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Bundesliga

Warum schafft es Bayern nicht, Spieler weiterzuentwickeln?

Oliver Fritsch | Montag, 17. Dezember 2007 Kommentare deaktiviert für Warum schafft es Bayern nicht, Spieler weiterzuentwickeln?

Pressestimmen zum 17. Spieltag: Bayern München ist Herbstmeister, doch die Kritik an Trainer und Management wird lauter / Schalke gewinnt, ohne zu gefallen / Wolfsburg spielt besser als in der Vergangenheit, steht aber in der Tabelle dort, wo es immer schon gestanden hat; Dortmund ist immer für eine Überraschung gut – meist eine schlimme / Cottbus ist wieder da / Meister Stuttgart wiederholt seine Geschichte und kann sich nicht als Spitzenelf bewähren

Mit Blick auf die Tabelle und die Statistik nimmt Jan Christian Müller (FR) den Bayern-Kritikern einen Teil ihrer Argumente: „Nullnull in Dortmund, nullnull gegen Frankfurt, nullnull gegen Duisburg, nullnull in Berlin. Aber die Nullinger haben trotzdem vom ersten bis zum letzten Spieltag auf dem 1. Platz gestanden. Sie haben in siebzehn Spielen lächerliche acht Gegentore kassiert, was auf eine drückende Überlegenheit schließen lässt. Sie müssen schon sehr, sehr viel falsch machen, wenn sie nicht Meister werden. Aber sie haben schon jetzt ziemlich viel falsch gemacht: Denn sie haben den im Sommer auch unter ihnen weniger zugeneigten Menschen ganz schnell erarbeiteten Respekt noch viel schneller wieder verspielt.“

Christian Eichler (FAS) hingegen stutzt den Klub und seine Führung zurecht: „Warum schafft es der Klub nicht mehr, Spieler weiterzuentwickeln? Es gibt zu viele, die nicht besser werden. WM-Stars wie Lahm, Schweinsteiger, Podolski stagnieren oder haben sich gar zurückentwickelt, und das kann der Klub nicht mehr auf die Nationalelf schieben. Wäre der FC Bayern ein Weltunternehmen, der Personalchef müsste sich fragen lassen, warum man reihenweise ‚High Potentials’ anwirbt, es aber nicht schafft, sie weiterzuentwickeln. (…) Ist Ottmar Hitzfeld der richtige Mann? Die Aufgabe, einen durch teure Einkäufe umgestalteten Kader neu zu ordnen, Egos auf Kurs zu bringen, Kräfte zu bündeln, ist eine der schwersten im Trainerjob. Sie verlangt nach einem nervenstarken Psycho-Spieler, einem, der jung, aber mit allen Wassern gewaschen ist; einem Typen wie José Mourinho, der das bei Chelsea schaffte. Aber spielen die Bayern in seiner Liga? In der sind Milan, Inter, Barca, Real; Klubs, mit denen sich Uli Hoeneß gern auf Augenhöhe sieht. Dabei braucht er ein richtig gutes Fernglas.“

Auch Matti Lieske (Berliner Zeitung) sieht Hoeneß und Rummenigge im Zentrum der Kritik: „Die Aufgabe des neuen Bayern-Teams, für dessen Aufbau Prinzipien gebrochen und fast 100 Millionen Euro investiert wurden, war keineswegs nur, die Liga nach Belieben zu dominieren, auf Fernglasdistanz davonzueilen, die alte Titelpacht zu erneuern und nebenbei den Uefa-Cup zu gewinnen. Vor allem sollte das Luxus-Ensemble einen Befreiungsschlag der Kluboberen darstellen, den Nachweis ihrer Existenzberechtigung erbringen, ihrem Bedeutungsverlust entgegenwirken und die Kritiker zum Verstummen bringen. Es ging darum zu zeigen, dass der FC Bayern München tatsächlich nur eine neue Mannschaft gebraucht hatte, und nicht etwa neue Strukturen und eine neue Führung. Nur logisch, dass helle Panik ausbricht, wenn dieser Beweis zu scheitern droht.“

Ich bin zufrieden. Ich bin zufrieden. Ich bin zufrieden

Michael Reinsch (FAZ) staunt über Hoeneß’ Worte nach dem 0:0 in Berlin: „Die Zufriedenheit beim FC Bayern München war mehr eine Demonstration, als dass sie die Stimmung bei Deutschlands Fußballklub Nummer eins mit dem vierten 0:0 der Saison spiegeln dürfte. Dazu war die Partie dann doch zu unergiebig. Hertha verteidigte mit Klauen und Zähnen, und bei den Bayern reimte sich kahnlos tatsächlich auf zahnlos. (…) Am lustigsten war, wie sich Uli Hoeneß zu der These verstieg, dass die verzweifelte Defensive unterlegener Gegner eine neue Qualität erreicht habe. ‚Wenn das die Zukunft des Bundesliga-Fußballs ist, dann gute Nacht. Der neueste Trick ist ja, dass sich der Gegner mit elf Mann hinten reinstellt.’“ Johannes Kopp (taz) fügt an: „Bei Bayern München liegt der Vergleich zum Theater nahe. Denn vieles dort wirkt inszeniert. Und so erinnerte Uli Hoeneß Auftritt an den Oberlehrer Kulygin aus Anton Tschechows Drama ‚Drei Schwestern’. Kulygin hat in diesem Stück nämlich nicht viel mehr zu sagen als: ‚Ich bin zufrieden. Ich bin zufrieden. Ich bin zufrieden.’“

SZ: Ein Haufen Geld, ein Haufen Stars – Uli Hoeneß hat alles getan für den Erfolg, und jetzt leistet sich der FC Bayern zu allem Überfluss noch eine Krise
FAZ: Es gibt wohl keine große Chance mehr für eine Fortsetzung der Ehe zwischen den Bayern und Hitzfeld
BLZ: Gruppenbildung, Egoismen und Trainerdebatte beim angeblich bestgeführten Klub der Republik
stern.de: Der FC Bayern hat ein Führungsproblem. Ein großes. Eines das Uli Hoeneß heißt
FR: Bayern München, Prachtbau ohne Dach
direkter-freistoss (Oktober 2007): Hitzfeld, ein Trainer, der nichts zu gewinnen hat

Mutig und entscheidend

Frank Heike (FAZ) zollt dem Bremer Trainer Respekt dafür, bereits in der ersten Halbzeit zwei Spieler, darunter einen deutschen Nationalspieler, auszuwechseln und so den 5:2-Sieg gegen Leverkusen einzuleiten: „Natürlich hat Thomas Schaaf wieder einmal bewiesen, wie autark er arbeitet. Zuletzt war ihm ja vorgeworfen worden, nie die großen Namen auszutauschen, wenn etwas nicht funktioniert, und auch, zu früh wieder auf Torsten Frings gesetzt zu haben. Tim Borowski war am Samstag in dem Gefühl aufgelaufen, Chef und Anführer zu sein. Also war es mutig, ihn nach 30 Minuten vom Platz zu nehmen. Mutig und entscheidend.“

An der spielerischen Armutsgrenze

Richard Leipold (FAZ) vermisst bei Schalke, 2:1-Sieger gegen Nürnberg, den Erlebnisfaktor: „Die letzte Runde war wie ein Spiegelbild der ersten Serie. Beim dürftigen Heimsieg über den 1. FC Nürnberg zeichneten die Fußballprofis des FC Schalke 04 sich wieder durch eine Art von Effektivität aus, deren Charme nur beim Blick auf Zahlen und Tabellen zum Vorschein kommt. Die Zugabe vier Tage nach dem umjubelten Einzug ins Achtelfinale der Champions League blieb auf ein spielerisches Minimum beschränkt, das ausreichte, um auch in der Bundesliga den sportlichen Anspruch des Reviervereins aufrechtzuerhalten. Die Schalker wollen weiterhin Dritter werden – auch wenn sie selten, fast nie so gespielt haben in den vergangenen Monaten. Gemessen am Niveau einer Spitzenmannschaft, bewegen die Königsblauen sich oft an der spielerischen Armutsgrenze, aber sie tun es neuerdings ökonomisch.“

Besser gespielt, aber nicht mehr Punkte

Sebastian Stiekel (FAZ) meint nach dem 4:0 gegen Dortmund, dass ins Wolfsburger Spiel Leben gekommen ist, wenn auch kein dauerhafter Erfolg: „Kein Klub hat mehr ver- und eingekauft in diesem Halbjahr, und kein Klub hat auf der Suche nach der besten Formation häufiger die Aufstellung verändert. Der Umbruch, den Felix Magath seit Juli vornimmt, hat den VfL Wolfsburg nachhaltig geprägt in dieser Hinrunde. Neuzugänge wie Josué, Dejagah oder Grafite haben ihn enorm verbessert und dazu befähigt, so starke Leistungen wie gegen Dortmund zu zeigen. Die Integration von vierzehn Neuen und die Häufigkeit, mit der Magath umstellte, zogen aber auch Abstimmungsprobleme nach sich, die mehr als ein Überwintern auf Platz zehn verhinderten. Der Verein hat deutlich besser gespielt als in den abstiegskampfgeprägten vergangenen Jahren. Deutlich mehr Punkte als zuletzt hat er an Weihnachten aber nicht. (…) In seiner Halbherzigkeit war der BVB ein Gegner, wie man ihn sich nur wünschen kann. Vor dem eigenen Tor gewährte er zu viele Freiräume, vor dem gegnerischen war er zu unkonzentriert.“

Auch Claudio Catuogno (SZ) legt angesichts der Dortmunder Leistung die Stirn in Falten: „Es war ein seltsam lebloses Bild, das die Borussen abgaben. Vorne schlichen sie unbeholfen um den Strafraum der Gastgeber herum wie schüchterne Tanzschüler bei Damenwahl. Ein paar verzogene oder übers Gehäuse gelupfte Schussversuche, mehr war nicht zu sehen. Der Spielaufbau aus der Defensive heraus versagte fast völlig, ebenso wie die Defensive selbst. Der Auftritt des BVB jedenfalls verwunderte nach zuletzt zwei Siegen gegen Stuttgart und Bielefeld. Das Team bleibt in dieser Saison Dollis Wundertüte: Immer ein bisschen zu süßlich angepriesen dafür, dass man nie weiß, was man kriegt.“

Neue Energie

Matthias Wolf (FAZ) rechnet wieder mit Cottbus: „Dreizehn Punkte hat Bojan Prasnikar in zehn Partien geholt, nun auch den höchsten Sieg der Cottbuser Bundesligahistorie. Längst, so Vereinschef Ulrich Lepsch, ärgere er sich, dass man nicht schon im Sommer die Trennung von Petrik Sander vollzogen habe, mit dem die Klubführung zerstritten war. Sieben Punkte aus drei Partien – Energie ist nicht mehr abgeschlagen, sondern wieder mittendrin. Mit neuem Mut und neuem Respekt der Gegner. (…) Neue Energie an der polnischen Grenze.“

Doch nicht ganz so einmalig

Peter Stolterfoht (Stuttgarter Zeitung) fasst das Stuttgarter Jahr zusammen, das mit einem 0:2 in Bielefeld endet: „Weder die Höhepunkte noch die Tiefpunkte haben etwas mit Zufall zu tun. Der VfB wurde Meister, weil er im Frühjahr die entschlossenste und nervenstärkste Mannschaft war. Im Trubel des Saisonendspurts hatten die Spieler gar keine Zeit, darüber nachzudenken, was sie da gerade erreichen können. Das war der große Vorteil. Nach dem Titelgewinn fand die Mannschaft dann aber Zeit zum Nachdenken – was nicht von Vorteil war. So sind die Stuttgarter Profis wohl zu dem Ergebnis gekommen, dass sie als Meister für den Erfolg nun nicht mehr ganz so hart arbeiten müssen. Und von außen kamen keine neuen Impulse. Die Mannschaft wurde nur unwesentlich verändert. Nach dem Titelgewinn sind aus nachvollziehbarer Dankbarkeit Spieler gehalten worden, die normalerweise den Verein hätten verlassen müssen. Bei den wenigen Neuzugängen ließ der Verein die entscheidende Treffsicherheit vermissen. Das Stuttgarter Ziel, auch international positiv auf sich aufmerksam zu machen, wurde verfehlt – genauso wie jenes, den Club nach dem Titelgewinn als deutschen Spitzenverein zu etablieren. So deutet im Moment einiges darauf hin, dass der VfB – wie schon nach den Meisterschaften 1984 und 1992 – den Anschluss verpasst. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Deshalb ist das VfB-Jahr 2007 womöglich doch nicht ganz so einmalig.“

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