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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Ball und Buchstabe

Elite ist, wer dazugehört

Oliver Fritsch | Dienstag, 29. April 2008 Kommentare deaktiviert für Elite ist, wer dazugehört

Michael Horeni (FAZ) ärgert sich über die Kritik des Springer-Kolumnisten und -Günstlings Matthias Sammer an Thomas Doll: „Sammer hat Doll nach dessen ‚Wutrede’ in einer Weise angegriffen, wie es sich kein anderer Kollege erlaubt hat. ‚Als Trainer hat man eine gewisse Vorbildwirkung. Ich glaube, dass ich das Geschäft mittlerweile ganz gut kenne, aber Thomas hat es noch nicht richtig begriffen, von wem das alles gelenkt und geleitet wird.’ Rums, das saß. Sprach da nun der DFB-Sportdirektor über einen Kollegen oder der Kommentator eines Privatsenders über ein angeschlagenes Berichterstattungsobjekt kurz vor dem Rausschmiss – oder macht das vielleicht gar keinen Unterschied für einen, der weiß, wie der Laden läuft? Dass Sammer längst begriffen hat, wie der Profifußball funktioniert und wie er gelenkt wird, daran dürften ohnehin keine großen Zweifel bestehen. Sein früherer publizistischer Arbeitgeber hatte ihn schließlich schon bei der erfolgreichen Bewerbung um den Posten des DFB-Sportdirektors unterstützt. Danach weiß man, wie man beim weiten Weg zum Erfolg auch mal eine Abkürzung einschlagen kann. Der DFB allerdings könnte sich angesichts von so viel Pragmatik fragen, wie es sich mit der Vorbildfunktion verträgt, wenn herausgehobene Führungskräfte sich nicht nur der Programmatik ihres Amtes verpflichtet fühlen. Aber wenigstens über den sonst ziemlich vagen Elitebegriff, für den der Sportdirektor so gerne wirbt, lässt sich an Sammers eigenem Beispiel einiges lernen. Elite ist, wer dazugehört – überall. So einfach ist das.“

Und mal was anderes und auf der Hand liegendes: Was ist davon zu halten, dass ausgerechnet Sammer, der als Trainer (Dortmund, Stuttgart) oft kurz davor schien, sich vor der Kamera in der Luft zu zerreißen, dass ausgerechnet der Wutgickel Sammer also Doll zur Mäßigung ruft – wie sollen wir das anders nennen als Heuchelei?

SZ: Neue Details zu einem alten Streit: In seinem Buch ‚Führungs-Stil’ beschreibt Bernhard Peters, wie sich der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann gegen Matthias Sammer als neuen Sportdirektor wehrte

Der Inhalt hat gegen den Show-Wert keine Chance

Der Medienredakteur Jochen Hieber (FAZ) hat da mal eine Frage an seine Kollegen vom Sport: „Thomas Doll hat sich in Rage geredet und sich dabei direkt an die Sportjournalisten gewandt, deren Arbeit er zugleich Respekt zollte. Ihm und seiner Mannschaft gegenüber vermisst er diese Tugend. (…) Der Mitschnitt im Internet garantiert hohe Klickzahlen. Im Radio wurden die heftigsten Passagen dauergesendet. Dabei ging es nicht einen Moment lang um die Frage, ob oder in welchem Maße Doll mit seiner Verbalattacke wunde Medienpunkte getroffen habe. Ausschließlich diskutiert wurde, wie unterhaltsam es gewesen sei. Merke: Der Inhalt hat gegen den Show-Wert keine Chance.“ Hiebers Text ist in der Medienrubrik „In medias res“ erschienen, sein erster gefetteter Satz lautet: „Wie Medien auf Medienkritik reagieren“.

Schmerzmittel, ein weit verbreitetes Phänomen im Berufssport

Christian Zaschke (SZ) zweifelt mit Ivan Klasnic und seinen Anwälten an den Ärzten Werder Bremens – und zwar auch an deren Berufsethik: „Die Sportmedizin entpuppt sich zunehmend als eine Medizin, die nicht primär heilt, sondern optimiert und effizienter macht, sich also zur Allgemeinmedizin verhält wie ein Auto-Tuner zur Auto-Werkstatt. Der Fall von Ivan Klasnic wirft erneut ein Licht auf die Sportmedizin und viele Fragen auf: Wie kann es sein, dass alarmierende Blutwerte eines Profis in diesem Geschäft niemanden zum Handeln bewegt haben? Ist das so, weil es eben ein ‚schicksalshafter Krankheitsverlauf’ war, wie es in Bremen heißt? Ist das so, weil Ärzte Fehler gemacht haben? Oder ist das so, weil seltsame Blutwerte bei Fußballprofis nicht ungewöhnlich sind? Der Fall mutet so seltsam an, dass in alle Richtungen gedacht werden muss und einstweilen nichts auszuschließen ist. Es wird interessant sein zu sehen, wie die Elite der Sportmedizin reagiert. Mit einem Aufschrei? Eher nicht, denn selbst wenn es sich im Fall Klasnic um eine unglückliche Verkettung handeln sollte, so offenbart er doch einen Blick in eine Welt, in welcher der Mensch zuerst eins ist: Maschine. Der Normalsterbliche muss zwar eine Weile warten, bis er einen Termin beim Arzt seiner Wahl bekommt, aber dafür wird er im besten Fall weder getunt noch repariert, sondern sorgsam behandelt.“

Frank Heike (faz.net) hat sich die Klasnics bei Beckmann angesehen und macht auf einen weiteren Aspekt des Falls aufmerksam: „Neben dem Schicksal Klasnics, sich aktuell einmal in der Woche im Krankenhaus zur Kontrolle melden muss und diverse Medikamente einnimmt, weist der Fall auf ein weit verbreitetes Phänomen im Berufssport hin – den sorglosen Gebrauch von Schmerzmitteln über lange Zeit. Auch Klasnic hat über Jahre ein schmerz- und entzündungshemmendes Mittel mit dem Wirkstoff Diclofenac eingenommen. Es wurde in der Sendung zumindest suggeriert, dass Werder-Arzt Dimanski es ihm verschrieben habe.“

Stefan Osterhaus (Spiegel Online) ergänzt: „Dass das Wort Doping im Zusammenhang mit den Schmerzmitteln fällt, ist nicht deplaziert, sondern folgerichtig. Die Diskussion über Sinn und Unsinn von Leistungssteigerung sollte nicht allein den Leuten von der Welt-Anti-Doping-Agentur überlassen werden.“

SZ: Ivan Klasnic will wegen seiner Nierentransplantation 1,4 Millionen Euro Schadenersatz von Werder Bremen; der Verein deutet eine Trennung von Klasnic an

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