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Ball und Buchstabe

Intoleranz und Verantwortungslosigkeit

Oliver Fritsch | Montag, 26. Mai 2008 Kommentare deaktiviert für Intoleranz und Verantwortungslosigkeit

Christoph Daums schwulenfeindliche Thesen konterkarieren die gutgemeinten Initiativen Theo Zwanzigers und offenbaren die Vorurteile der Branche

Thomas Winkler (taz) gewinnt sarkastisch den homophoben Aussagen Christoph Daums etwas Gutes ab: „Daum hat die Realitäten wieder geradegerückt. Und dafür gesorgt, dass Homoaktivisten wieder einmal darauf aufmerksam machen konnten, was der DFB unter Theo Zwanziger zuletzt mit allerhand Goodwill-Aktionen geschickt zu verschleiern gewusst hatte: dass das Verhältnis des durchschnittlichen deutschen Kickers zur gleichgeschlechtlichen Liebe im Normalfall immer noch von entschiedener Intoleranz geprägt ist. (… Es ist) ein altes Vorurteil: Nichts gegen Schwule, aber die können nun mal einfach nicht die Finger lassen von kleinen Kindern. Daum hat also dankenswerterweise mal wieder vor Augen geführt, dass auch sich liberal dünkende Menschen voreingenommen sein können – und es nicht einmal mitkriegen. Die Tatsache, einem Homosexuellen mal die Hand gedrückt zu haben, schützt eben nicht vor Homophobie. Und man darf getrost davon ausgehen, dass Daum damit die in den Fußballvereinen dieses Landes herrschende Meinung nur leicht verklausuliert zum Ausdruck gebracht hat.“

Für Fooligan hört der Spaß auf: „Man muss mit Nachdruck fordern, Daum aus seinem jetzigen Vertrag zu Rakete Holzbüttgen ziehen zu lassen, die ihn dann auf den Mond schießen, hinter dem er offensichtlich bereits wohnt. Die Fußballlandschaft ist ja vollgepackt mit Wahnsinnigen und Psychopathen, ein solches Maß an gesellschaftlicher Verantwortungslosigkeit, Homophobie und Arschlochtum ist allerdings nicht tolerierbar. Nicht mal im Fußball.“

Ronny Blaschke (Berliner Zeitung) hingegen redet diplomatischer und bescheinigt dem DFB-Präsidenten Wirkungslosigkeit: „Es wäre unseriös, Daum nur auf Basis dieser Aussage als schwulenfeindlich zu bezeichnen. Er und seine Vorgesetzten bemühten sich um eine Relativierung der Zitate, doch ihre Art verdeutlichte, wie gefährlich es ist, wenn sich Unwissenheit mit Ignoranz mischt. ‚Es war nicht seine Absicht, jemanden zu diffamieren. Es ging ihm mehr um den Kinderschutz’, sagte Michael Meier, der Manager. Dass er Daums Gedanken aufgriff, ihn in andere Worte kleidete und ebenfalls ein altes Klischee bestärkte, schien er nicht zu bemerken. (…) Theo Zwanzigers Werben kann der Anfang einer Bewegung sein, für den Durchbruch ist es zu früh. In den Satzungen des DFB, der Fifa, der Uefa und der meisten Klubs fehlt bis heute der Begriff Sexualität – das Streben nach Differenzierung, Transparenz und Klarheit ist nicht zu erkennen. Durch nachhaltige Kampagnen hat sich in Deutschland ebenfalls kein Verband hervorgetan. Die Bemühung des DFB um ein Benefizspiel soll laut Kennern der Szene von der DFL nicht gefördert worden sein.“

Verquere Gleichsetzung von Homosexualität und Pädophilie

In seinem Blog schreibt Blaschke: „Die Initiativen sind ehrenwert, doch in das Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit schaffen sie es selten, zu gering ist die Unterstützung von Politik, Wirtschaft, Verbänden und Medien. Vor diesem Hintergrund werden auch die Aussagen Zwanzigers relativiert. Er äußert sich so kritisch wie kein anderer Funktionär, aber eine Broschüre, eine nachhaltige Kampagne oder ein Benefizspiel hat auch er nicht durchsetzen können. Auch der Strafenkatalog wurde nicht verändert, womöglich müsste sonst jedes zweite Spiel abgebrochen werden.“

Daniel Theweleit (Spiegel Online) lässt keine Ausrede oder Abwiegelung gelten: „Man braucht viel guten Willen, um aus den Daumschen Worten etwas anderes herauszulesen als eine völlig verquere Gleichsetzung von Homosexualität und pädophilen Übergriffen. In Köln wird nun eifrig gerätselt, was Daum zu diesen merkwürdigen Aussagen getrieben hat. Es kursiert die Theorie, dass er zur Zeit des Interviews davon ausging, bei der Ausstrahlung der Sendung nicht mehr in Köln, Deutschlands heimlicher Hauptstadt der Schwulen und Lesben, zu arbeiten, und deshalb kein Blatt vor den Mund nahm. Doch weil er hier geliebt wird wie nirgends sonst, und über seine Nähe zum ‚Express’ weiterhin ein buntes Boulevardthema geblieben wäre, ist das eher unwahrscheinlich. Und wenn es sich wirklich um ein Missverständnis handeln würde, dann hätte die Klarstellung eindeutiger und weniger lieblos formuliert sein müssen. Wahrscheinlicher scheint, dass Daum tatsächlich kein Freund homosexueller Lebensentwürfe ist. Und er ist noch nicht einmal sensibel genug, das in dieser Stadt mit ihrem tief im kulturellen Alltag verwurzelten Club für sich zu behalten.“

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