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Ball und Buchstabe

Verausterung oder Notwendigkeit?

Oliver Fritsch | Mittwoch, 30. Januar 2008 Kommentare deaktiviert für Verausterung oder Notwendigkeit?

Zwei ähnlich geartete Medienthemen beschäftigen zurzeit die Fußballpresse: Zum ersten kursiert das Gerücht, der FC Bayern wolle sich seine Journalisten künftig aussuchen; Ottmar Hitzfeld soll mit einem Positionspapier gesichtet worden sein, das ein Konzept darlege, nach dem nur noch rund zwanzig „relevante“ Redaktionen mit Informationen und Interviews versorgt werden sollen. Zum anderen fürchtet man eine regressive Medienpolitik des DFB während der EM

Thomas Knüwer (Indiskretion Ehrensache/Handelsblatt) kritisiert die Aktion: „Jeder weiß, was das Management des FC Bayern unter fairen Journalisten versteht: Journalisten, nämlich, die die Meinung des Managements des FC Bayern vertreten. Das Ziel dieser Aktion ist klar: Kritiker ausschalten. Das Ergebnis wird das Gegenteil sein. Journalisten, die aus dem Kreis der Günstlinge fallen, werden umso aggressiver recherchieren, ebenso jene, die gar nicht erst hineingelangen. Und nichts ist schlimmer, als wenn Sportjournalisten mit einem Mal das tun, was sie sonst nur selten machen: recherchieren. So bröckelte auch das Kartenhaus Borussia Dortmund einst zusammen. Statt sich zu veraustern sollten die Fußball-Clubs ihre Kommunikationsabteilungen stärken und sich öffnen.“

Thilo Komma-Pöllath (FAZ) wirft dem Klub vor, sich das falsche Vorbild zu nehmen: „Bei Bayern München deutet vieles auf eine Lösung hin, wie sie der amerikanische Präsident in Washington exerziert. ‚White House Press’ nennt sich das Modell, das ebenfalls in Hitzfelds Händen zu lesen war. Ein Modell, in dem eine ausgewählte Schar einflussreicher und oft auch freundlich gestimmter Medien näher an den Entscheidungsprozessen beteiligt wird. Den machtbewussten Bayern wird das gefallen: Weg vom FC Hollywood hin zum Weißen Haus in München-Giesing.“

Jörg Schallenberg (Spiegel Online) verfolgt eine andere Idee: „Eine Interpretationsmöglichkeit lautet: Wer kritisch berichtet, wird dann wohl nicht mehr mit allzu vielen Informationen aus dem Club rechnen können, geschweige denn Interviewpartner oder Akkreditierungen zu wichtigen Spielen bekommen. Doch die Idee könnte ja auch anders gemeint sein: Zielt sie auf eine Disziplinierung der eigenen Leute?“

Stefan Osterhaus und Andreas Rüttenauer (taz) ergänzen: „Ob diese Operation den Titel ‚Maulkorb’ verdient, wird sich erst in der Praxis erweisen. Experten zweifeln an der Durchführbarkeit, weil die Bayern ihr temperamentvolles Personal – allen voran die Herren Beckenbauer und Hoeneß – austauschen müssten, um die Zielvorgabe zu erfüllen. Wer nun die Bayern in der Rolle der bösen Informationsbeschränker sieht, hat nicht ganz verstanden, wie weit Anspruch und Wirklichkeit in diesem Klub auseinander liegen. Die Pläne der Bayern sind eine bloße Notwendigkeit, wenn der Verein sich als Wirtschaftsunternehmen begreifen will. Dort ist ein solches Verhalten gegenüber Journalisten längst gängige Praxis – und niemand protestiert.“ Zudem heißt es: „In der Realität standen die Chancen auf ein Rummenigge-Interview für den Generalanzeiger aus Knatterheim an der Knatter schon immer schlecht. Die einzige Möglichkeit: Die Redaktion hätte es bei Tom Kummer bestellen müssen. Sebastian Krass, der als freier Journalist in München auch für die taz über den FC Bayern berichtet, ist noch nie ein Einzelinterview mit einem Spieler bewilligt worden.“

Gebastel

Rüttenauer ist es auch, der über schwierige Arbeitsbedingungen bei DFB-Interviews klagt: „Zehn bis zwölf Medienvertreter sitzen zwanzig Minuten mit einem Spieler am Tisch. Nachfragen ist so gut wie nicht möglich, eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre kann gar nicht erst aufkommen. Der Boulevardreporter will wissen, wie oft der junge Superstar an der Playstation sitzt, ein Vertreter einer Regionalzeitung fragt, ob der Spieler verfolge, wie seine Leistungen in seinem Heimatkaff bewertet werden, und wer wissen will, warum sich der Stürmer im letzten Spiel so schwer getan hat, kommt eventuell gar nicht zu Wort. Und am Ende bastelt jeder daraus sein Interview. (…) Am Mittwoch tritt die deutsche Auswahl zum Testspiel in Wien an. Und Oliver Bierhoff beklagt laut die knappe Zeit für die sportliche Vorbereitung. Doch daran sind nicht die Journalisten schuld. Der nationale Terminkalender ist auch deshalb so prall gefüllt, weil Hauptsponsor Mercedes-Benz am Montag mit den Spielern einen Werbefilm drehen darf.“

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