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Champions League

Noch eine dieser bezaubernden Bremer Fußballnächte

Oliver Fritsch | Freitag, 30. November 2007 Kommentare deaktiviert für Noch eine dieser bezaubernden Bremer Fußballnächte

Werder hat es nicht verlernt, die Beobachter zu begeistern / Schalke hält sich alle Chancen offen und zeigt sich ungewohnt missgelaunt

Peter Heß (FAZ) schildert das Zustandekommens des Bremer Siegs gegen Real Madrid auf rationale Weise: „Es war kein Fußball-Wunder! Den Augenzeugen mag es so vorgekommen sein in einer dieser bezaubernden europäischen Fußballnächte, die sich nirgendwo in dieser Dichte ereignen wie in Bremen. Dass Werder Real Madrid 3:2 besiegte, gilt in der Branche als Überraschung, aber nicht als ein Phänomen. Dazu sind die Leistungsunterschiede zu gering und der Zufallsfaktor in diesem Sport zu groß. Aber dass die bessere Reservemannschaft eines Klubs der gehobenen europäischen Mittelklasse das Luxusprodukt des Fußballkontinents übertrifft, damit hatte niemand ernsthaft gerechnet. Es spielte sich nichts Übernatürliches oder Unerklärliches ab, nur etwas Unwahrscheinliches. Die überlegene Mannschaft ließ sich, geblendet von der eigenen individuellen Klasse und leicht benebelt von der komfortablen Tabellensituation, zu einem unkonzentrierten Auftritt hinreißen. Und der unterlegene Außenseiter nutzte diesen Mangel, um das Spiel nach seinem Geschmack zu gestalten.“

Sven Bremer (Financial Times Deutschland) ergänzt: „Sicher, das sieht viel eleganter aus, wenn Guti oder Robinho den Ball führen, als wenn sich Frank Baumann in einen Zweikampf wuchtet. Aber was nützt es, wenn das fehlt, was Werder so stark machte: Hingabe, Leidenschaft, Mut und ein offenbar unbedingter Siegeswille. Gewonnen hat ein hochklassiges Kollektiv – aus dem dennoch einer herausragte: Daniel Jensen.“

Andreas Lesch (Berliner Zeitung) zählt die vielen Gesichter Werders: „Die Bremer bewiesen, dass sie die wohl wandlungsfähigste Mannschaft der Bundesliga sind. Wer ihre Auftritte in der aktuellen Champions-League-Saison miteinander vergleicht, mag kaum glauben, dass da immer der gleiche Klub gespielt hat. Die Leistungsamplitude der Bremer ist riesig, sie garantiert Unterhaltung und Überraschungen, in guten wie in schlechten Zeiten. Die eigentliche Sensation war, dass die Bremer Real nicht niederkämpften, sondern niederspielten. Sie traten nicht wie ein trotziger Außenseiter auf, sondern wie ein entschlossener Favorit. Sie bestimmten, was auf dem Feld geschah: das Tempo, den Rhythmus, die Dramaturgie.“

Virus

Jörg Marwedel (SZ) dreht den eingebildeten Madrilenen seinen Rücken zu: „Der Landesmeister-Rekordsieger trägt derzeit wohl vor allem seinen großen Namen vor sich her. Der Wunderknabe Robinho, nicht nur wegen seines Tors noch der Beste bei Real, zeigte auch die Arroganz des Teams. Einmal versuchte er Petri Pasanen vorzuführen, indem er sechsmal den Fuß über den Ball hob und nicht spielte – ein lächerlicher Versuch, den Finnen lächerlich zu machen. Auch Christoph Metzelder ist von diesem Virus offenbar schon angesteckt. Werder sei es gut gelungen, Reals ‚hochklassiges Spiel zu unterbinden’, sagte er – ein bisschen zu viel der Gönnerhaftigkeit. (…) Die Bremer zeigen, dass sie mit Ausfällen umgehen können wie kaum eine andere Elf.“

Mein Lieblingstor: das 3:1. Ok, das 2:1 war auch gut. Und die anderen auch.

Mannschaft ohne Eigenschaften

Michael Ashelm (FAZ) sieht nach dem 0:0 in Valencia keinen Grund für die Depression der Schalker (die sich allerdings in letzter Zeit von der Presse immer anhören mussten, dass sie ihre Ergebnisse und Leistungen zu genügsam beurteilten): „Eine merkwürdige Stimmung machte sich breit: geduckte Haltung, Enttäuschung, eine Gruppe in sich gekehrter Spieler, grantige Bosse. Ein Schwall negativer Energie ergriff Besitz von Schalke 04. Dabei hatten sich die Gelsenkirchener doch auf den letzten Drücker noch die Chance erspielt, mit einem Sieg über Rosenborg Trondheim erstmals ins Achtelfinale einzuziehen. Das müsste für die nicht gerade mit sportlichen Triumphen gesegneten Schalker eigentlich fast so viel wert sein wie der ewige Traum vom Meistertitel in der Bundesliga. Aber diese schöne Aussicht zählte nicht. Die Schalker Chefs redeten, als wäre ihr Klub einer der Mitfavoriten in dieser europäischen Meisterligasaison und würde dieses Ziel nun gefährden. Dieses Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit ist ein immer wieder auftauchendes Problem in der oft binnenorientierten Bundesliga. Nach einem Sieg gegen das Durchschnittsteam von Hannover 96 wähnten sich die Gelsenkirchener schon reif für eine Attacke in der Champions League. Doch tatsächlich schaffte es die Mannschaft des FC Valencia, trotz Formtiefs, stockenden Kombinationsflusses und Unterzahlspiels die Schalker unter Druck zu halten. Im Team des neuen Trainers Ronald Koeman steckt der in Jahren erworbene Erfahrungsschatz vieler hochkarätiger Duelle, wenn auch derzeit auf dem Platz wenig zusammenpasst.“

Ronald Reng (Berliner Zeitung) vermisst in Schalke Konturen: „Das Unentschieden eröffnet Schalke die Möglichkeit, doch noch das Achtelfinale zu erreichen, führte aber auch vor, wie fern Schalke der internationalen Spitzenklasse ist. Es ist – auf diesem, dem höchsten Niveau – die Mannschaft ohne besondere Eigenschaften.“

Drei Minuten Langeweile – bis auf die Rote Karte

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