur Last gelegt wird, bei dem er irgendwie in der Nähe ist – was bei einem Torhüter ja häufiger vorkommen soll. Offenkundig hat die Tatsache, dass die herausragendsten Produkte der selbsternannten Torwartnation Deutschland im Ausland zur Zeit nur als Polster für die Reservebank Verwendung finden, hierzulande eine handfeste Obsession hervorgerufen. Verbunden mit fortgeschrittenem Realitätsverlust, was die Unfehlbarkeit teutonischer Torleute angeht, lässt diese jeden kleinen Missgriff zum großen Drama geraten. Es dürfte eine Weile dauern, bis der Gedanke wieder akzeptiert wird, dass selbst deutsche Torhüter Fehler machen.“

Die Krise macht sich gelangweilt davon

Jan Christian Müller (FR) hebt lobend hervor, dass Nachwuchsspieler entscheidend zum 1:0 der Stuttgarter gegen Leverkusen beigetragen haben: „Dass junge Männer wie Pischorn, Beck, Schuster oder Perchtold ihren Beitrag zum ersten Sieg nach fünf Niederlagen leisteten, ist kein Zufall: Der Klub betreibt seit Jahrzehnten eine vorbildliche Nachwuchsförderung. Die Junioren hamstern Meistertitel, die U 23 steht auf Platz zwei der Regionalliga. Mit entsprechendem Selbstvertrauen konnten die jungen Forschen den Profis helfen. Dass sich die Vereinsführung um Präsident Erwin Staudt und Aufsichtsratschef Dieter Hundt zudem mit kritischen Äußerungen zurückhielt, lässt den – noch vorläufigen – Schluss zu, dass der VfB aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hat.“

Christof Kneer (SZ) ergänzt: „Wenn nicht alles täuscht, dann hat der Trainer Veh beim etwas glücklichen 1:0 gegen Leverkusen eine rettende Formel gefunden, auf die er schleunigst ein Patent anmelden sollte. Auf dem Weltmarkt dürften sich mit der Formel bald riesige Summen erzielen lassen, denn nun wissen die Krisenklubs in aller Welt endlich, was sie tun müssen. Sie müssen einfach Spieler aufstellen, die mit der Krise nichts zu tun haben – dann merkt die Krise nämlich, dass sie nicht mehr genügend Opfer findet und macht sich gelangweilt davon. Auch die beiden besten Stuttgarter kamen ja geradewegs aus einer heilen Parallelwelt, in der keine Krise das Spiel belastet: Andreas Beck, den Veh bisher erstaunlich ausdauernd übersehen hatte; und Thomas Hitzlsperger, der sein letztes Spiel für den VfB vor sechs Wochen bestritt, als die Krise noch keine Krise, sondern nur ein kleiner Fehlstart war. Der VfB ist also zu seinem Glück gezwungen worden, denn ohne Krise wäre keine dieser unbeschwerten Kräfte zum Einsatz gekommen.“

Völler klagt gegen sich selbst

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ) blickt in erleichterte Stuttgarter Gesichter und klopft Thomas Hitzlsperger auf die Schultern: „Nach dem Zieleinlauf wirkte die Mannschaft, als hätte sie einen Marathon hinter sich. Im aktuellen Fall mit Bayer Leverkusen im Nacken, einer Elf, die immer noch und immer wieder an ihrer Abschlussschwäche krankt, gefällig aufspielt, aber ihre besten Chancen versiebt. Zudem stand den Westdeutschen Raphael Schäfer im Wege. Erschöpft nach langer Durststrecke, aber glücklich lag sich das Team am Ende in den Armen. Ein Aufheller inmitten der Herbstdepression. Indizien der Besserung lieferten eine Reihe von Ensemblemitgliedern. Aufsteigende Tendenz bei Sami Khedira, der sich wieder traute und konstruktive Vorstöße inszenierte, Yildiray Bastürk erlebten die Zuschauer zielstrebig wie noch nie im VfB-Trikot, und Cacau kam ohne eine einzige abfällige Geste gegenüber den Kollegen aus. Was bleibt, ist die generelle Frage, ob ein einziger Sieg nach leidenschaftlichem Kampf als Krampflöser reicht. (…) Hitzlsperger lieferte den Beweis dafür, was ein einziger Mann für ein Kollektiv ausmachen kann. Am Donnerstag, nach sechswöchiger Pause, hatte Hitzlsperger erstmals wieder mit der Mannschaft trainiert und ging am Samstag als Bilderbuchkapitän voran. Er dirigierte, forcierte oder verlangsamte je nach Bedarf die Gangart und versuchte sich mit Distanzschüssen.“

Rudi Völler kritisiert, dass Leverkusen schon zwei Tage nach seinem Europapokalspiel wieder antreten muss, und Klaus Hoeltzenbein (SZ) wirft ein: „Völler klagt, ihm fehle jede Logik dafür, warum statt der üblichen zwei nicht auch mal drei Ligaspiele am Sonntag stattfinden können. Recht hat er, das Problem ist nur: Völler klagt gegen sich selbst. Er klagt gegen die DFL, die sich im Jahr 2000 aus dem DFB löste, ein neuer Apparat, den die Klubs mit der Geschäftsführung von Erster und Zweiter Liga betrauten. Diese DFL hat für diverse Käufer die Fernsehrechte klar portioniert: ein Spiel Freitag, sechs am Samstag, zwei am Sonntag. Ohne Ausnahme. Dass das flexibler wird, ab 2009 vielleicht, wie Völler hofft, haben die Klubs nicht mehr allein in ihrer Gewalt. Die Fernsehrechte von 2009 bis 2015 sind jüngst auf einer ominösen Blitz-Sitzung der DFL an Leo Kirch zurückgefallen. Von den sechsunddreißig Vereinen war nur der Hamburger SV dagegen, Leverkusen enthielt sich der Stimme, es sei ihnen, so heißt es, zu flott gegangen. Hätte man sich mehr Zeit gelassen, hätte man beispielsweise über eine Klausel verhandeln können, die für Profispiele eine Schutzsperre von drei Nächten vorschreibt. Künftig aber sind die Klubs eingeschnürt ins selbstgebastelte Fernsehpaket. Sie hoffen darauf, dass Onkel Leo faire Lösungen einfallen.“

taz: Lange war Raphael Schäfer beim VfB Stuttgart, stark umstritten; erst jetzt scheint er bei den Schwaben angekommen zu sein

Vorsicht zuerst!

Frankfurt spielt gegen Hannover, und Uwe Marx (FAZ) unterdrückt sich ein Gähnen: „Was Friedhelm Funkel und Dieter Hecking bei dem Duell ihrer Mannschaften gesehen hatten, war Anerkennung wert, aber keinen Beifall. Die gezeigten fußballerischen Primärtugenden beim 0:0 dieser taktisch weitgehend identisch spielenden Gegner konnten nicht verhindern, dass von den Zuschauern mehr Pfiffe zu hören waren, als das bei den meisten Bundesligaspielen der Fall ist. Sie galten vor allem der Eintracht, die auf ihrem langen Weg der sportlichen Konsolidierung das Credo ihres Trainers vorlebte: Vorsicht zuerst! (…) Beide Mannschaften boten eine Partie, von der kein Spieler, kein Spielzug, keine Einzelaktion in Erinnerung bleiben wird. In einer Begegnung ohne Sieger war der Gewinner am Ende der pragmatische Realismus beider Trainer, die ihrem Gegenüber partout nicht ins offene Messer laufen wollten und wissen, dass ihre Mannschaften nicht in der Lage sind, einen weitgehend ebenbürtigen Gegner auf Kommando auszuhebeln. Sie haben, bei aller Unansehnlichkeit, gute Argumente, denn mit achtzehn Punkten nach elf Spieltagen kann Hannover ebenso zufrieden sein wie Frankfurt mit seinen sechzehn. Die Eintracht dürfte es schwerer haben als Hannover, diese Bilanz weiter zu verbessern.“

Halbes Funktionieren

Nur zwölf Stück an diesem Spieltag! Michael Horeni (FAZ) wünscht sich mehr Tore: „Unter den acht torärmsten Spielzeiten seit 1963 finden sich drei Runden aus den vergangenen fünf Jahren. Wie es aussieht, wird auch die Saison 2007/08 einen Spitzenplatz in dieser Spielverderberwertung erhalten. Aber diese wenig vergnügliche Reduzierung des Wesentlichen hat auch ein paar gute Seiten. Es zeigt sich, dass die Trainer ihre Teams mittlerweile taktisch und körperlich auf ein Niveau gebracht haben, das ihnen gestattet, sich sehr erfolgreich gegen Angriffe zu wehren. Keine Mannschaft ist mehr schlecht genug, sich regelmäßig auseinandernehmen zu lassen, und selbst der Tabellenletzte Energie Cottbus hat bisher nur einundzwanzig Tore kassiert, das sind nicht einmal zwei pro Spiel. Gewonnen haben die Lausitzer aber auch noch nicht, und da zeigt sich das Dilemma dieser immer erfolgreicheren Sicherheitspolitik, die man auch als den Versuch einer persönlichen Arbeitsplatzerhaltungsmaßnahme für Fußballtrainer betrachten kann. Sie finden solche Spiele nämlich gar nicht schlecht, weil man dann sagen kann, dass die Mannschaft funktioniert, halbwegs zumindest.“

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